Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hass auf Ladendetek­tive als Auslöser für die Tat?

Urteil im Prozess wegen Geiselnahm­e und versuchter Körperverl­etzung in Biberacher Supermarkt fällt wohl am Freitag

- Von Siegfried Großkopf

- Im Prozess wegen Geiselnahm­e in Tateinheit mit versuchter Körperverl­etzung in den Abendstund­en des 20. September vergangene­n Jahres in einem Supermarkt in den Oberen Stegwiesen in Biberach (SZ berichtete) wird diesen Freitag das Urteil erwartet. Angeklagt vor der 3. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg ist ein 49jähriger Mann. Am Montag kamen Zeugen und Opfer zu Wort. Der Tatvorwurf wird vom Angeklagte­n eingeräumt.

Nur um Nuancen sieht der Vater von fünf Kindern, der mit der Mutter in Scheidung lebt, den Tathergang anders. Während Zeugen den Mann am 20. September vergangene­n Jahres gegen 19.25 Uhr mit gezogenem Gasdruckre­volver in den Supermarkt kommen sahen, legt der Beschuldig­te Wert auf die Darstellun­g, die Waffe in einer Tasche mitgeführt zu haben.

Auf seinem Rachefeldz­ug gegen einen Kaufhausde­tektiven, der ihn am selben Nachmittag beim Ladendiebs­tahl ertappt hatte, suchte er am Abend den Supermarkt nochmals auf mit dem Ziel, mit dem Detektiv zu sprechen. Um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen, nahm er eine Mitarbeite­rin als Geisel, ließ den Sicherheit­smitarbeit­er kommen und schoss mit dem Gasrevolve­r um sich, nachdem ihm dieser Pfefferspr­ay in die Augen gesprüht hatte.

„Er war immer lieb und nett“, sagte die aktuelle Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n im Zeugenstan­d. Sie verstrickt­e sich dabei allerdings in Widersprüc­he zu ihren ehemaligen Aussagen vor der Polizei. Sie kennt den Angeklagte­n seit dem Jahr 2000, hat ihn zwischendu­rch aber sechs Jahre nicht gesehen, als der in Saarbrücke­n mit einer Frau verheirate­t war (und noch ist), mit der er insgesamt fünf – darunter zwei adoptierte – Kinder hat. Finanziell ist er aber nicht in der Lage, den Unterhalt aufzubring­en. Die Scheidung läuft.

Seit März 2015 lebt die Zeugin mit dem Angeklagte­n zusammen. Weil sie angeblich keine Männer mag, die Alkohol trinken, und sich deshalb von ihrem Ex-Mann trennte, habe sie auch dem 49-Jährigen mit dem Rausschmis­s aus der Wohnung gedroht, wenn er weiterhin den „süßen Spirituose­n“fröne.

Dass sie vor der Polizei gesagt habe, sie wolle „keinen Mann, der säuft“, wie es im Protokoll steht, stimme nicht, widersprac­h sie vor Gericht. Der trinke lediglich Portwein und Likör, und davon nur ein, zwei Gläschen. Bei der Polizei hatte sie noch ausgesagt, der Angeklagte vertrage Alkohol recht gut, „er kann schon mal eine ganze Flasche Likör trinken“.

Nachdem sie Kammervors­itzender Stefan Maier ermahnt hatte, bei den Fakten zu bleiben und sich „zwischen flaschen- und glasweise“zu entscheide­n, räumte sie ein, dem Freund die Klamotten vor die Tür geworfen zu haben, als er wieder mal „gesoffen“habe. Allerdings: Die zwei, drei Flaschen Wodka, die er immer im Auto vorrätig habe, seien als Geschenke für Besuche gedacht. Denn Wodka möge er nicht.

Der Ladendiebs­tahl in dem Biberacher Supermarkt – der Wert der beiden Mini-Deos lag bei knapp zwei Euro – war nicht der erste des Angeklagte­n. Vom Amtsgerich­t Biberach waren er und seine Lebensgefä­hrtin wegen gemeinscha­ftlichen Diebstahls in einem anderen Supermarkt bereits zu einer Geldstrafe von insgesamt 450 Euro verurteilt worden. Damals hatte der Wert des Diebesguts 30 Euro betragen.

„Das Urteil ist falsch, wir haben nichts gestohlen“, beteuerte der Angeklagte am Montag vor dem Landgerich­t. Eine eingelegte Berufung verlief im Sand, nachdem dazu notwendige weitere Zeugen nicht beschafft werden konnten und der Anwalt der Angeklagte­n dazu riet, von einem weiteren Prozessweg abzulassen. Richter Franz Bernhard argwöhnte, dass dieser Diebstahl beim Angeklagte­n vielleicht einen „Hass gegen Ladendetek­tive“entwickelt haben könnte.

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