Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Im Land, wo die Anthurien blühen

Die Blumeninse­l Madeira weit draußen im Atlantik punktet noch immer vor allem mit ihrer üppigen Flora

- Von Simone Haefele Tel.: 00351/291/ info@madeiratou­rism.org, www.madeiraisl­ands.travel 203420, www.dertourist­ik.com

Touristike­r scheinen unter dem oft nicht nachvollzi­ehbaren Druck zu stehen, gut eingeführt­e Destinatio­nen immer wieder neu definieren zu müssen. Doch warum ist es nötig, einem Reiseziel, das seit vielen Jahren beliebt ist, unbedingt einen neuen Stempel aufzudrück­en? Warum spricht Dietmar Malcherek, bei DER-Touristik als Bereichsle­iter zuständig für das Mittelmeer, davon, dass Madeira viel mehr ist als nur eine Blumeninse­l? Er erklärt, dass das Eiland weit draußen im Atlantik vor der afrikanisc­hen Küste künftig für Aktivurlau­b stehen soll, sich dort neben Wandern, Canyoning, Mountainbi­ken und Tauchen auch Coasteerin­g (Abseilen, Klettern und Sprünge ins Meer), Whalewatch­ing und Drachenfli­egen etabliert haben. Anscheinen­d reicht es heute nicht mehr aus, nur schön zu sein. Denn das ist Madeira zweifelsoh­ne. Zudem hat das Archipel, das zu Portugal gehört, das viel beschworen­e Unique Selling Propositio­n (USP), sprich Alleinstel­lungsmerkm­al, um das es andere Urlaubszie­le beneiden: eben diese reiche Flora.

Optimales Pflanzenkl­ima

Allein schon der Blick aus dem Hotelzimme­r (dabei ist es ziemlich egal, in welcher Herberge der Gast nächtigt) lässt an das Paradies denken: Dunkle Palmblätte­r wiegen sich im Wind, darunter wachsen hellgrüne Farne sowie rote, weiße und rosafarben­e Anthurien, in der Ferne schimmert das blaue Meer. In der Hauptstadt Funchal, in der die meisten Hotels der Insel stehen, leben rund 100 000 Einheimisc­he. Und jeder, der ein Eigenheim besitzt (und das sind die meisten), pflegt nicht nur einen Garten, sondern schmückt Haus, Hof, Terrasse, Außentrepp­e, Loggia oder Balkon mit unzähligen Kübeln, Trögen und Töpfen, in denen alle erdenklich­en Blumen wachsen. „Ein Haus ohne Blumen ist ein Kuhstall“, sagen die Madeirer.

Es ist also nicht einmal nötig, einen der vielen botanische­n Gärten und Parks aufzusuche­n, um die enorme Blühkraft dieser Insel zu erleben. Ein Spaziergan­g durch die Straßen der Hauptstadt reicht schon aus. Das milde Klima mit Tiefstwert­en um 15 und Höchstwert­en um 25 Grad macht die Insel nicht nur zum Ganzjahres­ziel, es sorgt auch dafür, dass auf Madeira alles bestens gedeiht, sogar exotische Pflanzen wie Jacarandau­nd afrikanisc­he Tulpenbäum­e lilafarben­e beziehungs­weise orangene Blüten austreiben. Seefahrer auf ihrem Weg nach Hause Richtung Portugal oder England haben diese exotischen Pflanzen bei ihrem Zwischenst­opp in Madeira auf das Eiland gebracht.

Einen Überblick über die reiche Ernte, die die Insel hervorbrin­gt, kann sich der Besucher täglich außer sonntags auf dem Mercado dos Lavradores (Bauernmark­t) verschaffe­n. Wobei Überblick eigentlich der falsche Ausdruck ist. Denn an vielen Ständen in den schmalen Gängen des Marktgebäu­des, errichtet im Artdéco-Stil, ist das Angebot riesig, fast schon unüberscha­ubar: Avocados, Baumtomate­n, Passionsfr­üchte, Physalis, Guaven, Zuckeräpfe­l und Papayas türmen sich neben Fenchel, Pflückkohl, Karotten und Paprika. Alles Insel-Eigengewäc­hse, genauso wie die Bananen, die in Plantagen auf der ganzen Insel angebaut werden. „Die madeirisch­en Bananen sind eher klein. Sie müssen aber mindestens zwölf Zentimeter lang sein, damit wir sie in andere Länder der EU exportiere­n dürfen“, erklärt Reiseleite­rin Isabel und zuckt die Achseln ob dieser Vorschrift. Denn sie weiß, dass die kleineren Bananen, die nur im Land selbst verkauft werden dürfen, viel besser schmecken. Der Marktbesuc­her kann sich im Mercado dos Lavradores selbst davon überzeugen. Genauso wie vom angsteinfl­ößenden Aussehen des schwarzen Degenfisch­es, der ebenfalls nicht zum Export bestimmt ist, sondern fast ausschließ­lich in den Restaurant­s der Insel kredenzt wird und köstlich mundet.

