Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Als der Skisport in Lahti seine Unschuld verlor
2001 wurden alle finnischen Langläufer wegen Doping gesperrt
Nordische Weltmeisterschaften sind generell ein großes Fest in Finnland. Bereits zum siebten Mal finden die Titelkämpfe in Lahti statt – so oft wie in keiner anderen Stadt. In diesem Jahr besteht ein ganz spezieller Anlass. Vor 100 Jahren erhielt die Republik Finnland die Unabhängigkeit.
Eine ganz besondere Party soll am heutigen Samstag gefeiert werden. 35 000 Tickets wurden für die beiden Skiathlon-Entscheidungen (11.30/ Frauen, 13.30/Männer/beide ZDF und Eurosport) verkauft. Mehr gehen nicht rein ins Salpausselkä-Stadion. Für die richtige Stimmung sollen vor allem Krista Parmakoski und Matti Heikkinen, die momentan besten Skilangläufer des Landes, sorgen.
Ein großes Skifestival waren die Weltmeisterschaften 2001. Bis die sechs Finnen Virpi Kuitunen, Milla Jauho, Harri Kirvesniemi, Jari Isometsä, Janne Immonen und Mika Myllylä des Dopings überführt wurden. Ihnen konnte die Einnahme des Blutplasma-Expanders HES nachgewiesen werden, das zur Vertuschung von Blutdoping diente.
Diese Enthüllungen haben nicht nur die skiverrückten Finnen geschockt. „Es war das erste Mal, dass vorsätzliches Doping in einem ganzen Team nachgewiesen wurde. Das hatte eine ganz andere Dimension“, sagt der damalige Bundestrainer Jochen Behle. Vergleichbar ist dies mit dem systematischen Staats-Doping in Russland, das der Kanadier Richard McLaren in seinem Bericht als Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada im vergangenen Jahr publiziert hat.
Völlig überrascht wurde von der Dimension des Dopingskandals der Titelkämpfe 2001 auch der Internationale Ski-Verband (FIS). „2001 war eine große Katastrophe für den Skisport“, sagte die Fis-Generalsekretärin Sarah Lewis in Lahti. Man kann auch sagen: Im Februar 2001 hat der Skisport in Lahti seine Unschuld verloren. Schon im Jahr darauf, bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City, folgte der nächste Tiefschlag, als dem für Spanien startenden Allgäuer Johann Mühlegg drei Goldmedaillen wegen Dopings abgenommen wurden. Dazu kamen die Russinnen Larissa Lasutina und Olga Danilowa, die ebenfalls mehrere Medaillen wieder abgeben mussten.
Trotz vereinzelter Dopingfälle lebten die Verantwortlichen in der FIS bis dahin im Glauben, dass dies die Taten Einzelner waren. Und unternahmen nichts. „Vielleicht ist die FIS zu lasch an die Sache rangegangen“, sagt Behle. Danach wurde der Kampf gegen unerlaubte Leistungssteigerung und Manipulation intensiviert, entsprechende Gremien wurden ins Leben gerufen und mit Experten besetzt.
Im Vorfeld der WM sind laut Aussage von Lewis seit Mai 2016 insgesamt 930 Dopingtests durch die FIS durchgeführt worden. Hinzu seien zahlreiche Kontrollen durch die nationalen Anti-Doping-Agenturen und die Wada gekommen. Ob die Titelkämpfe 2017 in Lahti sauber sein werden? Das kann auch Gian Franco Kasper nicht versprechen. „Garantieren kann ich das nicht, es gibt immer Betrüger. Aber ich hoffe, dass die Athleten aus 2001 gelernt haben. Ich hoffe, dass die WM sauber wird“, sagte der FIS-Präsident. Und mehr als Blut- und Urinproben nehmen könne man nicht tun. „Wir können die Athleten in keinen Käfig sperren“, sagt der Schweizer. Auch Chips im Ohr lehnt er ab: „Wir haben es nicht mit Rindern oder Schweinen zu tun, sondern mit Menschen.“
Behle für differenzierte Bestrafung
Am Dienstag hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS die Einsprüche fünf russischer Skilangläufer um den suspendierten Olympiasieger Alexander Legkow abgewiesen. Der Olympiasieger über 50 Kilometer soll wie seine Teamkollegen Alexej Petuchow, Jewgenia Schapolowa, Maxim Wylegschanin und Jewgeni Below vor den Spielen in Sotschi einen Cocktail aus anabolen Steroiden zu sich genommen haben.
Behle fordert eine differenziertere Bestrafung. Dass die Norwegerin Therese Johaug für 14 Monate bis zum 7. März gesperrt ist, weil sie eine Creme für die Lippen benutzt hat, in der ein verbotener Wirkstoff enthalten war, sei eine Petitesse im Vergleich zu systematischem Doping. „Die Strafen müssen angepasst werden“, fordert Behle. „Wenn ich vorsätzlich mit Epo oder Steroiden betrüge oder Blutdoping betreibe, ist diese Sportart abgeschrieben.“Das heißt: lebenslange Sperre. Zudem fordert er das Einfrieren der Prämien für vier Jahre auf einem Sperrkonto. Wenn nach dieser Zeit bei Nachkontrollen keine Manipulation nachgewiesen werden kann, erhält der erfolgreiche Athlet das Geld ausbezahlt. Ansonsten wird der Nachrücker zumindest finanziell belohnt, wenn er schon nicht das emotionale Gefühl bei einer Siegerehrung erleben durfte.
Daran denken die Besucher in Lahti nicht. Sie wollen nur eine große Party feiern. Mit möglichst erfolgreichen Landsleuten.
„Garantieren kann ich nichts. Ich hoffe, dass die WM sauber wird.“FIS-Präsident Gian Franco Kasper