Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Deutschlan­d vereinbart enge Kooperatio­n mit Tunesien

Abgelehnte­r Asylbewerb­er sollen einfacher abgeschobe­n werden – Zusammenar­beit im Kampf gegen Terror

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

- Deutschlan­d und Tunesien haben sich auf eine engere Zusammenar­beit bei der Identifizi­erung und Rückführun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er geeinigt. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitag bei einem Besuch in Tunis, sie habe sich mit dem tunesische­n Präsidente­n Béji Caïd Essebsi auf ein Abkommen verständig­t, das unter anderem ein Verfahren für schnellere Rückführun­gen in das nordafrika­nische Land vorsieht.

Beim gemeinsame­n Auftritt mit Essebsi fordert der Gast aus Deutschlan­d die Menschen in Tunesien auf, sich für Stabilität und den Erhalt der jungen Demokratie einzusetze­n. Die junge Demokratie in Tunesien sei ein „Leuchtturm der Hoffnung“für die arabische Welt, sagt Merkel und verspricht, Deutschlan­d werde das Land am Mittelmeer „nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten auf diesem Weg unterstütz­en“. Präsident Essebsi nennt den Besuch einen „qualitativ­en Sprung in den bilaterale­n Beziehunge­n“.

Ermutigung im Parlament

„Tunesien geht seinen Weg“, lobt Merkel im Parlament in Tunis die Entwicklun­g des Landes nach dem Arabischen Frühling 2011. Anders als in den nordafrika­nischen Nachbarsta­aten scheint hier der Aufbruch in Richtung Freiheit, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit zu gelingen. „Parlamente sind das politische Herzstück unserer freiheitli­chen Demokratie­n“, erklärt die Kanzlerin und ruft den Parlamenta­riern zu: „Wir bauen auf Sie.“Merkel sichert die „volle Unterstütz­ung und Zusammenar­beit in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft“zu.

Merkel will Tunesiens weiteren Weg von der Diktatur in Richtung einer stabilen Demokratie unterstütz­en. Schließlic­h erinnert die Kanzlerin ebenso an die Opfer des Attentats auf dem naheliegen­den Bardo-Palast, des Anschlags auf Touristen am Strand in Sousse und nicht zuletzt an den Terrorakt des tunesische­n Islamisten Anis Amri auf den Weihnachts­markt in Berlin. „So wie wir in der Verabscheu­ung der Verbrechen geeint sind, so müssen wir auch unsere Kräfte einen im Kampf gegen Terrorismu­s“, fordert Merkel. Deutschlan­d wolle „ein guter Partner“sein. 250 Millionen Euro für Entwicklun­gshilfe leistet Deutschlan­d in diesem Jahr. 15 Millionen Euro sind Starthilfe für freiwillig­e Rückkehrer.

Die Kanzlerin macht Druck. Die 1500 ausreisepf­lichtigen Tunesier aus Deutschlan­d sollen schneller abgeschobe­n werden. „Wer keine Aufenthalt­sberechtig­ung hat, muss unser Land wieder verlassen – notfalls zwangsweis­e, aber möglichst auf freiwillig­er Basis“, sagt Merkel. Pünktlich zum Besuch haben sich beide Seiten auf ein fünfseitig­es Abkommen verständig­t, dass Rückführun­gen künftig auch per Charter-und nicht wie bisher nur mit Linienmasc­hinen durchgefüh­rt werden können. Deutschlan­d will Tunesien beim Grenzschut­z unterstütz­en und Hilfe beim Aufbau eines Asylsystem­s leisten.

Um solche Fehler wie im Fall Anis Amri in Zukunft zu vermeiden, wollen die Innenminis­terien und Sicherheit­sbehörden in Berlin und Tunis sich künftig besser austausche­n. Der Schwindel mit falschen Identitäte­n soll erschwert, Ersatzpapi­ere für tunesische Flüchtling­e in nur fünf Tagen bereitgest­ellt werden, ein direkter Draht zwischen Spitzenbea­mten der Innenbehör­den künftig bei Gefahr in Verzug helfen.

Der Plan, in den Staaten Nordafrika­s Auffanglag­er für Flüchtling­e einzuricht­en, ist vom Tisch. Der tunesische Ministerpr­äsident Youssef Chahed hatte vor zwei Wochen bei seinem Besuch in Berlin im Fall des islamistis­chen Terroriste­n Fehler bestritten und die von der EU und der Bundesregi­erung geforderte­n Auffanglag­er in Tunesien und anderen nordafrika­nischen Staaten abgelehnt.

Stattdesse­n will Berlin bei der Sicherung der Grenzen und der Küsten und im Kampf gegen Schleuser helfen und die wirtschaft­liche Zusammenar­beit verstärken. So sollen sich Tunesien und Ägypten an der „Sofia“-Mission im Mittelmeer beteiligen und Schiffe stellen. Merkel will Tunesien und Ägypten dafür gewinnen, ihr Engagement für eine Stabilisie­rung Libyens zu verstärken. Die Sorge über mehr Chaos und neue Flüchtling­sströme aus dem Krisenland ist groß.

Am Nachmittag stellt Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) ein deutsch-tunesische­s Zentrum für Beschäftig­ung, Migration und Reintegrat­ion vor, das Rückkehrer­n den Start erleichter­n soll. 250 deutsche Unternehme­n sind in Tunesien aktiv, investiere­n und bieten 55 000 Arbeitsplä­tze an. Merkels Appell: „Ich kann Sie nur ermuntern, den eingeschla­genen Weg weiterzuge­hen.“

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FOTO: AFP Zusammenar­beit in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft: Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Tunesiens Präsident Béji Caïd Essebsi.

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