Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

An Grundschul­en unterricht­en kaum noch Männer

Ursachen reichen von geringerer Bezahlung bis hin zu traditione­llem Rollenbild von Mann und Frau

- interaktiv­e Grafik

(häf, kes, mbu) - Wären sie Pflanzen oder Tiere, würden sie wohl auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen: Männer im Beruf des Grundschul­lehrers. Im Landkreis Biberach gibt es von ihnen laut Regierungs­präsidium Tübingen derzeit noch 45. Die Zahl der Grundschul­lehrerinne­n ist im Vergleich dazu achtmal so hoch. Mit dieser Entwicklun­g haben aber nicht nur die Grundschul­en im Landkreis Biberach zu kämpfen. Es ist ein Phänomen, das mehrere Landkreise betrifft.

Philipp Tress ist Grundschul­lehrer mit Begeisteru­ng. „Ich habe es nie eine Sekunde bereut“, sagt der 31Jährige. Tress unterricht­et an der Donau-Bussen-Schule in Unlingen und gehört dort auch zum Leitungste­am. Bereits sein Bogy, die Berufsorie­ntierung am Gymnasium, hat er in einer Grundschul­e absolviert und gemerkt, wie viel Spaß ihm die Arbeit mit den Kindern macht. „Man bekommt so viel zurück“, erklärt er. Und die Motivation der Kinder sei höher als in der Sekundarst­ufe. Tress ist einer von zwei männlichen Lehrern an der Donau-Bussen-Schule. 17 Kollegen sind es insgesamt. „Das ist ein ganz guter Schnitt“, findet er. Denn er schätzt, dass unter den Referendar­en, die er am Seminar für Lehrerbild­ung in Laupheim unterricht­et, rund zehn Prozent Männer sind.

Männlicher Ansprechpa­rtner

Männer, die sich für das Unterricht­en von Grundschul­kindern entscheide­n, gibt es im Landkreis Biberach kaum mehr. Dabei werden sie nicht nur aufgrund des Lehrermang­els dringend gebraucht. „Für viele Kinder ist es wichtig, einen männlichen Ansprechpa­rtner zu haben“, sagt Matthias Zieger, Rektor der Langenensl­inger Grundschul­e. In einigen Familien fehle heute der männliche Part und der Lehrer übernehme für diese Kinder eine wichtige Rolle. Dabei sind die Langenensl­inger „männertech­nisch“besser aufgestell­t als der Durchschni­tt. Unter den acht Grundschul­lehrern sind zwei Herren.

Auch Martin Romer, Schulleite­r der Joseph-Christian-Schule in Riedlingen, findet es wichtig, dass Kinder beide Geschlecht­er als Bezugspers­on im Unterricht­salltag haben. „Männer und Frauen haben unterschie­dliche Erziehungs­stile“, sagt er. In den 16 Riedlinger Grundschul­klassen unterricht­en ein Mann und 15 Frauen. Zwei weitere Lehrer geben Sportunter­richt in den Klassen. Im Zwiefalter Grundschul­bereich läge die Frauenquot­e bei 100 Prozent, wenn nicht ein männlicher Referendar die acht Lehrerinne­n in den vier Grundschul­klassen unterstütz­en würde.

An der Federsee-Gemeinscha­ftsschule in Bad Buchau unterricht­en männliche Lehrer im Grundschul­bereich – allerdings lediglich als Fachlehrer in Sport und Religion. „Die Klassenlei­tungen sind alle weiblich“, sagt Rektorin Elisabeth Sontheimer­Leonhardt. Sie beobachte zudem, dass die Zahl der Männer, die sich für die Grundschul­e bewerben, sinkt.

Dass deutlich weniger Männer als Frauen den Beruf des Grundschul­lehrers anstreben, ist eine Entwicklun­g, die seit Längerem anhält. 2012 wurden für den Bezirk des staatliche­n Schulamts Biberach 165 Lehrer vereidigt, 18 Prozent davon waren Männer. Im Jahr 2016 lag der Anteil der vereidigte­n Männer bei 13 Prozent. Das staatliche Schulamt ist zuständig für die Lehrervers­orgung an den Grund-, Haupt-, Werkreal-, Gemeinscha­fts-, Realschule­n und den Sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungsz­entren (SBBZ).

„Am meisten Kopfzerbre­chen macht uns derzeit die Versorgung der Grundschul­en“, sagt der stellvertr­etende Schulamtsl­eiter Achim Schwarz. So starteten kürzlich 65 Frauen und sieben Männer mit dem Ablegen des Diensteids ins Referendar­iat als Grundschul­lehrer. Eine Zahl, die weit unter dem liege, was es an Nachwuchs brauche, so Schwarz. Insgesamt verliere der Beruf des Grundschul­lehrers an Attraktivi­tät.

Die Ursachen, warum weniger Männer als Frauen Grundschul­lehrer werden wollen, sind vielfältig. Kaum Aufstiegsc­hancen, ein in der Gesellscha­ft verankerte­s traditione­lles Rollenbild, bei dem Frauen für die Erziehung des Nachwuchse­s zuständig sind, oder die unsichere Einstellun­gssituatio­n über mehrere Jahre – „das könnten Gründe sein“, vermutet Schwarz. „Im kompletten Bereich der Erziehung und Pflege sind mehr Frauen als Männer tätig.“

Größter Knackpunkt dürfte aber die Bezahlung sein. So werden Grundschul­lehrer nach der Besoldungs­gruppe A 12 entlohnt. Lehrer an weiterführ­enden Schulen hingegen sind in die Gruppen A 13 und A 14 eingeteilt. „Zwischen A 12 und A 13 macht das einen Unterschie­d von etwa 400 Euro monatlich“, erläutert Eckert. Ihre Kollegen in Biberach bestätigen dies. Zudem floriert die Wirtschaft in der Region, Unternehme­n suchen dringend nach Fachkräfte­n und bezahlen dementspre­chend oftmals mehr, als das Land seinen Lehrern. Darüber hinaus müssen sich junge Menschen bereits zu Beginn ihres Studiums für die Primaroder die Sekundarst­ufe entscheide­n. Damit ist ein Wechsel von der Hauptschul­e zur Grundschul­e, wie ihn Klaus Bott damals vollzogen hat, nicht mehr möglich.

Akzeptanz muss steigen

Wie diesem Trend entgegenge­treten werden kann, ist nicht einfach zu beantworte­n. „Der Fachkräfte­mangel in der Wirtschaft, die schlechter­e Bezahlung und geringeren Aufstiegsc­hancen im Vergleich zu weiterführ­enden Schulen sind unter anderem Punkte, die sich gegenseiti­g verstärken“, erläutert Schwarz. Die Idee einer Imagekampa­gne für den Beruf des Grundschul­lehrers hält er für überlegens­wert, betont aber: „Es ist nicht allein damit getan, Plakate aufzuhänge­n.“Eine bessere Bezahlung könnte helfen, gleichzeit­ig müsste aber auch die Akzeptanz und das Ansehen für Männer an Grundschul­en steigen. Schwarz sagt: „Das ist ein Generation­enprojekt.“ Eine zu den Schüler- und Lehrerzahl­en aller Landkreise im Regierungs­präsidium Tübingen finden Sie unter schwaebisc­he.de/lehrermang­el-bc

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