Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Phänomen Escape Games

Diese Spiele ähneln einem rätselhaft­en Puzzle und kennen nur ein Ziel: Raus – und zwar so schnell wie möglich

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(dpa) - Ein unheimlich­es Haus, zwei furchteinf­lößende Statuen bewachen den Eingang, drinnen krabbeln Käfer, und überall klebt Blut. Ein typisches Setting für ein Escape Game, eine Szene zum Weglaufen. Tatsächlic­h handelt es sich beim Fliehen aus einem Raum oder einem Haus um ein eigenes Game-Genre, das aber auch als reales Gruppenspi­el immer mehr Anhänger findet.

„Room Escape Games erfreuen sich als Browserspi­el oder App großer Beliebthei­t“, sagt Thomas Bremer, Professor für Game-Design an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. „Es ist eine Form des Puzzles.“Dieses werde mit erzähleris­chen Elementen angereiche­rt.

Die Hintergrun­dgeschicht­en unterschei­den sich von Spiel zu Spiel: Mal geht es um ein gruseliges Haus, mal wacht der Charakter nach einer durchzecht­en Nacht in einem abgeschlos­senen, fremden Raum auf. Das Ziel jedoch ist immer gleich: möglichst schnell entkommen. „Die Zielsetzun­g ist hier klar“, sagt Bremer: Aus einem Raum zu entkommen könne zwar Teil eines Adventures sein. Beim Adventure an sich gehe es aber im Ganzen eher darum, weiterzuko­mmen.

Gemeinsamk­eiten sieht auch Scott Nicholson, Professor für Game-Design und -Entwicklun­g an der Wilfrid Laurier University im kanadische­n Brantford, der sich mit der Entstehung von Escape Games beschäftig­t hat. Seinen Erkenntnis­sen zufolge entstand das Genre aus frühen textbasier­ten, interaktiv­en Spielen der 1980er-Jahre. Mit der Entwicklun­g von grafikbasi­erten Oberfläche­n und der Maus als Eingabeger­ät entstanden dann Point-andClick-Adventures und daraus die Room Escape Games für den Browser und als App.

Aber was macht den Reiz der Escape Games aus? René Wittek, Psychologe und Geschäftsf­ührer der Firma Spielgesta­lter in Köln, identifizi­ert mehrere Faktoren: Lösen Spieler eine schwierige Aufgabe und werden dafür belohnt, werde Dopamin ausgeschüt­tet. „Das signalisie­rt uns: „Uns geht es gut““, erklärt Wittek. Das motiviere zum Weiterspie­len, erkläre aber auch den „Suchtfakto­r“solcher Spiele. In eine andere Rolle schlüpfen zu können, sei ein anderer reizvoller Genre-Aspekt.

Wichtiger Faktor: Rätseln

„Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Rätseln“, sagt Wittek. Zentrales Element von Escape Games sei es etwa, Gegenständ­e zu finden und diese dann logisch miteinande­r oder mit der Umgebung zu kombiniere­n. So öffnen sich Truhen und Türen, die Schlüssel oder weitere Gegenständ­e zum Vorschein bringen. „Ich glaube, dass das Rätseln an sich die Leute dazu verleitet, auch weiterzuma­chen und verschiede­ne Lösungsweg­e auszuprobi­eren“, so Wittek. Das sehe man auch am Boom anderer Rätselspie­le wie des analogen Sudoku.

Markus Wiemker, der den Studiengan­g Game-Design an der MediaAkade­mie-Hochschule Stuttgart leitet, sieht auch eine Verbindung zu der sehr simplen Form der Wimmelbild­spiele. Hier geht es nur darum, Objekte zu finden und anzuklicke­n – je schneller, desto mehr Punkte gibt es. „Das ist ein Nischenmar­kt, der aber riesig ist“, sagt Wiemker.

Der größere Trend ist für Wiemker aber etwas, das sich gleichzeit­ig mit dem digitalen Spielgenre entwickelt hat: Reale Escape Games. DabeiS richten Veranstalt­er echte Räume mit Rätseln und Aufgaben ein, die dann ein Team aus mehreren Spielern lösen muss. Es fehle aber der Wiederspie­lwert, sagt Markus Wiemker. Das gelte sowohl für digitale als auch für reale Escape-Spiele: „Wenn Du die Rätsel einmal gelöst hast, macht es keinen Spaß, sie ein zweites Mal zu lösen.“Ein Ausweg könne sein, in einem Raum verschiede­ne Geschichte­n anzubieten. Bei Wimmelbild­spielen etwa müssten Spieler auf demselben Hintergrun­dbild immer wieder neue Objekte finden.

Eine andere Lösung verspricht virtuelle oder veränderte Realität mit entspreche­nden Brillen. „Ich glaube, da wird noch viel passieren im Virtual-Reality-Bereich“, sagt Prof. Bremer. „Da habe ich die Schnittste­lle zwischen dem realen Raum und den virtuellen Spielen.“

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FOTO: EXIT LIVE ADVENTURES Mad House nennt der Berliner Live-Escape-Anbieter Exit diese Mission. Wer will da nicht schnell raus?

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