Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hasenfüße in Untertürkheim
Daimler stellt Rekordzahlen vor, kann aber die Zukunftssorgen nicht verbergen
- Jeden siebten Mercedes verkauft der Stuttgarter Autobauer Daimler in den Vereinigten Staaten. Dazu zählen auch die Wagen, die US-Präsident Donald Trump sieht, wenn er in seiner Heimatstadt New York über die 5th Avenue geht. „Da hat jeder einen Mercedes Benz vor der Tür stehen“, sagte Trump vor wenigen Tagen. Es zeige vor allem, wie „unfair die Deutschen gegenüber den USA“seien. „Wie viele Chevrolets stehen in Deutschland? Nicht allzu viele, vielleicht gar keine.“
Eine Szene, die mehr als andere demonstriert, wie Donald Trump die Welt sieht: die USA gegen den Rest der Welt, amerikanische Autobauer gegen Ausländische. Seine Konsequenz: Strafzölle, Abschottung und Protektionismus. Die deutschen Autohersteller haben sich bislang gescheut, Stellung zu beziehen. Kein Kommentar und erst recht keine Kritik. Und auch das Unternehmen, das die Autos baut, über die sich Trump bei seinen Spaziergängen in New York so ärgert, hat daran am Donnerstag nichts geändert.
Zetsche weist Frage rüde zurück
„Wir stellen uns auf neue politische Bedingungen ein, wenn wir sie kennen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Vorstellung der Geschäftszahlen in der Carl-Benz-Arena in Stuttgart. Man sei zwar überzeugt, dass die Welt vom freien Handel profitiere, aber mehr sei zurzeit zu dem Thema nicht zu sagen. Fragen nach möglichen ersten Gesprächen mit der US-Regierung, nach den Werken von Daimler in Mexiko oder danach, wie sehr ein amerikanischer Importzoll den Autobauer treffen könnte, kommentierte Zetsche nicht. Die Frage, was die zuvor verteilte schriftliche Stellungnahme bedeute, nach der „mögliche fiskalpolitische Impulse der neuen US-Regierung sich positiv auf die Nachfrage auswirken könnten“, wies Zetsche gar rüde zurück. „Es ist schade, dass sie sich mit der Antwort nicht glücklich fühlen, aber ich befürchte, dass ich daran nichts ändern kann“, blaffte Zetsche.
Die Reaktion des Managers gründet sich darauf, dass eine konsequente Abschottungspolitik der USA mit Strafzöllen von 35 Prozent den schwäbischen Traditionskonzern mit Sitz in Stuttgart-Untertürkheim empfindlich treffen könnte.
Das Unternehmen stellt zwar seit 1997 in Alabama SUVs (Sport Utility Vehicle, englisch für sogenannte Geländelimousinen) sowie die C-Klasse her. Und in Charleston rollt bald der Sprinter vom Band. In Mexiko baut Daimler allerdings zurzeit zusammen mit Renault-Nissan eine neue Fabrik. Dort will Daimler 2018 mit der Produktion von Kompaktwagen beginnen. Hinzu kommt, dass die USA neben China der größte Absatzmarkt für die Limousinen der S- und E-Klasse sind. Außerdem stammt nach Branchenschätzungen ein Drittel der in den USA verkauften Daimler-Lastwagen aus Mexiko. Trumps Pläne könnten den Import in Zukunft ziemlich unwirtschaftlich machen.
Vor allem für die Lastwagen-Sparte wäre das schwierig und würde die Probleme dieses Geschäftsbereichs verschärfen. Zwar bleibt Daimler weltweit größter Hersteller von Lastwagen über sechs Tonnen, doch der Absatz ging 2016 um 17 Prozent auf rund 415 000 Fahrzeuge zurück. Vor allem in Latein- (minus zehn Prozent) und Nordamerika (minus 24 Prozent) stockte das Geschäft. Damit sank der Umsatz bei den Lastwagen um zwölf Prozent auf 33,2 Milliarden Euro. Nicht zuletzt diese Entwicklung hatte Daimler im vergangenen Jahr dazu veranlasst, seine Umsatzund Absatzerwartungen für den gesamten Konzern zurückzunehmen.
Die Autosparte glich die Schwäche jedoch mehr als aus: Aufgrund der guten Geschäfte mit Personenwagen schloss der Konzern das Jahr 2016 einmal mehr mit einem Rekord ab. Der Umsatz stieg um drei Prozent auf mehr als 153 Milliarden Euro, der Gewinn erhöhte sich um ein Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Der operative Gewinn lag mit 14,2 Milliarden Euro drei Prozent über dem Vorjahr. „Daimler hat beim Absatz, Umsatz und Ergebnis mehr erreicht denn je“, erklärte Zetsche. Und eine Sache bereits 2016 geschafft, die sich der Konzern eigentlich erst für 2020 vorgenommen hatte: Der Autobauer ist erstmals seit zehn Jahren wieder der weltweit größte Hersteller von Premiumfahrzeugen. Daimler verkaufte in den vergangenen zwölf Monaten rund 2,2 Millionen Autos, das waren zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor – und vor allem mehr als der Rivale BMW, der 2016 auf rund zwei Millionen Fahrzeuge kam. Audi als dritter deutscher Premiumhersteller setzte 1,8 Millionen Autos ab.
Mehr als zehn neue Elektroautos
Daimler-Chef Zetsche hob in Stuttgart allerdings nicht nur das Rekordergebnis hervor, er verwies vor allem auch auf die Zukunftsprojekte, die der Konzern im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht habe. „Im bislang besten Jahr unserer Firmengeschichte haben wir auch den größten Wandel bei Daimler angestoßen“, sagte der Manager. Die Projekte im Bereich E-Mobilität hat das Unternehmen unter der Marke EQ gebündelt. Bis 2025 sollen mehr als zehn neue Elektroautos auf den Markt gebracht werden. Zudem will Daimler seine Aktivitäten bei der Vernetzung von Fahrzeugen und beim autonomen Fahren ausbauen.
Doch trotz aller Erfolge der vergangenen Monate und dem beharrlichen Verweisen auf dieselben, konnte Zetsche, der die Geschäftszahlen gemeinsam mit seinem Finanzvorstand Bodo Uebber vorstellte, nicht verbergen, dass man sich in Stuttgart wegen der Trump’schen Angriffe auf die Weltwirtschaft sorgt. Grundsätzlich setze sich Daimler für einen freien Handel ein, „manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg“, sagte er.
Wie groß die Sorgen bei Zetsche allerdings wirklich sind, zeigt die Diskrepanz zwischen den Verkaufszahlen für den Januar 2017 und der von Zetsche ausgegebenen Jahresprognose: Während Daimler in den vergangenen vier Wochen mit 178 467 Autos (plus 18,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) so viele Fahrzeuge weltweit ausgeliefert hat wie nie zuvor in einem Januar, will Daimler sein Ergebnis auf das Gesamtjahr gesehen nur „leicht“steigern. So redet keiner, der selbstbewusst und ohne Sorgen in die Zukunft blickt.