Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Maas warnt die Türkei
Erdogan bezeichnet Yücel als Spion und wirft Deutschland Terror-Beihilfe vor
- Im Streit um die Absagen von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland und die Untersuchungshaft für den „Welt“Journalisten Deniz Yücel wird der Ton zwischen Berlin und Ankara immer schärfer. In einer Rede in Istanbul warf der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dem inhaftierten „Welt“-Journalisten Deniz Yücel Spionage für Deutschland vor. Die deutschen Behörden beschuldigte er der Unterstützung des Terrorismus in der Türkei. „Sie müssen wegen Unterstützung und Beherbergung von Terrorismus vor Gericht gestellt werden.“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte im Fall Yücel vor einem „Abbau der Rechtsstaatlichkeit“in der Türkei. Die Regierung in Ankara droht Deutschland unterdessen mit ernsten Konsequenzen. „Dieses Skandal-Vorgehen in Deutschland ist im wahrsten Sinne des Wortes ein faschistisches Vorgehen“, empörte sich Justizminister Bekir Bozdag über die Absage seines Auftritts in Gaggenau.
Angela Merkel bemühte sich um Schadensbegrenzung, bezeichnet die Absage in Gaggenau als kommunale Entscheidung. Grundsätzlich werde in Deutschland Meinungsfreiheit praktiziert, stellte die Kanzlerin am Rande ihres Tunesien-Besuchs klar. Die Bundesrepublik habe aber ein föderales System und da entschieden mitunter Kommunen über die Sicherheit einer Veranstaltung.
Länder erwarten Reaktion
Heftige Debatte auch in NordrheinWestfalen: Die Stadt Köln hatte einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci in einem Bezirksrathaus untersagt. Eine Veranstaltung mit Zeybekci in Frechen ist ebenfalls abgesagt worden. Der Betreiber der für den Auftritt vorgesehenen Halle habe mitgeteilt, dass diese dem Veranstalter für Sonntagabend nicht zur Verfügung stehe. In Leverkusen ist am Sonntag ein Auftritt Zeybekcis bei einer Kulturveranstaltung geplant.
Bisher hatte die Bundesregierung darauf verzichtet, gegen Auftritte türkischer Spitzenpolitiker vorzugehen. Zu einer weiteren Zuspitzung könnte es kommen, sollte Präsident Erdogan seine Pläne wahrmachen wollen, noch vor dem Verfassungsreferendum Mitte April vor seinen Anhängern in Deutschland zu sprechen. Aus den Ländern kommt der Ruf nach einer scharfen Reaktion gegenüber Ankara. „Wir in NordrheinWestfalen erwarten von der Bundeskanzlerin, dass sie dem türkischen Staatspräsidenten deutlich macht, dass solche spaltenden Wahlkampfauftritte mit antidemokratischer Zielrichtung bei uns hier in Deutschland nicht erwünscht sind“, erklärte Rainer Schmeltzer, Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen.
Eine Zuspitzung gibt es auch im Fall des Journalisten Deniz Yücel. Eigentlich hatte Bundesjustizminister Heiko Maas am Donnerstag in Karlsruhe mit seinem türkischen Amtskollegen Bozdag darüber beraten wollen. Doch der ließ den Termin nach der Entwicklung in Gaggenau platzen. „Ich wende mich in großer Sorge um die deutsch-türkische Freundschaft an Sie“, heißt es in einem Brief von Maas an Bozdag. Die Entscheidung, Yücel in Untersuchungshaft zu nehmen, habe ihn „erschüttert“. Der SPD-Politiker fordert die sofortige Freilassung von Yücel.