Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mies macht munter
Von Onkel Edi war man einiges gewöhnt in der Familie. Angesichts einer kalten Platte beim Abendessen schmetterte er schon mal gerne seine Version des Zigeunerchors aus Verdis „Troubadour“: „Ich hab’s euch gleich gesagt, die Wurst, die schmeckt nach Seife!“Als kleiner Junge war man hingerissen. Desgleichen vom Kalauer aus der Flotow-Oper „Martha, Martha, du entschwandest und mit dir mein Portemonnaie“, den sich der fidele Oheim an passender Stelle nie entgehen ließ. Völlig verrätselt ließ er einen allerdings zurück, wenn er die hehre Arie aus Mozarts „Zauberflöte“verballhornte: „O Isis und Osiris, wenn ihr wüsstet, wie mir mies is.“Isis? Osiris? Misis? Später hat man es begriffen. Nun wollte ein Leser unlängst wissen, woher das Wort mies stammt. Also ägyptisch ist es natürlich nicht. Aber mit der Himmelsrichtung liegt man gar nicht so daneben. Es stammt aus dem Nahen Osten. Mies im Sinn von schlecht, unfreundlich, verdrießlich, hinterhältig, schäbig, erbärmlich, hässlich, gemein kam im 19. Jahrhundert aus dem Rotwelschen in den Berliner Dialekt, und wie viele Wörter jener Sprache hat es eine jiddische Wurzel: mis von ursprünglich hebräisch me-is, was nichts anderes hieß als schlecht, widerwärtig. Aus unserer Umgangssprache ist es nicht mehr wegzudenken. Man hat eine miese Laune, ein Job kann mies sein, aber auch das Wetter, die Wohnung, die Bezahlung, der Urlaub oder irgendein Zeitgenosse. Wer sein Konto überzieht, kommt in die Miesen, und beim Skatspiel macht man mit schlechten Karten schnell Miese. Wir kennen den Miesmacher, der alles nur ins Negative zieht, und den Miesepeter, der einen mit seiner schlechten Laune nervt. Dass es heute auch die Miesepetra gibt, sei der Vollständigkeit halber angeführt. So viel Gender-Gerechtigkeit muss sein. Nun haben wir gerade die hohe Zeit für mieses Befinden. „Wenn ihr wüsstet, wie mir mies is“, stöhnt wohl so mancher, wenn er nach einer wüsten Fastnachtsparty im Spiegel die traurigen Trümmer seiner Existenz betrachtet. Aber sich mies zu fühlen, kann sogar seine guten Seiten haben. Australische Wissenschaftler haben einmal eine interessante Studie vorgelegt: Sie zeigten zwei Gruppen von Testpersonen je einen Film, einen lustigen und einen traurigen. Die einen waren danach bester Stimmung, die anderen bliesen Trübsal. Anschließend sollten beide Entscheidungen treffen, die ein gewisses Nachdenken erforderten. Und siehe da: Die Frohnaturen waren allzu blauäugig und damit in hohem Maße anfällig für schnelle oberflächliche Fehlentscheidungen. Die Sauertöpfe wogen viel vorsichtiger ab und lagen mit ihren Urteilen weniger daneben. Was ist die Konsequenz für mies gelaunte Narren nach durchzechter Nacht? Sie gehen in aller Ruhe in sich und fällen dann einen weisen Entschluss: Heute Abend 0,0 Promille! Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg