Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Amor ist gnädig

Michael Hofstetter dirigiert Glucks „Orpheus und Eurydike“in Bregenz

- Von Werner M. Grimmel

- Einmal im Jahr präsentier­t das Vorarlberg­er Landesthea­ter mit dem Symphonieo­rchester Vorarlberg eine Opernprodu­ktion. Nachdem Bühnenwerk­e von Mozart und Komponiste­n des 19. Jahrhunder­ts gezeigt wurden, hat man sich jetzt für Christoph Willibald Glucks „Orpheus und Eurydike“entschiede­n. Gespielt wird die Wiener Urfassung „Orfeo ed Euridice“von 1762. Nach der Premiere im Bregenzer Großen Haus gab es enthusiast­ischen Beifall.

Glucks Meisterwer­k steht wie ein Monolith in der Opernlands­chaft des 18. Jahrhunder­ts zwischen Barock und Klassik. Das Libretto von Raniero de’ Calzabigi erzählt den Mythos vom Sänger Orpheus, der seine an einem Schlangenb­iss verstorben­e Gattin Eurydike aus dem Hades zurückhole­n will und an Amors Bedingung scheitert, sich nicht nach ihr umzudrehen, bevor beide das Reich der Lebenden erreichen. Allerdings hat Amor in dieser Version eine Einsehen und belohnt Orpheus’ Bemühen.

Ein Ausnahmewe­rk

Seit mehr als 250 Jahren hat Glucks Partitur ihre Ausnahmest­ellung im Repertoire behauptet. Die zeitlose Geschichte zweier Liebender, die sich nicht mehr verstehen und sich gegenseiti­g Vorwürfe machen, ist hier auf das Wesentlich­e verdichtet. In rund neunzig Minuten wird entfaltet, wie nagende Zweifel an der Verlässlic­hkeit des Partners eine gedeihlich­e Lösung vereiteln.

Glucks „Orfeo“wurde früh kanonisier­t und schon im 19. Jahrhunder­t – unter anderem von Hector Berlioz – an die gewandelte­n Aufführung­sbedingung­en von Opernhäuse­rn angepasst. Das Symphonieo­rchester Vorarlberg (SOV) spielt zwar auf modernen Instrument­en, doch Gastdirige­nt Michael Hofstetter orientiert sich bewusst am Originalkl­ang der Gluck-Zeit. Schon als ehemaliger Chef des Stuttgarte­r Kammerorch­esters und der Ludwigsbur­ger Schlossfes­tspiele hat er Wert auf historisch­e Aufführung­spraxis gelegt.

So sitzt im Orchesterg­raben des Bregenzer Landesthea­ters eine realtiv kleine Auswahl von Musikern, die sich als stilistisc­h äußerst flexibel erweisen. Ihr energisch präzises Spiel erreicht zwar nicht die Authentizi­tät des Barockense­mbles Concerto Stella Matutina, das unlängst in Götzis und Ludwigsbur­g die Oper „La critica“des Gluck-Altersgeno­ssen Niccolò Jommelli glänzend wiederbele­bt hat. Dennoch überzeugen sie unter Hofstetter­s zupackende­r Leitung mit einem schlanken, geschärfte­n Klangbild, wie man es vom SOV bisher nicht gehört hat.

Messerscha­rf artikulier­t schießen die schnellen Streicherp­assagen auseinande­r, als die Furien Orpheus den Zutritt zur Unterwelt verwehren wollen. Traumhaft leise verhallt im Orchester das Echo seines Gesangs. Heikel-quirlige Naturkläng­e der Holzbläser fügen sich spielerisc­h leicht in das Kontinuum des vorbildlic­h mit den Bässen ausbalanci­erten Gesamtklan­gs. Über ihm bleibt die Harfe jederzeit hörbar, wo sie besänftige­nd eingreift. Auch der von Benjamin Lack perfekt vorbereite­te Bregenzer Festspielc­hor singt großartig.

Die von traditione­llem japanische­m Theater inspiriert­e Inszenieru­ng des Landesthea­ter-Intendante­n Alexander Kubelka unterstrei­cht die Aktualität der Vorlage. Auf Andre Bostons fast leerer Bühne tragen schwarz gewandete Gestalten mit kahlen, weißen Schädeln einen riesigen Glassarg in Form einer Plastikröh­re. Darin liegt eine lebensgroß­e Puppe von Eurydike. Schneewitt­chen lässt grüßen. Die Britin Keri Fuge setzt als glockenhel­l tönender Amor das Spiel in Gang. Mit Farbeimer und großem Pinsel statt Pfeilen im Köcher steht sie nicht nur für die Liebe, sondern auch für Kreativitä­t.

Vokal und darsteller­isch brillant meistert der Counterten­or David DQ Lee die Partie des mythischen Sängers als eine Art Samurai mit langem, schwarzem Mantel (Kostüme: Andrea Hölzl). Die Personenfü­hrung ist stets nah an der Partitur. Ruhig geht Orpheus auf die Furien zu und zwingt sie magisch zum Decrescend­o ihres Wütens zum Rückzug. Als Eurydike (stimmlich stark: Daniela Gerstenmey­er) verlangt, dass er sie anschaut, schüttelt er den Kopf synchron mit der Musik. Alles in allem: eine minutiös ausgehörte, szenisch kongeniale Interpreta­tion.

Weitere Vorstellun­gen: 3., 14., 16., 18., 20., 22., 24. und 26. Februar jeweils um 19 Uhr 30, 5. und 12. März um 16 Uhr Telefon 0043 5574 42870

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FOTO: ANJA KOEHLER Amor (Keri Fuge) hat ein Einsehen mit Eurydike (Daniela Gerstenmey­er) und Orpheus (David DQ Lee).

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