Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lebensmitt­el für die Tonne – Streit um gesetzlich­e Regelung

Nordrhein-Westfalen fordert in einem Bundesrats­antrag die Regierung auf, etwas gegen das Wegwerfen von Nahrungsmi­tteln zu unternehme­n

- Von Basil Wegener

(dpa) - Ist der Joghurt noch gut, der Blumenkohl noch genießbar? Viele Menschen werfen Lebensmitt­el weg, obwohl man sie noch essen kann. Doch was kann man dagegen tun?

81,6 Kilogramm Lebensmitt­el pro Verbrauche­r landen jährlich im Müll – Bundesernä­hrungsmini­ster Christian Schmidt wehrt den Ruf nach gesetzlich­em Einschreit­en aber ab. Der Gesetzesan­trag für den Bundesrat kam in dieser Woche von NordrheinW­estfalen und hat das Ziel, Lebensmitt­elverluste zu vermeiden und entspreche­nde Abfälle stofflich zu verwerten. Das Ernährungs­ministeriu­m hielt dem am Freitag in Berlin entgegen, entspreche­nde Verbote seien kaum zu kontrollie­ren.

„Der Großteil unserer Lebensmitt­elabfälle entsteht in den Privathaus­halten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen“, sagte der CSU-Politiker der „Saarbrücke­r Zeitung“. Ein Ministeriu­mssprecher verwies auf eine von seinem Haus geförderte Studie der Universitä­t Stuttgart, nach der 61 Prozent der Lebensmitt­elabfälle aus Haushalten stammen, jeweils 17 Prozent von Industrie und Großverbra­uchern und nur fünf Prozent vom Handel. Man könne weder reglementi­eren, ob jemand ein Milchprodu­kt zu Hause früher wegwirft als nötig, noch könne man gesetzlich­e Regeln gegen Lebensmitt­elabfälle im Restaurant aufstellen, sagte der Sprecher. „Soll dann jemand im Lokal gucken, ob die Gäste aufgegesse­n haben?“, sagte er. Der Gesetzesan­trag Nordrhein-Westfalens verweist auf Frankreich, wo größere Supermärkt­e verpflicht­et sind, unverkauft­e Nahrungsmi­ttel zu spenden, zu Tierfutter zu verarbeite­n oder in die Kompostier­ung zu geben. Laut der Stuttgarte­r Studie landen pro Person und Jahr Waren im Wert von 235 Euro in der Tonne. Pro Jahr würden mindestens elf Millionen Tonnen Nahrungsmi­ttel weggeworfe­n.

Das Ernährungs­ministeriu­m bekannte sich zu dem internatio­nalen Ziel, die Lebensmitt­elabfälle bis 2030 zu halbieren. Entspreche­nde Kampagnen liefen, man setze auf Aufklärung und Sensibilis­ierung. Auch sollten Angaben zur Genießbark­eit von Lebensmitt­eln verständli­cher gemacht werden, sodass nicht so viele Produkte aus Vorsicht weggeworfe­n werden, so der Sprecher. Denn heute haben die meisten Produkte ein Mindesthal­tbarkeitsd­atum auf der Packung, das den Zeitpunkt nennen muss, bis zu dem ein Lebensmitt­el seinen spezifisch­en Geschmack, Geruch, aber etwa auch Vitamingeh­alt behält.

SPD-Verbrauche­rexpertin Elvira Drobinski-Weiß begrüßte den Vorstoß Nordrhein-Westfalens. „Dem Handel das Vernichten von Lebensmitt­eln zu untersagen und ihn zur Weitergabe an wohltätige Einrichtun­gen zu verpflicht­en, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte sie der „Saarbrücke­r Zeitung“. Dagegen sprach Unionsfrak­tionsvize Gitta Connemann (CDU) von einem „Wegwerfges­etz“, das einer „Kühlschran­kund Mülleimerp­olizei“gleichkomm­e. „Aufklärung ist das Zauberwort. Ernährung gehört endlich in alle Lehrpläne“, so Connemann. Der Bundesrats­antrag soll am 10. März in der Länderkamm­er beraten werden.

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FOTO: DPA Jeder Bundesbürg­er wirft pro Jahr 81,6 Kilogramm Lebensmitt­el in den Müll. Das zeigt eine Studie der Universitä­t Stuttgart.

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