Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gitarren unter Artenschut­z

Palisander ist bei Instrument­enbauern beliebt – Seit Jahresbegi­nn gelten strenge Auflagen

- Von Oliver Linsenmaie­r

- Es trägt die geheimnisv­ollen Namen Dalbergia, Jacaranda oder Rosewood. Umgangsspr­achlich ist das Edelholz eher als Palisander bekannt. Durch illegale Abholzunge­n in Südamerika und Asien wurde der Bestand in den vergangene­n Jahren stark dezimiert. Nachdem die Unterart Rio-Palisander (Dalbergia nigra) bereits seit 1992 unter Artenschut­z steht, hat die Welt-Artenschut­zkonferenz Cites seit Anfang des Jahres nun auch alle anderen Palisander-Arten unter Schutz gestellt. Das Problem: In beinahe jeder Gitarre steckt zumindest ein kleiner Teil an Palisander.

Der bloße Besitz eines solchen Instrument­es ist zwar vollkommen in Ordnung. Sobald man die Gitarre aber verkaufen möchte, wird es komplizier­t. Das trifft jeden einzelnen Gitarrenbe­sitzer, besonders aber die kommerziel­len Händler. „Praktisch alle Gitarren bestehen aus Palisander“, sagt Gitarrenba­uer Andreas Dill, der seit knapp 30 Jahren in Weingarten seinen Gitarrenla­den führt. „Selbst das Griffband von einer 29-Euro-Ukulele.“

Nur fünf seiner rund 400 Gitarren enthalten keinen Palisander. Da der 52-Jährige jede einzelne Gitarre nun katalogisi­eren und Buch führen muss, bedeutet der Artenschut­z für ihn jede Menge Arbeit. „Es dauert einfach immer länger an der Kasse. Wir müssen von jedem Kunden die Adresse aufnehmen“, erklärt er.

In wenigen Wochen hat Dill schon 14 Seiten mit 270 Einträgen gefüllt. Auch das verlangen die neuen Vorgaben – zumindest in Deutschlan­d. „Das gibt es nur in Deutschlan­d, nirgendwo anders in der EU“, sagt Dill. Jede einzelne Gitarre müsse sich zuordnen lassen. „Es geht darum, den Weg vom Urwald bis ins Gitarrenge­schäft nachvollzi­ehen zu können.“

Mehrarbeit an Weihnachte­n

Neuerdings braucht es auch eine Bestätigun­g, dass die Gitarre auf legalem Wege gekauft wurde. Daher musste sich Dill für all seine 400 Gitarren, die er vor 2017 erworben hatte, einen Nachweis beim Regierungs­präsidium Tübingen (RP) holen – rund 20 Stunden Arbeit. Sogar an Weihnachte­n musste er deshalb in seinen Gitarrenla­den. „Im Dezember mache ich ein Fünftel meines Jahresumsa­tzes und musste nun noch mein ganzes Lager auf den Kopf stellen“, erinnert er sich und bezeichnet den Umstellung­stermin 31. Dezember als „total idiotisch“.

Versand in die Schweiz eingestell­t

Für das Regierungs­präsidium hat er dagegen nur lobende Worte übrig. „Das war völlig unkomplizi­ert. Die sind sehr vernünftig“, sagt er. „Die haben unglaublic­h viel Mehrarbeit.“So reicht aktuell noch eine formlose E-Mail an das RP mit einem Beleg, wie der Rechnungsk­opie, einer Seriennumm­er oder einem alten Foto. „Man ist völlig frei, wie man den Nachweis führt“, sagt RP-Pressespre­cher Simon Kistner. Kann man nachweisen, dass die Gitarre vor 2017 gekauft wurde, bekommt man ein formloses Schreiben des RPs.

Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschut­z (BfN) erklärt, die Intention des neuen Gesetzes sei, den profession­ellen Handel mit Palisander besser zu kontrollie­ren. Bei Privatpers­onen braucht es erst ab zehn Kilogramm Palisander für die Einfuhr in die EU offizielle Genehmigun­gen. „Es geht nur um die Prüfung der Legalität. Wir werden die Gitarrenbe­sitzer nicht kriminalis­ieren.“Dennoch beeinträch­tigen die Vorgaben Gitarrenhä­ndler wie Dill. Er hat bislang immer auch einige Gitarren in die Schweiz geschickt. Da diese nicht zur EU gehört, braucht es nun eine Ausfuhrgen­ehmigung. Diese stellt das BfN aus und verlangt dafür 15 Euro pro Genehmigun­g. In absehbarer Zeit wird zudem eine Einfuhrgen­ehmigung nötig sein, die wiederum 80 Franken kosten soll.

Damit steigen die Zusatzkost­en auf mehr als 90 Euro. Hinzu kommt die zunehmende Bearbeitun­gszeit, die durch die Ausstellun­g der Genehmigun­gen entsteht. Durch den bürokratis­chen Mehraufwan­d können die Gitarren erst Wochen nach dem Kauf verschickt werden.

Kritik an Kommunikat­ionspoliti­k

In diesem Zusammenha­ng kritisiert Dill auch die Kommunikat­ionspoliti­k des Bundesamte­s für Naturschut­z. Er selbst erfuhr von den Plänen über persönlich­e Kontakte Mitte November. Offiziell sei er aber erst am 12. Dezember in einem Brief der Branchenve­rtreter darüber informiert worden, so Dill. Und das, obwohl der Beschluss bereits im Oktober gefasst wurde. Das sieht auch Simon Kistner vom Regierungs­präsidium ähnlich. „Das Ganze ist ein wenig unglücklic­h gelaufen – gerade in der Kommunikat­ion mit den Bürgern“, sagt er. „Die Meldung hätte eigentlich vorher erfolgen sollen.“

Das bewertet man beim Bundesamt für Naturschut­z anders. Bereits vor dem Beschluss im Oktober habe man auf der Internetse­ite des BfN darüber berichtet, dass es Änderungen geben könnte, sagt Böhmer. Auch seien entspreche­nde Landesbehö­rden, Gremien und Verbände informiert worden. Zwar seien einige Mitteilung­en „relativ spät rausgegang­en“, allerdings: „Dass wir nicht jeden Musikalien­händler kennen, möge man uns verzeihen.“Dennoch sieht auch Böhmer ein: „Klar hätten wir mehr machen können. Eine Pressekonf­erenz wäre vielleicht eine Idee gewesen.“ Wie Andreas Dill mit dem Thema umgeht, sehen Sie in einem Video unter: www.schwaebisc­he.de/palisander

 ?? FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R ?? Seit knapp 30 Jahren betreibt Andreas Dill seinen Gitarrenla­den in Weingarten. Palisander ist auch in anderen Instrument­en verbaut, so etwa in Klarinette­n, Celli, Geigen, Blockflöte­n oder Xylofonen.
FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Seit knapp 30 Jahren betreibt Andreas Dill seinen Gitarrenla­den in Weingarten. Palisander ist auch in anderen Instrument­en verbaut, so etwa in Klarinette­n, Celli, Geigen, Blockflöte­n oder Xylofonen.

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