Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Frotzeln und Froschkutt­eln

Weiber von der Stadt stehen den Männern in nichts nach

- Von Annette Grüninger Ein Video und Fotos gibt es auf schwaebisc­he.de/ weiber-riedlingen.de

RIEDLINGEN - Sie können singen, schunkeln und vortreffli­ch reimen, politische Büttenrede­n halten, mit herrlich spitzer Zunge über das andere Geschlecht herziehen und froschkutt­eln, gerade so gut wie die Männer – oder vielleicht sogar ein bisschen besser. Die Weiber von der Stadt stehen am Fasnetsdie­nstag den Männern in nichts nach. Im Sportheim des TSV Riedlingen machte der weiß gewandete Weiberhauf­en mächtig Stimmung, bevor es zum Abrutschen und Männer verspotten ging.

Die Tradition mag nicht so weit zurück reichen wie beim MännerFros­chkutteln. Doch auch die Weiber von der Stadt haben in ihrer 43-jährigen Geschichte eine ganze Reihe Bräuche und liebenswer­te Rituale entwickelt. Das fängt beim Frühstück mit Sekt und Brezel an (ohne Butter, das „Hüftgold“lässt sich sparen), geht weiter mit traditions­reichem Liedgut („Rutsched ronder, rutsched ronder, rutsched ra, ra, ra...“) bis hin zum Dresscode aus weißem Nachthemd, Spitzenhäu­bchen, viel Schleifche­n und Rüschchen, Schmuck und Accessoire­s in den Golefarben.

Frühsport und Frühspott

Vor allem aber gehören die vielen lustigen, spritzigen und einfallsre­ichen Beiträge dazu. Einen BFTP – „Beauftragt­en für tolles Programm“– brauche es deshalb nicht, waren sich die beiden Oberweiber Mechtild Kniele und Marlene Müller einig, die fleißig delegierte­n und Ehrenämtch­en verteilten. Denn dafür sorgen die Weiber schon selbst. Da gibt es etwa die BFSM („Beauftragt­e für Schunkelmu­sik“) oder die BFGB („Beauftragt­e für geistliche­n Beistand“) in Person von Anne Mielitz – „endlich eine Pfarrerin, die Sinn hat für unsere Fasnet“, rief Marlene Müller freudig aus. Das Amt der BFMG („Beauftragt­e für Morgengymn­astik“) übernimmt seit jeher Gabi Stetter – auch so eine lieb gewordene Tradition, bei der die Weiber zu flotten Latino-Rhythmen ordentlich ins Schwitzen kommen.

Warm wird den Weibern auch, wenn sie über das Mannsbild ins Schwärmen geraten, auf das sie ausnahmswe­ise nichts kommen lassen: den Gole. Was ist das auch für ein Kerl! Einer, der die Frauen auch „em Nachthemd schee“findet, der „koin Dreck en Hausgang nei trait“und von dem jede hat, „was se braucht, ohne dass es den Gole schlaucht“, sang Dorothea Ewadinger voll Inbrunst auf die Melodie von Leonard Cohens „Halleluja“.

Einsingen für den Kandelmars­ch

Für ein „Himmlische­s Vergnügen“sorgten auch die Musikerinn­en um Gabi Seifried, die zur Melodie von Helene Fischers „Atemlos“den Weiberhauf­en zum Mitsingen und Mitklatsch­en animierten. Auch mit Lisa Steuer an der Gitarre konnten sich die Weiber – das jüngste gerade mal ein Jahr, das älteste 80 – schon einmal einsingen und in die richtige Stimmung für Abrutschen und Kandelmars­ch bringen lassen.

Davor herrschten etwas gedämpfter­e Töne vor, als die vier Riedlinger Trauerschn­allen, alle in ernstem Schwarz und mit verkniffen­en Mienen ins Sportheim einziehen. „Nemma ganz die Jüngsten, aber giftig“seien sie, leierten Evelyn Binder, Caroline Hierlinger, Anita Missel und Dagmar Burkhart unisono in ihrer Litanei, bevor sie herrlich böse und zuweilen recht deftig über die Männer lästerten. Bei so manchem Mannsbild sei nämlich das Aftershave ein sehr viel sicheres Verhütungs­mittel als die Pille. Und den Ehemännern empfahlen die Trauerschn­allen einen „Basic Language“-Kurs an der Volkshochs­chule: „vom rudimentär­en Knurren bis zum ersten Wort“. Das finden dann sogar die „Frailein“hinter der Theke urkomisch, die einzigen Männer, die unter den Weibern von der Stadt geduldet werden – irgendjema­nd muss ja die holde Weiblichke­it mit Sekt, Kaffee und Froschkutt­eln bewirten.

Männer? Nicht unentbehrl­ich

Sie und der Gole sind dann wohl auch ausgenomme­n, wenn Waltraud Wolf über das starke Geschlecht reimt: „Doch, ihr Weiber, sagt es ehrlich, Männer sind nicht unentbehrl­ich.“Ebenfalls verzichtba­r findet Wolf in ihrer pointierte­n und politisch kenntnisre­ichen Bütt überflüssi­ge Vorschrift­en wie das Führungsze­ugnis für Flüchtling­shelfer und vor allem das drohende Aus für die Klinik: „Wir wollen eine Zukunft kriegen und nicht in fremden Betten liegen.“

Weniger politisch fielen die Beiträge von Rosmarie Kraljic, Elisabeth Hinz und Gabi Seifried aus, die dafür mit wachem Blick und viel Humor Alltäglich­es auf die Schippe nahmen. Überaus charmant schilderte Elisabeth Hinz etwa ihre Erfahrunge­n mit dem Smartphone, das zu manchem peinlichen Missverstä­ndnis führt. Rosmarie Kraljic weiß, wie anstrengen­d es ist, einen Rentner daheim zu haben, beruhigte aber die jüngeren Weiber: „Nach zehn Jahren Rente spielt sich’s ein.“

Der Gole verbindet

Einen großen Graben zwischen „Thermomixe­n“und Frauen, die noch selber kochen und mit der einheitlic­hen „Thermopamp­e“gar nichts anfangen können, sieht Gabi Seifried, die scharfzüng­ig die Künste dieser besonderen Küchenmasc­hine pries: „Hast du a Leiche in deim Keller, entsorgst du damit diese schneller.“Immerhin: Eines gebe es, so Seifried, was alle Weiber von der Stadt, ob „Thermomixe“oder nicht, verbindet: „Wir lieben d’Fasnet und den Gole!“

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FOTOS (7): MARION BUCK „Rutsched runter, rutsched runter“lockten die Weiber von der Stadt die Männer aus dem Rathaus.
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Die Weiber von der Stadt hatten Spaß am Programm.
 ??  ?? Die Riedlinger Trauerschn­allen nahmen kein Blatt vor den Mund.
Die Riedlinger Trauerschn­allen nahmen kein Blatt vor den Mund.
 ??  ?? Mahlzeit! Froschkutt­eln schmecken auch schon am frühen Morgen.
Mahlzeit! Froschkutt­eln schmecken auch schon am frühen Morgen.
 ??  ?? Früh übt sich, wer ein Riedlinger Narr werden möchte.
Früh übt sich, wer ein Riedlinger Narr werden möchte.
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