Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Ehepaar Hamm radelt durch die Welt
Die Laupheimer haben schon mehr als 100 000 Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt
- Die Fahrräder stehen noch ungeputzt im Keller. Frieda und Norbert Hamm aus Laupheim planen aber schon die nächste große Radtour: Marokko soll es diesmal sein. „Solange wir es eben noch machen können“, sagt der 68-Jährige. 51 Länder hat das Ehepaar schon mit dem Fahrrad erkundet – unter anderem Iran, Laos, Tadschikistan und das Nordkap. „Man lernt, die Welt mit anderen Augen zu sehen“, erzählt Norbert Hamm.
Am Anfang, als es noch Tagesausflüge zum Beispiel an den Bodensee waren, wurden sie noch von ihren beiden Söhnen, Christian und Thomas, begleitet. „Seit sie aber 14 oder 15 Jahre alt sind, gehen wir beide allein“, berichtet Frieda Hamm. Doch trotz steigendem Alter werden die Touren nicht wirklich weniger anspruchsvoll. „Die Alpen überqueren wir zum Training“, meint Norbert Hamm. „Venedig ist ein Fünf-Tage-Ausflug.“
Inzwischen nehmen sie das Fahrrad mit ins Flugzeug und treten sechs bis sieben Wochen lang auch in entfernteren Regionen wie Südostasien in die Pedale. „In Europa weiß man ja langsam, was einen erwartet“, sagt der frühere selbstständige Versicherungskaufmann und heutige Rentner. Es ist die Lust, etwas zu erleben, die die beiden Jahr für Jahr wieder auf den Sattel steigen lässt.
Bisher waren aber auch alle Probleme lösbar. Auf ihrer Reise 2013 durch Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan hätte es aber auch schlimm enden können. Norbert Hamm erkrankte in Tadschikistan. „Zwei Tage lang konnte ich kein Wasser lassen“, erzählt er. Der nächste Ort mit einem Arzt war noch einige Kilometer entfernt. Ein Taxi brachte das Ehepaar mit dessen Fahrrädern ins 240 Kilometer entfernte Krankenhaus. Elf Stunden dauerte die Fahrt. „Dann kam die Frage auf, wie zahlen wir das?“Das Bargeld reichte nicht aus, die Kreditkarte wurde nirgends angenommen. Eine schlechte Internetverbindung erschwerte die Kommunikation. Über „Western Union“, einen weltweiten Bargeldtransfer, schaffte es ihr Sohn doch, Geld zu schicken. „Das kannten wir bis dahin auch noch nicht“, erzählt Norbert Hamm.
Kostenlose Behandlung – auf einem „Küchentisch“
Für die Behandlung im Krankenhaus mussten sie nichts bezahlen – die Kosten übernahm die Aga-Khan-Stiftung, die größte private Entwicklungsorganisation der Welt. Die Bedingungen dort waren aber „ganz anders als in Deutschland“, sagt Hamm. Hygiene gibt es nicht wirklich, die Untersuchung fand auf einem „Küchentisch“statt: „Da lernt man die Vorteile in Deutschland zu schätzen.“
Wie viele Kilometer sie genau mit ihrem Drahtesel in ihrem Leben schon zurückgelegt haben, wissen sie nicht. Knapp 9000 Kilometer sind es aber wohl im Jahr, ihr erstes Fahrrad hatte 80 000, das zweite hat nun 30 000 auf dem Buckel. „Ich habe das Glück, dass meine Frau das auch mitmacht“, sagt Norbert Hamm. Auf ihren Touren begegnen sie oft nur zwei Männern oder Einzelkämpfern. Paare gibt es wenige. Verheiratet zu sein, scheint aber gerade in den asiatischen Ländern wichtig zu sein. „Sonst würden sie uns manchmal gar kein Hotelzimmer geben.“
Bei ihrer Auswahl der Länder und den anschließenden Vorbereitungen auf die Reise durchforsten sie im Internet Foren und Blogs nach Erfahrungsberichten. „Reiseführer sind im Jahr darauf schon wieder alt“, sagt Norbert Hamm. Beim Auswärtigen Amt informieren sie sich über Gebiete, die sie meiden sollen, und wie die Gepflogenheiten in den jeweiligen Ländern sind. In Iran geht nichts ohne Kopftuch. „So ist die Kultur. Das ist dann halt so“, sagt Frieda Hamm.
Und auch wenn am Körper so langsam die kleinen Wehwehchen – bei Norbert das Knie, bei Frieda die Arthrose – spürbar werden, Marokko soll wohl nicht die letzte Ausfahrt bleiben. Es könnte aber die letzte Reise mit dem Flugzeug sein. Schon dreimal gab es Schwierigkeiten bei der Gepäckaufgabe. In Palermo haben auch schon mal die Pedale gefehlt. „Du weißt nie, wie oder ob das Rad den Flug übersteht“, sagt Norbert Hamm.
Nur 2000 km mit dem Auto
Das Radfahren werden sie aber vermutlich nie aufgeben, eher dann doch das Auto. 2060 Kilometer wurde das im vergangenen Jahr nur bewegt. Reisen auf zwei Rädern sind aber nicht zu vergleichen. „Man erlebt die Landschaft ganz anders. Man kann sie riechen.“