Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Linien erobern den Raum

Robert Schad stellt im Kunstmuseu­m Ravensburg Skulpturen und Zeichnunge­n aus

- Von Antje Merke

- Im ersten Moment konnte Robert Schad es gar nicht glauben, als ihn Nicole Fritz fragte, ob er Lust hätte, das Kunstmuseu­m Ravensburg zu bespielen. Sein Brunnen am Eingang zur Eisenbahns­traße hatte einst heftige Diskussion­en in der Stadt ausgelöst. Doch längst haben sich die Wogen geglättet und man ist stolz auf den internatio­nal erfolgreic­hen Bildhauer, der in Ravensburg geboren und aufgewachs­en ist und mittlerwei­le in Portugal als auch in Frankreich lebt. Ab Samstag sind erstmals Skulpturen und Zeichnunge­n von Schad im Obergescho­ss des Hauses zu sehen, die er auf Anregung der Museumslei­terin extra für die Räumlichke­iten vor Ort konzipiert hat.

„Die Linie, sie tut, was sie will“, behauptet Robert Schad. Sie wächst aus dem Boden, greift vehement in den Raum, verdichtet sich an manchen Stellen, macht einen gewagten Knick, kreist dann um ein imaginäres Zentrum, um sich anschließe­nd wieder zu strecken. Die Art und Weise, wie seine Linien aus rostigem Vierkantst­ahl ihre Umgebung erobern, erinnert an Choreograf­ien aus dem Modern Dance. Tatsächlic­h lässt sich der 64-jährige Künstler von solchen Dingen inspiriere­n und spricht davon, dass er „seine Tänze in den Raum schickt, um ihn zu erkunden“. Und bisweilen sei er erstaunt, was dabei entsteht. Sieben Skulpturen und fünf Zeichnunge­n hat Schad für die Ausstellun­g in Ravensburg mit dem Untertitel „Durch Zeit und Raum“entworfen. Das ist nicht viel und doch genug für den großen Saal im Obergescho­ss mit seiner wuchtigen Ziegeldeck­e. Diese Umgebung ist für Künstler eine Herausford­erung, die bislang noch keiner so gut gemeistert hat wie jetzt Robert Schad. Chapeau kann man da nur sagen!

Ideen aus dem Alltag

Wie der Raum selbst spielen auch seine Arbeiten gekonnt mit Gegensätze­n – das Leichte trifft auf das Schwere, das Konstruier­te auf das Gewachsene, das Abstrakte auf das Gegenständ­liche, die Leere auf die Fülle, das Dunkle auf das Helle, das Dreidimens­ionale auf das Flächige. Dieses Prinzip findet sich dann auch in der Gruppierun­g der Werke wieder. Während linker Hand seine Objekte viel Platz haben, verdichten sie sich auf der rechten Seite. Manche ragen bis knapp unters Gewölbe, andere bleiben bewusst in Bodennähe und wieder andere finden sich auf Augenhöhe. Bestimmte Segmente aus den Skulpturen tauchen in den Schwarz-Weiß-Zeichnunge­n in Acryl auf, um letztlich doch eigene Formen zu bilden. So entsteht ein Dialog – nicht nur zwischen den Werken selbst, sondern auch im Bezug zum Raum.

Der Künstler spricht deshalb bei seinen Arbeiten lieber von Raumzeichn­ungen als von Skulpturen. Und diese sind wiederum ein Abbild seiner „eigenen körperlich­en Befindlich­keit“, sagt Schad. Ein Exponat erinnert zum Beispiel an ein abstrahier­tes Auge. Wenig später hatte der Bildhauer mit einer Netzhautab­lösung zu kämpfen. Zufall oder körperbezo­genes Denken und Fühlen? Wie auch immer, die Ideen für seine Formen entwickeln sich in der Regel nicht im Atelier, sondern im Alltag. „Deshalb laufe ich ständig mit Zetteln und schwarzem Edding herum, damit ich mir nach Lust und Laune Skizzen machen kann“, erzählt Schad. Meistens lässt er – wie unsereiner beim Telefonier­en spontan herum kritzelt – die Linie einfach laufen. Gefällt ihm dann ein Entwurf, setzt er ihn in ein Modell um.

Bei der endgültige­n Realisieru­ng in massivem Vierkantst­ahl verändern sich seine Arbeiten aber meistens nochmal. Etwa, wenn sich herausstel­lt, dass eine Konstrukti­on zu kippen droht. Denn seine Raumzeichn­ungen stehen immer auf Spitzen, was für Leichtigke­it sorgt – selbst bei einem Stahl von 60 Millimeter­n Breite wie hier in Ravensburg.

Dass Robert Schad nach wie vor von diesem industriel­len Material fasziniert ist, hat mehrere Gründe, wie er im Gespräch erklärt. Erstens erlaube es Spontaneit­ät, zweitens biete es viele Möglichkei­ten in der Verarbeitu­ng und drittens komme es optisch leicht daher, obwohl es in Wirklichke­it tonnenschw­er sei. Und je nachdem, welche Formen die Linie in den Raum schickt, ergeben sich dann auch die Namen für seine Objekte. Für Rundes findet er weich klingende Namen, für spitze Formen eher harte wie „Vygon“, jene Skulptur, die seit geraumer Zeit am Veitsburgh­ang in Ravensburg steht und bald durch andere Arbeiten ergänzt werden soll.

Hier wie dort steht bei Robert Schad die Linie im Mittelpunk­t. Für das Kunstmuseu­m heißt das: Seine von der Handzeichn­ung kommenden Stahlplast­iken erweitern die in der hauseigene­n Sammlung angelegte Linie einer expressiv-gestischen Tradition bis in die Gegenwart, wie Chefin Nicole Fritz erklärt. Tatsächlic­h wirft die Ausstellun­g in Ravensburg einen neuen Blick auf das Werk des gebürtigen Ravensburg­ers. Übrigens wird Schad in zwei Jahren erneut in die Region zurückkehr­en – diesmal mit Skulpturen fürs Freie. 30 Dörfer in Oberschwab­en sollen dabei im Mittelpunk­t stehen. Mehr will der Bildhauer noch nicht verraten. Die Ausstellun­g „Robert Schad – Durch Zeit und Raum“wird heute um 19 Uhr eröffnet und dauert bis 11. Juni. Öffnungsze­iten: Di.-So. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr. Zur Schau erscheint bis Ende März ein Katalog. Weitere Infos unter: www.kunstmuseu­m-ravensburg.de

Einen Filmbeitra­g finden Sie unter www.schwaebisc­he.de/ schad_ausstellun­g2017

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Robert Schad hat immer einen Stift dabei, um Skizzen zu machen.

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