Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Trumps Einreiseve­rbot bleibt außer Kraft

Schlappe vor dem Berufungsg­ericht - Verwirrung um 60 000 für ungültig erklärte US-Visa

- Von Frank Herrmann

- Es war bereits tiefe Nacht im Mar-a-Lago, dem Nobelclub in Palm Beach, in dem Donald Trump das Wochenende verbrachte, als ein kalifornis­ches Berufungsg­ericht dem Präsidente­n eine schwere Schlappe zufügte. Im Eilverfahr­en lehnte der Court of Appeals in San Francisco einen Antrag des US-Justizmini­steriums ab, wonach ein zuvor im Pazifiksta­at Washington gefälltes Urteil gegen die Einreisesp­erre kassiert werden sollte.

In der Nacht zum Sonnabend hatte James Robart, ein Bundesrich­ter in Seattle, den Bann mit einer einstweili­gen Verfügung gestoppt. Trumps Regierungs­juristen hatten daraufhin die für die gesamte Westküste zuständige Instanz angerufen – und ein zweites Mal den Kürzeren gezogen.

Damit gilt vorläufig nicht mehr, was das Weiße Haus mit einem drakonisch­en Dekret verfügte. Ein für drei Monate angesetzte­s Einreiseve­rbot für Bürger aus sieben Staaten mit muslimisch­er Bevölkerun­gsmehrheit ist ausgehebel­t. Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer dürfen die Grenzkontr­ollen an den amerikanis­chen Flughäfen wieder passieren, sofern sie im Besitz eines Visums sind. Auch der viermonati­ge Aufnahmest­opp für Flüchtling­e, egal welcher Nationalit­ät, ist vorerst hinfällig.

Nach Angaben des State Department sind es etwa 60 000 zwischenze­itlich für ungültig erklärte Visa, die nun doch wieder zur Einreise berechtige­n. Unklar ist allerdings, was mit Leuten geschieht, deren Visum im Pass bereits ungültig gestempelt wurde. Womöglich müssen sie ein neues beantragen.

Wütende Reaktion

Der neue US-Präsident seinerseit­s reagierte auf die juristisch­e Niederlage, wie er immer reagiert, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. Die Entscheidu­ng des „sogenannte­n Richters“sei lächerlich und müsse gekippt werden, twitterte Trump kurz nach Robarts Verdikt. Später, zurückgeke­hrt von einer Golfpartie, legte er nach mit weiteren, noch wütenderen Nachrichte­n.

Die Schimpfkan­onade erinnert an eine Episode im Wahlkampf, die schon einmal am rechtsstaa­tlichen Verständni­s des Milliardär­s zweifeln ließ. Damals nahm er Gonzalo Curiel aufs Korn, einen Bundesrich­ter, der über Klagen früherer Seminartei­lnehmer der „Trump University“zu befinden hatte. Letztere warfen dem Tycoon vor, sie mit irreführen­den Reklamespr­üchen hinters Licht geführt zu haben. Statt von der Erfahrung eines Immobilien­profis zu profitiere­n, wie man ihnen versproche­n hatte, seien die Kurse wertlos gewesen.

Curiel, wetterte der damalige Bewerber fürs Oval Office, sei ein Mexikaner, der ihn unfair behandle, weil er, Trump, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen wolle. Dass der Jurist in Wahrheit in Indiana geboren wurde, erwähnte er wochenlang mit keiner Silbe. Die Attacken gegen Robart, sagt nun Chuck Schumer, der ranghöchst­e Demokrat im Senat, ließen erkennen, wie gründlich Trump eine unabhängig­e Justiz verachte, die sich seinen Wünschen nicht beuge. Patrick Leahy, ein Veteran aus Vermont, der im Justizauss­chuss der kleineren Parlaments­kammer sitzt, spricht von einem Präsidente­n, der es darauf anlege, eine Verfassung­skrise vom Zaun zu brechen. Trumps Feindselig­keit gegenüber der „Rule of Law“sei nicht nur peinlich, sie sei auch gefährlich.

Dass der 70-Jährige sein Scheitern akzeptiert und es dabei bewenden lässt, erwartet indes niemand. Wie es im Moment aussieht, werden seine Rechtsbera­ter wohl den Weg bis zum Obersten Gerichtsho­f in Washington gehen, um die Einreisesp­erre durchzuset­zen. Ob dies bereits in den nächsten Tagen geschieht oder erst in ein paar Wochen, bleibt vorläufig offen, kann aber den entscheide­nden Unterschie­d bedeuten.

Noch herrscht am Supreme Court ein Patt zwischen vier liberalen und vier konservati­ven, von republikan­ischen Präsidente­n berufenen Richtern. Ist Neil Gorsuch erst vom Senat abgesegnet, der Jurist, den Trump nominierte, um dem vor zwölf Monaten verstorben­en Antonin Scalia nachzufolg­en, ändert sich jedoch die delikate Balance zugunsten der Konservati­ven. Allerdings haben die Demokraten harten Widerstand gegen Gorsuch angekündig­t, sodass sich das fällige Bestätigun­gsverfahre­n über Wochen hinziehen kann. In einem Satz, der Teufel steckt womöglich im personelle­n Detail.

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FOTO: IMAGO Demonstran­ten in Kalifornie­n protestier­en gegen Trumps Politik.

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