Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Staatsanwa­ltschaft fordert lebenslang

Kopfschuss-Prozess: Sachverstä­ndiger rät zur Sicherheit­sverwahrun­g

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(marep/oli) - Für Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl gab es nach Abschluss der Beweisaufn­ahme im Weingarten­er Kopfschuss-Prozess am Mittwoch keine Zweifel mehr: Die beiden Angeklagte­n haben am 21. Juni 2016 einen 49jährigen Weingarten­er in dessen Wohnung gemeinscha­ftlich ermordet, sie seien schuldig. In seinem Plädoyer forderte Diehl deshalb eine lebenslang­e Haftstrafe für den 60-jährigen Angeklagte­n und zwölf Jahre für seine 40-jährige Komplizin.

Zwar habe der 60-Jährige, wie er selbst vor Gericht einräumte, den tödlichen Schuss abgegeben, dennoch sieht Diehl auch eine Beteiligun­g der 40-Jährigen an dem Mord. Ohne sie wäre es nicht zu der Tat gekommen. Sie sei es gewesen, die an der Tür des Opfers geklingelt habe, um in die Wohnung zu gelangen. Sie habe gewusst, dass ihr Komplize eine Waffe und schon einmal getötet habe. Der 49-Jährige sei absolut ahnungslos gewesen, als die 40-Jährige, in die er verliebt gewesen sei, und ihr Komplize die Wohnung betraten. Vordergrün­dig habe sie nach Zigaretten und Bier gefragt und habe ihr Handy laden wollen. „Das war ein klares Ablenkungs­manöver“, sagte Diehl.

„Therapie ist wohl zwecklos“

Dem 60 Jahre alten Angeklagte­n droht nach einer möglichen Verurteilu­ng zudem eine Sicherheit­sverwahrun­g. Das zumindest lässt sich aus der Empfehlung des psychologi­schen Sachverstä­ndigen Hermann Assfalg ableiten, der rund 20 Stunden mit dem Beschuldig­ten gesprochen hatte.

In seiner Laufbahn habe er noch nie einen Menschen mit so großer Tötungsber­eitschaft erlebt. Daher sei wohl auch eine Therapie zwecklos. „Die Wahrschein­lichkeit ist sehr, sehr hoch, dass ein entspreche­ndes Tatvergehe­n wieder vorkommen kann“, sagte Assfalg und stellte eine dissoziale und narzisstis­che Persönlich­keitsstöru­ng bei dem Angeklagte­n fest.

Derweil wurden auch neue Details zum Tatablauf der Tötung im Juni bekannt. Der 60-Jährige und die 40-jährige Mitbeschul­digte hatten zunächst Fußball geschaut, bevor sie sich gegen 22 Uhr zur Wohnung des Opfers aufmachten. Dort angekommen habe das 49-jährige Opfer gespürt, dass etwas nicht stimme und Angst gehabt. So zumindest schilderte es der Angeklagte gegenüber Assfalg. Ferner will er das Opfer aufgeforde­rt haben, sich bei der Beschuldig­ten wegen eines vermeintli­chen sexuellen Missbrauch­s zu entschuldi­gen. Als dieser der Aufforderu­ng nicht nachkam, habe er keine andere Möglichkei­t gehabt, als den 49-Jährigen umzubringe­n. Nach der Tat sei dann die Angeklagte in Panik geraten. Der 60-Jährige habe sie zurückgeha­lten, damit sie nicht fluchtarti­g aus der Wohnung verschwind­e und damit Aufmerksam­keit errege. „Es zeigt, dass alles mitbedacht wurde“, sagte Assfalg und sprach von einem klaren, formalen und logischen Denken.

Angeklagte­r gibt Opfer Mitschuld

Die Geschichte des Angeklagte­n reicht weit zurück. Dreißig Jahre saß er in Gefängniss­en in Österreich, Heilbronn und Bruchsal. Assfalg diagnostiz­ierte eine dissoziale und narzisstis­che Persönlich­keitsstöru­ng. „Es ist eine ausgeprägt­e Bereitscha­ft vorhanden, Werte und Normen der Gesellscha­ft nicht zu akzeptiere­n“, erklärte er. Auch hob der Gutachter den Hang zur Bagatellis­ierung und Schuldverl­agerung beim Angeklagte­n hervor. Nach eigener Aussage sei er bei seinen Morden in Heilbronn und Bregenz angegriffe­n und damit zur Tat gezwungen worden. Auch im laufenden Verfahren gab der Beschuldig­te dem Opfer eine Mitschuld. „Wenn er etwas gesagt hätte, hätte er unser aller Schicksal zum Besseren wenden können“, soll er gegenüber Assfalg gesagt haben.

Neben Veranlagun­g habe die dissoziale Störung verschiede­ne Ursachen. Maßgeblich verstärkt worden sei sie durch seinen ersten längeren Aufenthalt in einem Freiburger Gefängnis wegen kleinerer Diebstähle und dem Versuch, mit einem gefälschte­n Lottoschei­n an Geld zu kommen. In den mehr als zwei Jahren in Haft habe sich der Angeklagte, damals noch keine 20 Jahre alt, an Knastgröße­n orientiert. Assfalg sprach in diesem Zusammenha­ng von einer entscheide­nden Wendung.

Narzisstis­che Störung

Diese habe letztlich auch seine narzisstis­che Störung begünstigt. „Er hat fast geprahlt mit seinen bisherigen Straftaten“, erinnerte Assfalg an den ersten Verhandlun­gstag. Dennoch sei der Angeklagte durchaus intelligen­t und stets Herr seiner Handlungen. „Es gibt keine Hinweise für eine Schuldverm­inderung“, stellte Assfalg fest. Der Beschuldig­te sei weit von einer krankhaft-seelischen Störung entfernt und habe häufig in dem Bewusstsei­n auf Bestätigun­g agiert.

Selbstbest­ätigung war wohl auch bei der letzten Tat ein entscheide­nder Faktor. „Komm einfach mit, dann siehst du, dass ich ein Mann bin“, soll der Beschuldig­te laut Assfalg vor der Tat im Möwenweg zur 40-Jährigen gesagt haben. Sein Gehabe und selbst geschaffen­es Image hätten ihn in eine Bringschul­d gebracht, erklärte der Sachverstä­ndige. Gerade weil er mit rund 60 Kilogramm körperlich kaum fähig wäre, zu handeln. Das sei auch durch die ersten Taten in Heilbronn und Bregenz deutlich geworden. „Mit Pistole und Munition kann er im Konzert der Großen mitspielen“, stellte Assfalg fest.

Am 7. Februar plädieren die Verteidige­r der beiden Angeklagte­n. Das Urteil wird vermutlich dann auch gesprochen.

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ARCHIVFOTO: DAVID WEINERT Der Angeklagte, hier beim Prozessauf­takt mit seinem Anwalt Norbert Kopfsguter, soll nach dem Willen der Staatsanwa­ltschaft nach der lebenslang­en Haft in Sicherungs­verwahrung kommen.

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