Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schavan erzählt von Papst Franziskus
Vortrag der Botschafterin im Rahmen der Reihe „Christsein bewegt“in Rißtissen
- Die frühere deutsche Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan ist seit eineinhalb Jahren Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Vatikan. Eine Aufgabe, die die tiefgläubige Katholikin und Vollblutpolitikerin mit Herzblut erfüllt. Wie sie Papst Franziskus erlebt, hat sie in der mit 160 Besuchern mehr als vollen Arche in Rißtissen erzählt.
„Viele vertraute Gesichter in vertrauter Region“, sagte die frühere Bundestagsabgeordnete des Alb-Donau-Kreises erfreut. Dass Papst Franziskus in der ganzen Welt wegen seiner Bescheidenheit und seinem Einsatz für die Ärmsten und Elendsten dieser Welt außerordentlich beliebt ist wie kaum ein Papst vor ihm, war den Zuhörern von Annette Schavan nicht neu. „Er wirkt wie ein Fels in der Brandung, wie das alte Bild von Petrus, aber auch als Bild des Dialogs. Die Art, wie er spricht, ist ein Zeichen der Freude am Dialog, der Freude an der Begegnung“, sagte die Botschafterin. Zehn deutsche Ministerpräsidenten haben ihn bislang besucht, jeder hat gesagt, es war für ihn eine ungewöhnliche Begegnung, erzählte Annette Schavan. Sie sagte auch, dass sich der Papst beim Neujahrsempfang ausdrücklich bei Deutschland bedankt habe für die geleistete Flüchtlingshilfe. Ausführlich beleuchtete sie im 500. Jahr der Reformation die Bestrebungen von Franziskus nach Ökumene. So hat er beim Besuch in der evangelischen Gemeinde in Rom einer in Mischehe lebenden Frau, die gern zusammen mit ihrem Mann zum Abendmahl gehen möchte, gesagt: „Wir müssen angemessen miteinander umgehen“. Als er als Gastgeschenk dort einen Messkelch überreichte, hat der Papst der Frau zugezwinkert, erzählte Annette Schavan. Beim Lutherischen Weltbund in Lund hat er eine evangelische Erzbischöfin herzlich umarmt, das wäre vor ihm bei einem Papst undenkbar gewesen. „Wir müssen dieses Jubiläumsjahr der Reformation nutzen, um immer stärker mit einer Stimme zu sprechen“, sagte die Botschafterin. „Ökumene heißt nicht, dass man aus einem rheinischen Katholiken einen schwäbischen Pietisten macht. Nicht alles wird irgendwie gleich, sondern man tut mehr gemeinsam. Es gibt Dinge, die machen den Christen aus, wie wir mit Menschen in existenzieller Not miteinander umgehen. Ökumene ist nicht nur die Frage des Abendmahls, sondern wie schaffen es Christen gemeinsam, ihre Verantwortung wahrzunehmen“, erklärte Annette Schavan. Als erstes sei das in der Politik gelungen, wo die CDU aus dem früher rein katholischen Centrum hervorgegangen ist. Die CDU ist heute eine durch und durch ökumenische Partei, so die Politikerin Schavan.
Besonders berührt hatte sie die erste Reise des Papstes überhaupt nach Lampedusa. Angesichts des Flüchtlingselends dort hat er gesagt: „Europa hat das Weinen verlernt.“Berührt hat sie auch das Festmahl für die Armen zu Weihnachten, bei dem die Botschafter am Heiligen Stuhl bei der Bewirtung geholfen haben. „In den vergangenen Wochen habe ich realisiert, dass ein neuer Humanismus nötig ist. Ein neuer Populismus kommt auf uns zu, es gibt einen Kern, den lassen wir uns nicht zerstören, ein Kern aus dem wächst Respekt“, so Schavan.
Ein anderes Thema im Vortrag der Botschafterin war die Weihnachtsansprache des Papstes an die Kurie, in der der Papst von theologischem Narzissmus sprach, man brauche eine Kirche, die da hin geht, wo die Armut am größten ist, eine Kirche, die sensibel ist für die Schöpfung. „Er will, dass Christen so etwas wie Protagonisten des Wandels sind. Franz von Assisi hat einen Aussätzigen geküsst und in die Mitte der Gesellschaft geholt. Auf diese Weise haben Benediktiner Europa kultiviert. Der Papst ist davon überzeugt, wir brauchen neue Wege“, sagte Annette Schavan. Langanhaltender Beifall dankte ihr für ihren Vortrag.