Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Serientäter mit Killerinstinkt
Die Ulmer Basketballer haben nach 44:0 Punkten noch immer nicht genug vom Siegen
– Wer die beste deutsche Basketball-Mannschaft ist? Da kommt Ulms Manager Thomas Stoll kurz ins Grübeln. „In der Liga offensichtlich wir. Wir sind Erster, haben 22 Spiele gewonnen, aber das sagt nix aus“, findet er. Dann zählt Stoll schnell auf, welche Asse die Hauptrivalen Bamberg und Bayern in den letzten Monaten so nachkauften, „lauter Spieler in einer anderen Gehaltsklasse“, eben entsprechend dem Etat, der beim Meister und neuen Pokalsieger Bamberg dreimal, in München immerhin doppelt so groß sein soll. Fazit Stolls: „Wenn die sich eingespielt haben, werden die Karten in den Play-offs neu gemischt. Drum wollen wir Erster bleiben – um uns den Heimvorteil zu sichern.“
Und deshalb wollen die Ulmer ihre Serie, die fast surreal erscheint, weiter ausbauen. Drei Erfolge am Samstag in Oldenburg, gegen Vechta und in Bonn, und sie haben den deutschen Rekord von TuS Leverkusen eingestellt, das 1970 alle 25 Saisonspiele gewann. „Wir schauen nicht auf den Rekord, nur auf die Leistung, auf Oldenburg, das 2017 noch ungeschlagen ist“, sagt Stoll, fügt dann aber gewitzt an: „Wenn ich mir aussuchen dürfte, ein Spiel zu gewinnen, dann das letzte“– und zwar nicht jenes gegen Tübingen am 34. Spieltag, sondern jenes im Play-off-Finale.
Tatsächlich war der Traum vom Meistertitel nie realistischer als in diesen ersten Wochen 2017, in denen die Ulmer immer besser werden. Nach dem ersehnten Sieg gegen Bamberg in der Vorrunde haben sie sich nicht zurückgelehnt, sondern noch zugelegt, inzwischen gewinnen sie Auswärtspartien wie jene in Bremerhaven auch mal mit 40 Zählern Vorsprung – ohne den verletzten Center Tim Ohlbrecht und mit einem Kapitän Per Günther, der angeschlagen kaum spielt. Mit 21 Punkten Differenz im Schnitt gewannen die Ulmer bisher ihre Partien, Bamberg ist nur einen Tick besser. Stoll findet die Saison einfach nur „völlig abnormal: Wie wir spielen, was wir leisten, wie oft wir gewinnen, das ist schon fantastisch“.
Die Mannschaft, so weit wagt sich Stoll bereits vor, habe etwas Besonderes: „Der Killerinstinkt, der imponiert mir wirklich. Die Jungs verlassen sich nicht auf ein gutes Finish oder einen guten Start, sie ziehen ihr Spiel durch, sie erledigen einen Gegner auch mal durch einen Lauf im zweiten Viertel und lassen ihn dann nicht mehr ins Spiel kommen. Die Mannschaft ist unheimlich konstant, wir hatten so gut wie keine schlechten Hälften, nicht einmal schlechte Viertel. Und sie hat Spaß am Basketball, an sich, sie pusht sich immer weiter.“Punktum: ein Traumteam, an dem sich auch die deutschen Talente festhalten und mit dem sie wachsen können wie der 20-jährige David Krämer, dem in Bremerhaven zwölf Zähler glückten.
Stoll würde dieses Team natürlich gerne auf Jahre hinaus halten, „aber das ist unrealistisch. Noch tut sich nichts auf dem Markt, die Spieler warten ab, ob wir es in den Eurocup oder vielleicht in die Euroleague schaffen. Aber die Angebote werden kommen, und dann können wir nur auf unsere Stärken hoffen.“Als da wären: ein toporganisierter Club mit 25 Mitarbeitern, ein hochqualifizierter Trainer, eine Arena, in der man zuweilen die Stimme des Hallensprechers nicht mehr hört und eine Clubführung, die sich kümmert und auch mal Kitaplätze für die Spielerkinder organisiert. „Wir haben viele junge Väter in der Truppe, vielleicht wird das ein Vorteil“, hofft Stoll, und ein Spieler wie Raymar Morgan, derzeit Topscorer der Liga, habe „nicht vergessen, dass ihn keiner mehr wollte, als er in Bamberg durch den Medizincheck fiel – nur wir. Er ist dankbar für diese Chance.“Gegen zu viel Geld aber sei auch Ulm machtlos: „Es macht nicht viel Unterschied, ob man acht statt fünf Millionen verdient wie im Fußball. Aber ob es 170 000 statt 100 000 Euro sind wie im Basketball, das schon.“
Stoll rät allen Ulmer Fans, die Saison zu genießen. „Wir sind das gallische Dorf der Liga, in dieser Saison haben wir den Abstand nach oben verkürzt, aber wir wissen: Auf Dauer wird das schwer. Wir sollten das Münster im Dorf lassen.“Nur mit dem geplanten, 15 Millionen Euro teuren Nachwuchsleistungszentrum, dem Orange Campus, könne Ulm versuchen, die Großen herauszufordern. „Die können teure Stars einkaufen, wir werden versuchen, sie selbst auszubilden und zu halten.“Im Herbst, hofft Stoll, sollen die Bagger endlich rollen, noch fehlt das Okay der Stadtväter. Es dürfte demnächst folgen, denn auch in Politik und Wirtschaft wird die Basketball-Lobby in Ulm und um Ulm herum täglich größer.
In vier Wochen geht es für die Ulmer rund, dann entscheidet sich, ob sie den ersten Platz, der in den Play-offs das erste Heimrecht garantiert, halten können. Nacheinander treten sie dann gegen die drei Großen an: gegen Berlin (18. März), in Bamberg (26. März) und gegen München (8. April).