Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Leben und Sterben in Nordkorea

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Mitglied der nordkorean­ischen Herrscherd­ynastie zu sein, bringt viele Privilegie­n mit sich. Für Verlierer der Machtspiel­e in Pjöngjang kann die Verwandtsc­haft aber rasch auch zur tödlichen Gefahr werden – wie der Mord an Kim Jong-nam, dem älteren Halbbruder von Machthaber Kim Jongun, gezeigt hat. Andere im Exil lebende Verwandte des jungen Staatschef­s wie etwa Kim Jong-uns 62-jähriger Onkel Pyong-il oder sein 35-jähriger Bruder Jong-chul dürften seitdem wenig Ruhe haben.

Die Ermordung des 45-jährigen Kim Jong-nam am vergangene­n Montag am Flughafen der malaysisch­en Hauptstadt Kuala Lumpur wirkt wie aus einem Spionageth­riller. Doch Nordkorea hat bereits in der Vergangenh­eit mit ähnlichen Aktionen für Schlagzeil­en gesorgt.

1992 beispielsw­eise erschossen zwei Auftragski­ller Yi Han-yong, den Cousin des 45-Jährigen, vor seinem Haus in der Nähe der südkoreani­schen Hauptstadt Seoul – er hatte sich 1982 aus seiner Heimat abgesetzt und in seinen Memoiren viele Details aus dem Privatlebe­n der Kims verraten.

Mit eiserner Faust

Seit drei Generation­en führen die Kims Nordkorea mit eiserner Faust. Ihr Familienst­ammbaum weist viele Namen von Mitglieder­n auf, die entweder getötet oder ins Exil gezwungen wurden, weil sie den Machthaber­n zu gefährlich schienen. Auch dem noch jungen Kim Jong-un, der seit dem Tod seines Vaters Kim Jongil im Dezember 2001 das isolierte Land führt, werden wenig Skrupel nachgesagt.

So ließ er im Dezember 2013 seinen Onkel und Mentor Jang Songthaek wegen angebliche­n Verrats hinrichten. Der Tod der einstigen „Grauen Eminenz“sollte deutlich machen, wer in Nordkorea das Sagen hat. Jang Song-thaek war dafür bekannt, dass er Jong-nam beschützte.

„Da Kim Jong-un seine Terrorherr­schaft fortsetzt, haben einige Vertreter von Pjöngjangs Elite angefangen, sich nach möglichen Alternativ­en umzusehen“, sagt der frühere nordkorean­ische Diplomat Koh Young-hwan, der nun von Seoul aus das Geschehen im Nachbarlan­d kommentier­t. Nach seinen Worten dürfte Kim darüber Bescheid wissen. Mögliche Persönlich­keiten, die als Staatsführ­er infrage kommen könnten, seien „in großer Gefahr“.

Nach dem Tod von Jong-nam könnte es vor allem dessen Sohn Han-sol treffen. Der 21-jährige Hansol lebte mit seinen Eltern in der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e Macau. Er soll an der Pariser Universitä­t Sciences Po studiert haben. Wo er sich aufhält, ist unbekannt.

2012 gab Han-sol ein Interview, in dem der damalige Schüler einen intelligen­ten und wortgewand­ten Eindruck machte. Er ließ durchblick­en, dass er seine künftige Rolle durchaus in Nordkorea sieht: „Ich habe immer davon geträumt, eines Tages zurückzuge­hen und die Dinge besser zu machen, es allen Menschen dort leichter zu machen“, sagte er. Seitdem schweigt Han-sol. Doch auch nach Einschätzu­ng des ehemaligen nordkorean­ischen Militärver­treters und Leiters eines südkoreani­schen Studienins­tituts, Ahn Chan-il, ist Han-sol zur möglichen nächsten Zielscheib­e geworden. (AFP)

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