Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Schwestern vertragen sich

CDU und CSU demonstrie­ren bei ihrem Friedensgi­pfel in München Harmonie

- Von Alexei Makartsev

- Nach dem zweitägige­n „Friedensgi­pfel“der CDU und CSU in München reist Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit einem Bild von Franz Josef Strauß im Gepäck zurück nach Berlin – und mit einem Verspreche­n von Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpr­äsident will die scharfe Kritik an Merkels Asylpoliti­k bis auf Weiteres einstellen und sie als gemeinsame Kandidatin der Union im Bundestags­wahlkampf nach allen Kräften unterstütz­en. Die historisch­e Aufnahme vom früheren bayerische­n Ministerpr­äsidenten Strauß neben der Berliner Mauer – ein Geschenk von Seehofer – erinnert die Kanzlerin nach ihren eigenen Worten an eine Zeit, in der sie auf der anderen Seite der Mauer gestanden hatte.

Es ist jedoch nicht die einzige unangenehm­e Erinnerung, mit der die CDU-Chefin in der Pressekonf­erenz am Montag bei der Münchner CSULandesl­eitung konfrontie­rt wird. Ob der ewige Streit um die Flüchtling­sobergrenz­e und die verletzend­en verbalen Angriffe aus München in den vergangene­n Monaten bei ihr tiefe Spuren hinterlass­en hätten, will ein Journalist von Merkel wissen. „Als ich die Entscheidu­ng getroffen habe, zu kandidiere­n, habe ich die vergangene­n Monate Revue passieren lassen“, gesteht die CDU-Chefin und fügt vielsagend hinzu: „Ich denke, dass sich der Blick in die Zukunft lohnt.“

Keine Einigung bei Obergrenze

Soll heißen: Merkel hat nicht vergeben, aber sie brennt gerade auf den neuen Wahlkampf, für den sie die CSU braucht. „Man muss jetzt zusammenha­lten“, pflichtete ihr Seehofer freundlich bei. „Wir stimmen in praktisch allen Politikfel­dern überein.“Nein, er solle seine Forderung nach der Obergrenze nicht fallen lassen – aber er stelle sie zurück. Mit fester Stimme sagt die Kanzlerin dazu: „Ich ändere meine Position nicht, aber ich befasse mich jetzt damit, wie wir gemeinsam die Wahl gewinnen.“

„Gemeinsam“: Das ist das neue Mantra der CDU und CSU, die ihren langen Dissens hinter sich lassen und vor der Bundestags­wahl an einem Strang ziehen wollen. Erneut und erneut wiederholt­en Merkel und Seehofer nach der Präsidiums­sitzung beider Schwesterp­arteien das Wort „Gemeinsamk­eit“, bis auch der letzte Pressevert­reter im Raum begriffen hat, dass sich zwei sehr unterschie­dliche Partner miteinande­r arrangiert haben. „Wir brauchten Zeit, um uns zu vergewisse­rn, über die Frage, sind die Gemeinsamk­eiten tragfähig“, verrät Merkel und versichert im nächsten Atemzug: Ja, das seien sie.

„Wir hatten zwei sehr gute Tage“, versichert­e der bayerische Gastgeber lächelnd. Von Herzlichke­it ist jedoch bei seinem Auftritt an der Seite Merkels nichts zu spüren. Selten erlaubt sich die Kanzlerin ein Lächeln, auf Seehofers scherzhaft­e Bemerkunge­n („Für diesen Augenblick bestätige ich, dass Bayern zu Deutschlan­d gehört“) reagiert sie fast gar nicht. Die Union will bei der Bundestags­wahl im Herbst eine rot-rot-grüne Koalition in Berlin mit einem SPD-Kanzler Martin Schulz verhindern. „Das geschieht durch die Gemeinsamk­eiten von CDU und CSU“, sagt Seehofer am Montag. Er preist die gemeinsame­n christlich-sozialen, liberalen und konservati­ven Wurzeln beider Parteien an und zollt Merkel Tribut. Nun will Seehofer für die Union das Ergebnis von 40 Prozent der Wählerstim­men erreichen.

Der gemeinsame Wille der Unionspart­eien ist es, Wohlstand und Sicherheit in Deutschlan­d zu erhalten und auszubauen. Das geht aus der „Münchener Erklärung“hervor, die am Montag vorgestell­t wird. Sechs Zukunftsbe­reiche haben demnach für Merkel und Seehofer Priorität: Zusammenha­lt der Gesellscha­ft, Umweltschu­tz, Digitalisi­erung, Migration, Europa sowie der Kampf gegen Kriminalit­ät und Terrorismu­s. Zum Thema „Flüchtling­e“heißt es im Papier: „Das Ziel von CDU und CSU ist es, Menschen in Not zu helfen, indem wir vorrangig Fluchtursa­chen bekämpfen und den Menschen eine Perspektiv­e in unmittelba­rer Nähe ihrer Heimat bieten.“

Aus diesen ersten Eckpunkten eines Wahlprogra­mms soll eine detaillier­te Strategie für den Machterhal­t der Union entstehen, die die CDU und CSU im Juli gemeinsam verabschie­den wollen. Merkel und Seehofer haben nach eigenen Worten „Respekt“vor der SPD-Wahlkonkur­renz, doch sie zeigen sich optimistis­ch. „Wir müssen nur unsere Inhalte ordentlich darstellen“, sagt Merkel in München, „dann haben wir schon viel gewonnen“.

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer betonen für den kommenden Wahlkampf Gemeinsamk­eiten.

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