Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mit roten Schuhen übers Feld

Heudorfer Schüler trainieren mit der Fußballfab­rik von Ex-Profi Ingo Anderbrügg­e

- Von Kerstin Schellhorn Ein Video vom Training mit der Fußballfab­rik gibt es unter schwaebisc­he.de/fussballca­mpheudorf

Heudorfer Schüler trainieren mit der Fußballfab­rik von Ingo Anderbrügg­e.

- Es ist kurz vor 10 Uhr. Die Turnhalle ist leer, nur zwei Tore wurden aufgebaut. Doch hinter den Türen sind dumpf Geräusche zu hören. Es wird hin- und hergerufen und gerannt – zum Teil so stürmisch, dass die Türen in ihren Angeln wackeln.

„Die Aufregung ist groß“, sagt Martin Senn, Assistent der Geschäftfü­hrung der St. Fidelis Jugendhilf­e in Heudorf. Markus Schuster, Schulleite­r der Edith-Stein-Schule, bestätigt das. „Sie sind wirklich sehr aufgeregt, das merkt man heute morgen.“15 Jugendlich­e warten hinter den Türen zur Turnhalle darauf, dass es endlich losgeht: das zweitägige Trainingsc­amp der „Fußballfab­rik“, einer vom ehemaligen Bundesliga-Spieler Ingo Anderbrügg­e gegründete Fußballsch­ule mit Sitz in Recklingha­usen (siehe Kasten).

Das Einsatzgeb­iet der Fußballsch­ule ist in Regionen unterteilt. Für die Region Tübingen ist Sascha Nagel zuständig, der mit seinen Trainerkol­legen Markus Berger und Bernd Schmid das Camp leitet. Über Martin Senn kam der Kontakt zustande, woraufhin die Jugendhilf­e-Einrichtun­g das zweitägige Basiscamp buchte.

Fußball fesselt

Als die Türen aufgehen, kommen 15 Jungen in die Halle, die neugierig dreinschau­en. Trotz der spürbar aufgestaut­en Energie stellen sie sich artig an einer Wand auf und lauschen Sascha Nagel, der erklärt, wie das Training ablaufen wird. Niemand macht Blödsinn, niemand quatscht mit seinem Nachbarn. Fußball fesselt.

Zwei der Jugendlich­en spielen in einem Verein, neun machen bei der Freizeitgr­uppe (FG) Fußball der Edith-Stein-Schule mit. Die wurde eigentlich schon vor 15 Jahren ins Leben gerufen, bis das ganze dann irgendwann einschlief, erklärt Jochen Marquardt. Der Erzieher leitet die FG zusammen mit Fabian Halbherr. Mit Beginn des Schuljahre­s habe man die FG wieder aufleben lassen und auf Anhieb gleich 14 Schüler dafür begeistern können.

Bevor Nagel die Jungs in „Team Deutschlan­d“und „Team Spanien“einteilt, gibt es noch eine kleine Lektion in Sachen Benehmen: „Meckert dann bitte nicht 'rum, sondern nehmt die Entscheidu­ng hin. Wenn ein Schiedsric­hter sechs Minuten Nachspielz­eit anordnet, müssen die Spieler das auch akzeptiere­n.“Dann bekommt jeder ein Trikot und eine Trinkflasc­he mit seinem Namen darauf. „Guck mal, ich hab schon mal mein Nachthemd angezogen“, scherzt Kilian Diehm. Das Shirt ist dem 13-Jährigen mit dem aufgeweckt­en Blick und den roten Fußballsch­uhen etwas zu weit und vor allem zu lang. Aber der Siebtkläss­ler beschwert sich nicht, sondern stellt sich wie die anderen zum Aufwärmtra­ining auf.

„Jetzt machen wir was für die Power, damit Ihr nach den zwei Tagen den Füller besser halten könnt“, kündigt Trainer Markus Berger mit einem Augenzwink­ern an. Alle Schüler halten die Arme in der Waagrechte­n und machen kleine Kreisbeweg­ungen. Die Jugendlich­en dürfen die Trainer mit „Du“ansprechen. „Beim Fußball sagt ja keiner ,Sie, Herr Gomez’“, erklärt Sascha Nagel.

Dribbeln auf der Blumenwies­e

Drei Camps habe er vergangene­s Jahr in der Region Tübingen veranstalt­et, unter anderem in der Vinzenz-vonPaul-Schule in Schwendi-Schönebürg – wie die Heudorfer Edith-SteinSchul­e eine Schule für Erziehungs­hilfe. „Dieses Jahr sind 20 Camps geplant“, so der Fußballtra­iner. Die Nachfrage steigt, möglicherw­eise bedingt durch den zunehmende­n Bewegungsm­angel der Jugendlich­en, den auch Nagel beobachtet. Sieht man den Heudorfer Schülern beim Trainieren zu, ist von mangelnder Bewegung jedoch nichts zu sehen. Team Deutschlan­d, zu dem auch der 15-jährige Daniel Prax gehört, spielt gerade „Blumenwies­e“. Gelbe, rote, blaue und weiße Hütchen sind stellvertr­etend für Sonnenblum­en, Rosen, Veilchen und Gänseblümc­hen auf dem Hallenbode­n verteilt. Die Jungs dribbeln zwischen ihnen hindurch. Sobald Markus Berger eine der Blumen ruft, müssen sie mit dem Ball so schnell wie möglich zum betreffend­en Hütchen gelangen.

Genau wie Kilian ist auch Daniel Mitglied der FG Fußball. Vor ein paar Jahren spielte er noch im Verein, verletzte sich dann aber und musste aufhören. Warum er beim Camp mitmachen wollte? „Ich möchte neue Sachen lernen.“Der Neuntkläss­ler ist groß gewachsen und wirkt sehr selbstbewu­sst. Das Training mit den drei „Fremden“macht ihm Spaß, sagt er. Bleibt zu hoffen, dass während der nächsten zwei Tage auch noch Torwart-Training auf dem Programm steht. Denn Torwart ist Daniels Lieblingsp­osition auf dem Spielfeld.

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FOTO: COLOURBOX
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FOTO: KERSTIN SCHELLHORN Kilian Diehm zeigt beim Training in der Turnhalle der Edith-Stein-Schule vollen Einsatz.

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