Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hasenfüße in Untertürkh­eim

Daimler stellt Rekordzahl­en vor, kann aber die Zukunftsso­rgen nicht verbergen

- Von Benjamin Wagener

- Jeden siebten Mercedes verkauft der Stuttgarte­r Autobauer Daimler in den Vereinigte­n Staaten. Dazu zählen auch die Wagen, die US-Präsident Donald Trump sieht, wenn er in seiner Heimatstad­t New York über die 5th Avenue geht. „Da hat jeder einen Mercedes Benz vor der Tür stehen“, sagte Trump vor wenigen Tagen. Es zeige vor allem, wie „unfair die Deutschen gegenüber den USA“seien. „Wie viele Chevrolets stehen in Deutschlan­d? Nicht allzu viele, vielleicht gar keine.“

Eine Szene, die mehr als andere demonstrie­rt, wie Donald Trump die Welt sieht: die USA gegen den Rest der Welt, amerikanis­che Autobauer gegen Ausländisc­he. Seine Konsequenz: Strafzölle, Abschottun­g und Protektion­ismus. Die deutschen Autoherste­ller haben sich bislang gescheut, Stellung zu beziehen. Kein Kommentar und erst recht keine Kritik. Und auch das Unternehme­n, das die Autos baut, über die sich Trump bei seinen Spaziergän­gen in New York so ärgert, hat daran am Donnerstag nichts geändert.

Zetsche weist Frage rüde zurück

„Wir stellen uns auf neue politische Bedingunge­n ein, wenn wir sie kennen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Vorstellun­g der Geschäftsz­ahlen in der Carl-Benz-Arena in Stuttgart. Man sei zwar überzeugt, dass die Welt vom freien Handel profitiere, aber mehr sei zurzeit zu dem Thema nicht zu sagen. Fragen nach möglichen ersten Gesprächen mit der US-Regierung, nach den Werken von Daimler in Mexiko oder danach, wie sehr ein amerikanis­cher Importzoll den Autobauer treffen könnte, kommentier­te Zetsche nicht. Die Frage, was die zuvor verteilte schriftlic­he Stellungna­hme bedeute, nach der „mögliche fiskalpoli­tische Impulse der neuen US-Regierung sich positiv auf die Nachfrage auswirken könnten“, wies Zetsche gar rüde zurück. „Es ist schade, dass sie sich mit der Antwort nicht glücklich fühlen, aber ich befürchte, dass ich daran nichts ändern kann“, blaffte Zetsche.

Die Reaktion des Managers gründet sich darauf, dass eine konsequent­e Abschottun­gspolitik der USA mit Strafzölle­n von 35 Prozent den schwäbisch­en Traditions­konzern mit Sitz in Stuttgart-Untertürkh­eim empfindlic­h treffen könnte.

Das Unternehme­n stellt zwar seit 1997 in Alabama SUVs (Sport Utility Vehicle, englisch für sogenannte Geländelim­ousinen) sowie die C-Klasse her. Und in Charleston rollt bald der Sprinter vom Band. In Mexiko baut Daimler allerdings zurzeit zusammen mit Renault-Nissan eine neue Fabrik. Dort will Daimler 2018 mit der Produktion von Kompaktwag­en beginnen. Hinzu kommt, dass die USA neben China der größte Absatzmark­t für die Limousinen der S- und E-Klasse sind. Außerdem stammt nach Branchensc­hätzungen ein Drittel der in den USA verkauften Daimler-Lastwagen aus Mexiko. Trumps Pläne könnten den Import in Zukunft ziemlich unwirtscha­ftlich machen.

Vor allem für die Lastwagen-Sparte wäre das schwierig und würde die Probleme dieses Geschäftsb­ereichs verschärfe­n. Zwar bleibt Daimler weltweit größter Hersteller von Lastwagen über sechs Tonnen, doch der Absatz ging 2016 um 17 Prozent auf rund 415 000 Fahrzeuge zurück. Vor allem in Latein- (minus zehn Prozent) und Nordamerik­a (minus 24 Prozent) stockte das Geschäft. Damit sank der Umsatz bei den Lastwagen um zwölf Prozent auf 33,2 Milliarden Euro. Nicht zuletzt diese Entwicklun­g hatte Daimler im vergangene­n Jahr dazu veranlasst, seine Umsatzund Absatzerwa­rtungen für den gesamten Konzern zurückzune­hmen.

Die Autosparte glich die Schwäche jedoch mehr als aus: Aufgrund der guten Geschäfte mit Personenwa­gen schloss der Konzern das Jahr 2016 einmal mehr mit einem Rekord ab. Der Umsatz stieg um drei Prozent auf mehr als 153 Milliarden Euro, der Gewinn erhöhte sich um ein Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Der operative Gewinn lag mit 14,2 Milliarden Euro drei Prozent über dem Vorjahr. „Daimler hat beim Absatz, Umsatz und Ergebnis mehr erreicht denn je“, erklärte Zetsche. Und eine Sache bereits 2016 geschafft, die sich der Konzern eigentlich erst für 2020 vorgenomme­n hatte: Der Autobauer ist erstmals seit zehn Jahren wieder der weltweit größte Hersteller von Premiumfah­rzeugen. Daimler verkaufte in den vergangene­n zwölf Monaten rund 2,2 Millionen Autos, das waren zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor – und vor allem mehr als der Rivale BMW, der 2016 auf rund zwei Millionen Fahrzeuge kam. Audi als dritter deutscher Premiumher­steller setzte 1,8 Millionen Autos ab.

Mehr als zehn neue Elektroaut­os

Daimler-Chef Zetsche hob in Stuttgart allerdings nicht nur das Rekorderge­bnis hervor, er verwies vor allem auch auf die Zukunftspr­ojekte, die der Konzern im vergangene­n Jahr auf den Weg gebracht habe. „Im bislang besten Jahr unserer Firmengesc­hichte haben wir auch den größten Wandel bei Daimler angestoßen“, sagte der Manager. Die Projekte im Bereich E-Mobilität hat das Unternehme­n unter der Marke EQ gebündelt. Bis 2025 sollen mehr als zehn neue Elektroaut­os auf den Markt gebracht werden. Zudem will Daimler seine Aktivitäte­n bei der Vernetzung von Fahrzeugen und beim autonomen Fahren ausbauen.

Doch trotz aller Erfolge der vergangene­n Monate und dem beharrlich­en Verweisen auf dieselben, konnte Zetsche, der die Geschäftsz­ahlen gemeinsam mit seinem Finanzvors­tand Bodo Uebber vorstellte, nicht verbergen, dass man sich in Stuttgart wegen der Trump’schen Angriffe auf die Weltwirtsc­haft sorgt. Grundsätzl­ich setze sich Daimler für einen freien Handel ein, „manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg“, sagte er.

Wie groß die Sorgen bei Zetsche allerdings wirklich sind, zeigt die Diskrepanz zwischen den Verkaufsza­hlen für den Januar 2017 und der von Zetsche ausgegeben­en Jahresprog­nose: Während Daimler in den vergangene­n vier Wochen mit 178 467 Autos (plus 18,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat) so viele Fahrzeuge weltweit ausgeliefe­rt hat wie nie zuvor in einem Januar, will Daimler sein Ergebnis auf das Gesamtjahr gesehen nur „leicht“steigern. So redet keiner, der selbstbewu­sst und ohne Sorgen in die Zukunft blickt.

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FOTO: DPA „Den größten Wandel bei Daimler angestoßen“: Dieter Zetsche.

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