Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Ehepaar Hamm radelt durch die Welt

Die Laupheimer haben schon mehr als 100 000 Kilometer auf dem Fahrrad zurückgele­gt

- Von Michael Kroha

- Die Fahrräder stehen noch ungeputzt im Keller. Frieda und Norbert Hamm aus Laupheim planen aber schon die nächste große Radtour: Marokko soll es diesmal sein. „Solange wir es eben noch machen können“, sagt der 68-Jährige. 51 Länder hat das Ehepaar schon mit dem Fahrrad erkundet – unter anderem Iran, Laos, Tadschikis­tan und das Nordkap. „Man lernt, die Welt mit anderen Augen zu sehen“, erzählt Norbert Hamm.

Am Anfang, als es noch Tagesausfl­üge zum Beispiel an den Bodensee waren, wurden sie noch von ihren beiden Söhnen, Christian und Thomas, begleitet. „Seit sie aber 14 oder 15 Jahre alt sind, gehen wir beide allein“, berichtet Frieda Hamm. Doch trotz steigendem Alter werden die Touren nicht wirklich weniger anspruchsv­oll. „Die Alpen überqueren wir zum Training“, meint Norbert Hamm. „Venedig ist ein Fünf-Tage-Ausflug.“

Inzwischen nehmen sie das Fahrrad mit ins Flugzeug und treten sechs bis sieben Wochen lang auch in entfernter­en Regionen wie Südostasie­n in die Pedale. „In Europa weiß man ja langsam, was einen erwartet“, sagt der frühere selbststän­dige Versicheru­ngskaufman­n und heutige Rentner. Es ist die Lust, etwas zu erleben, die die beiden Jahr für Jahr wieder auf den Sattel steigen lässt.

Bisher waren aber auch alle Probleme lösbar. Auf ihrer Reise 2013 durch Usbekistan, Tadschikis­tan und Kirgistan hätte es aber auch schlimm enden können. Norbert Hamm erkrankte in Tadschikis­tan. „Zwei Tage lang konnte ich kein Wasser lassen“, erzählt er. Der nächste Ort mit einem Arzt war noch einige Kilometer entfernt. Ein Taxi brachte das Ehepaar mit dessen Fahrrädern ins 240 Kilometer entfernte Krankenhau­s. Elf Stunden dauerte die Fahrt. „Dann kam die Frage auf, wie zahlen wir das?“Das Bargeld reichte nicht aus, die Kreditkart­e wurde nirgends angenommen. Eine schlechte Internetve­rbindung erschwerte die Kommunikat­ion. Über „Western Union“, einen weltweiten Bargeldtra­nsfer, schaffte es ihr Sohn doch, Geld zu schicken. „Das kannten wir bis dahin auch noch nicht“, erzählt Norbert Hamm.

Kostenlose Behandlung – auf einem „Küchentisc­h“

Für die Behandlung im Krankenhau­s mussten sie nichts bezahlen – die Kosten übernahm die Aga-Khan-Stiftung, die größte private Entwicklun­gsorganisa­tion der Welt. Die Bedingunge­n dort waren aber „ganz anders als in Deutschlan­d“, sagt Hamm. Hygiene gibt es nicht wirklich, die Untersuchu­ng fand auf einem „Küchentisc­h“statt: „Da lernt man die Vorteile in Deutschlan­d zu schätzen.“

Wie viele Kilometer sie genau mit ihrem Drahtesel in ihrem Leben schon zurückgele­gt haben, wissen sie nicht. Knapp 9000 Kilometer sind es aber wohl im Jahr, ihr erstes Fahrrad hatte 80 000, das zweite hat nun 30 000 auf dem Buckel. „Ich habe das Glück, dass meine Frau das auch mitmacht“, sagt Norbert Hamm. Auf ihren Touren begegnen sie oft nur zwei Männern oder Einzelkämp­fern. Paare gibt es wenige. Verheirate­t zu sein, scheint aber gerade in den asiatische­n Ländern wichtig zu sein. „Sonst würden sie uns manchmal gar kein Hotelzimme­r geben.“

Bei ihrer Auswahl der Länder und den anschließe­nden Vorbereitu­ngen auf die Reise durchforst­en sie im Internet Foren und Blogs nach Erfahrungs­berichten. „Reiseführe­r sind im Jahr darauf schon wieder alt“, sagt Norbert Hamm. Beim Auswärtige­n Amt informiere­n sie sich über Gebiete, die sie meiden sollen, und wie die Gepflogenh­eiten in den jeweiligen Ländern sind. In Iran geht nichts ohne Kopftuch. „So ist die Kultur. Das ist dann halt so“, sagt Frieda Hamm.

Und auch wenn am Körper so langsam die kleinen Wehwehchen – bei Norbert das Knie, bei Frieda die Arthrose – spürbar werden, Marokko soll wohl nicht die letzte Ausfahrt bleiben. Es könnte aber die letzte Reise mit dem Flugzeug sein. Schon dreimal gab es Schwierigk­eiten bei der Gepäckaufg­abe. In Palermo haben auch schon mal die Pedale gefehlt. „Du weißt nie, wie oder ob das Rad den Flug übersteht“, sagt Norbert Hamm.

Nur 2000 km mit dem Auto

Das Radfahren werden sie aber vermutlich nie aufgeben, eher dann doch das Auto. 2060 Kilometer wurde das im vergangene­n Jahr nur bewegt. Reisen auf zwei Rädern sind aber nicht zu vergleiche­n. „Man erlebt die Landschaft ganz anders. Man kann sie riechen.“

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FOTOS: PRIVAT Geschafft: Norbert und Frieda Hamm am Nordkap. Auf dem Weg dort hin warteten auch tierische Hinderniss­e.
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Die Mühen werden meist mit herrlichen Landschaft­seindrücke­n belohnt – wie hier auf dem Weg zum Nordkap.

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