Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Habe mir überlegt, ob sich das alles lohnt“
Andreas Toba, der „Hero de Janeiro“dachte nach seiner Verletzung auch ans Aufhören
- Für deutsche Spitzensportler ist der Ball des Sports in Wiesbaden, der am Samstag stattgefunden hat, neben Welt- und Europameisterschaft eines der wichtigsten Ereignisse im Jahr. Einige Athleten richten sogar ihre Trainingspläne danach, weil sie einmal im Jahr ordentlich feiern wollen. Turner Andreas Toba, der sich bei den Olympischen Spielen in Rio das Kreuzband riss, trotzdem weiterturnte, seiner Mannschaft so den Einzug ins Mehrkampffinale ermöglichte und zum „Hero de Janeiro“wurde, hat es am Samstag eher ruhiger angehen lassen. Michael Kroha sprach mit ihm.
Die deutsche Turn-Nationalmannschaft stand im Mittelpunkt der Show beim Ball des Sports. Sie konnten bei der Darbietung aber nicht mitmachen ...
Natürlich hätte ich gerne mitgemacht, aber die Gefahr, dass Schlimmeres passiert, ist noch zu groß. Ansonsten wurden meine Erwartungen sogar übertroffen. Bei der Tombola habe ich einen Wasserkocher gewonnen. Ein Auto hätte ich zwar lieber genommen, aber ich habe immerhin nur ein Los gekauft.
Bei Facebook haben Sie geschrieben, 2016 sei Ihr „bestes Jahr“, aber auch Ihr „schwierigstes“gewesen. Warum war es trotz des Kreuzbandrisses das Beste?
Ich habe noch nie so viele Punkte geturnt, hatte vor Olympia die Vorbereitung meines Lebens gemacht. Es lief alles perfekt – bis eben zur Verletzung. Die zweite Jahreshälfte brachte dann mehr Tiefschläge mit sich.
Sind Sie die Bezeichnung „Hero de Janeiro“leid?
Leid nicht, aber ich vergleiche mich ungern mit einem Helden. Es war keine Heldentat. Ich habe alles für meine Mannschaft gegeben, ganz normal. Bei mir konnten es nur alle sehen. Es gibt aber zahlreiche Sportler, die das auch machen. Jetzt hat aber die breite Masse gesehen, was wir Turner leisten. Ich gehe immer über Schmerzgrenzen hinaus.
Ihr Vater hat etwas Ähnliches bei den Spielen 1996 erlebt. Er ist aber nicht zum Helden geworden ...
Er hat sich in der Quali in der Schulter so ziemlich alles kaputtgemacht, stand dann im Ringefinale und hat geturnt – im Gegensatz zu mir. Ich konnte nicht mehr turnen. Vermutlich haben bei mir die Globalisierung und die sozialen Medien zugeschlagen.
Warum gibt es dieses Heldentum im Sport? Fehlen der Gesellschaft Vorbilder?
Wenn man in sich hineinhört und das Umfeld beobachtet, sieht man, dass die eigenen Bedürfnisse vielerorts im Vordergrund stehen. Das ist nicht meine Philosophie. Ich denke, wenn es den anderen gut geht, wird es mir auch gut gehen, weil es keinen Grund gibt, dass es mir schlecht geht, wenn es anderen gut geht. Da stecke ich lieber ein. Zusammen etwas zu erreichen, ist viel schöner als alleine. Natürlich habe ich mich über meinen deutschen Mehrkampftitel gefreut – ein Kindheitstraum, den ich mir erfüllt habe. Aber mit Marcel (Nguyen, Anmerk. d. Red.) an den Ringen zu gewinnen, war unbeschreiblich.
Wie haben andere Sportler auf Ihre „Heldentat“reagiert?
Unterschiedlich. Klar, ich werde oft gefragt, wie es mir geht. Es gibt auch welche, die sagen, sie wüssten nicht, ob sie es gemacht hätten. Unterschiedliche Sportarten, unterschiedliche Wahrnehmungen, unterschiedliches Schmerzempfinden. Am Ende müssen wir Sportler zusammenhalten, um der Gesellschaft zu zeigen, dass der Sport in Deutschland nicht ausgestorben ist. Auch diese Diskussionen um den Medaillenspiegel sind nicht leicht für uns. Wir helfen uns gegenseitig, anders kommen wir nicht voran. Es wäre wünschenswert, wenn die Anerkennung in der Gesellschaft besser wäre, es auch mehr Geld gebe, weil es für uns Sportler dann einfacher wäre.
Wie sieht Ihr Fahrplan bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio aus?
Die EM dieses Jahr werde ich nicht schaffen. Ich hoffe, dass ich bei den Deutschen Meisterschaften an den Start gehen kann, aber auch nur an ein oder zwei Geräten und nur dann, wenn ich wirklich meine Leistung bringen kann.
Und was kommt nach dem Sport?
Ich habe meinen Bachelor im Sport gemacht, mich für den Master beworben. Ich weiß nur noch nicht, wann und wie ich dazu komme. Dem Turnen will ich als Trainer erhalten bleiben. Viele haben mir davon abgeraten, weil man die Arbeit abends mit nach Hause trägt. Ich will dem Turnen aber etwas zurückgeben.