Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Junge Wähler können Demokratie stärken
Laut Bertelsmann-Stiftung beleben Jugendliche ab 16 die Beteiligung bei Urnengängen
(dpa) – Er wäre sofort dabei. Franz Müntefering, Ex-SPD-Chef, ExVizekanzler, Ex-Arbeitsminister und jetzt umtriebiger Politrentner aus dem Ruhrpott, ist ein Fan der Idee, dass junge Leute schon ab 16 statt 18 Jahren den Bundestag mitwählen dürfen. „Ich kenne 16-Jährige, die mindestens so politisch sind wie manche Ältere“, sagte er. Die Jüngeren müssten dann auch wirklich wählen gehen, für Demokratie und Gerechtigkeit kämpfen: „Handy reicht nicht!“, meinte „Münte“.
Mahnendes Beispiel: Beim BrexitVotum in Großbritannien machten viele Jüngere nicht mit, überließen frustrierten Älteren das „No“zur EU – als es zu spät war, gingen geschockte junge Briten auf die Straße.
In Deutschland wächst die Lust der „digital natives“auf Politik wieder. In der Shell-Jugendstudie 2015 wurde bei den 12- bis 25-Jährigen eine Trendwende vermerkt – im Vergleich zum Tiefpunkt mit 30 Prozent (2002) sind es nun 41 Prozent, die sich selbst als „politisch interessiert“bezeichnen. Der Aussage „Politiker kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken“stimmten aber 69 Prozent zu.
Bei solchen Sätzen horcht Martin Schulz auf. Der SPD-Kanzlerkandidat, der im Herbst Angela Merkel aus dem Kanzleramt verdrängen will, muss bei Jungwählern und vor allem bei Frauen punkten, bei denen die SPD Boden verloren hat. Bei der Wahl 2013 gaben 36,7 Prozent der Frauen Merkels CDU ihre Zweitstimme – für den SPD-Kandidaten Peer Steinbrück reichte es nur für 26,6 Prozent. Bei den Jungwählern dagegen waren CDU und SPD beide schwach. Hier räumten Grüne und Linke ab.
Ist der Ruf von SPD und Grünen nach einer Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 also ein Rohrkrepierer, zumal die CDU ohnehin nicht mitziehen will? Die BertelsmannStiftung untersuchte 2015, wie sich die Wahlbeteiligung in ausgewählten Ländern wie Brandenburg, Bremen und Hamburg entwickelt hat, wo ab 16 die Landtage gewählt werden. Die 16- und 17-Jährigen haben keine TopQuoten, wählen meist eher als die über 20-Jährigen. „Steigt die Erstwahlbeteiligung um ein Drittel, führt das allein langfristig zu einem Wiederanstieg der Gesamtwahlbeteiligung auf etwa 80 Prozent“, so die Forscher. Das würde dauern. Die Simulation reicht bis ins Jahr 2049.
Ein niedrigeres Wahlalter ist kein Selbstläufer. Die Erfahrungen aus Österreich, wo 2007 das nationale Wahlrecht ab 16 eingeführt wurde und als durchaus erfolgreich gilt, sowie einzelnen Bundesländern zeigen, dass Jugendliche in Schule, Familie und sozialen Medien für die Wahl und die Demokratie begeistert werden müssen.