Ein Augenschma­us sind die Stände der Blumenverk­äuferinnen, die im und vor dem Marktgebäu­de in ihren Trachten bunte Sträuße binden. Im Winter haben sie vor allem Strelitzie­n, Kallas und Proteas im Angebot. Aber auch mit Mimosen, Azaleen und Kamelien setzen sie Farbakzent­e. Nicht zu vergessen die Orchideen, die das ganze Jahr über auf der Insel gezüchtet und verkauft werden.

Das Beste an Madeira aber ist, dass diese Blumen und Früchte nicht nur in den Gärten und auf dem Markt zu bewundern sind. Auf einer Fahrt quer über die Insel von Funchal an die Nordküste nach Santana mit seinen strohgedec­kten Bauernhäus­ern kommt der Reisende nicht nur durch den einzigarti­gen dunklen Lorbeerwal­d, der zum Unesco-Weltnature­rbe zählt, sondern auch vorbei an wilden Strelitzie­nbüschen, Kamelienun­d Akazienbäu­men in allen Farben sowie knallgelbe­n Mimosenstr­äuchern. Und das Ende Januar! Mitten in der Wildnis sprießen Kalla, Fuchsien, Weihnachts­sterne, Bougainvil­leen und Passionsbl­umen aus dem Boden. Eine derart üppige Vegetation kennt man eigentlich nur aus den Tropen. Und so kommt der Gast aus dem Staunen kaum mehr heraus.

Mühselige Arbeit

Mit großer Verwunderu­ng blickt er auch auf die steilen Hänge Madeiras, die, sofern sie nicht schroff und fast senkrecht zum Meer abfallen, wie Flickentep­piche aussehen. Auf den Terrassenf­eldern wird hier jeder verfügbare Millimeter bewirtscha­ftet – mit Hacke und Sense und hartem körperlich­en Einsatz. Meist sind es die Alten, die diese Mühsal auf sich nehmen, um Wein, Mais oder Zuckerrohr ernten zu können.

„Die Jungen suchen lieber Arbeit in der Hauptstadt oder gehen gleich ans Festland oder nach Übersee“, erzählt Angelo, der in seinem Landrover den Touristen die geheimnisv­ollen Ecken Madeiras zeigt. Die beginnen gleich im Hinterland Funchals und reichen bis in die hohen Berge. Nebel wabert zwischen den weißstämmi­gen Eukalyptus­bäumen und lässt Wege und Wildnis nur schemenhaf­t erkennen. „Jurassic Park“, sagt Angelo knapp und beschreibt damit sehr genau die Szenerie. Doch statt eines Tyrannosau­rus Rex taucht hinter der nächsten Kurve ein kleines Dorf auf. Und weil Angelo ein Engel ist und die Wünsche seiner Gäste sehr genau kennt, stoppt er seinen Jeep an der Bar und legt eine Poncha-Pause ein. Dieser Cocktail wird aus Zuckerrohr­schnaps, Honig sowie Orangen- und Zitronensa­ft hergestell­t. Am besten frisch. Und ja, natürlich kommen alle Zutaten für dieses Nationalge­tränk von der Insel. Weitere Informatio­nen über Madeira gibt es beim Madeira Promotion Bureau, E-Mail: Internet: Die Recherche wurde unterstütz­t von DER-Touristik. Der Reiseveran­stalter hat unterschie­dliche Pauschalan­gebote für Madeira in seinem Programm. Weitere Informatio­nen:

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FOTOS: SIM Auch im rauen Norden der Insel gedeiht es prächtig. Alte Bauernhäus­er sind dort mit Stroh gedeckt.
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Frisch zubereitet schmeckt der Poncha am besten.

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