Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gegen Gaffer wird Anzeige erstattet
Unfall bei Merklingen: Polizei hat Personalien ermittelt – Bußgeld bis 1000 Euro möglich
- Mit ihren Handys haben mehrere Auto- und Lastwagenfahrer einen tödlichen Unfall am 6. Februar auf der A 8 bei Merklingen fotografiert und gefilmt (wir berichteten). Fünf dieser Gaffer konnte das Verkehrskommissariat Mühlhausen nun ermitteln. Die Behörde leitete ein Bußgeldverfahren ein.
Die Gaffer hatten Aufnahmen des „entstellten Leichnams eines Unfallbeteiligten“gemacht, teilte die Polizei auf SZ-Anfrage mit. Ein solches Verhalten kann Wolfgang Jürgens, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium Ulm, absolut nicht nachvollziehen: „Wie muss man veranlagt sein, um solche Bilder anzufertigen?“, fragt der Polizist.
Polizisten notieren sich Kennzeichen
Wie berichtet, war ein Lastwagenfahrer am 6. Februar bei einem Unfall auf der A 8 in Fahrtrichtung München bei Merklingen tödlich verletzt worden. Er hatte übersehen, dass sich der Verkehr vor ihm an der Anschlussstelle Merklingen staute. Der Fahrer krachte dem vorausfahrenden Lastwagen ins Heck. Dabei wurde er in seiner Kabine eingeklemmt und tödlich verletzt. Einige Verkehrsteilnehmer fotografierten und filmten den Unfall. Polizisten, die beim Einsatz vor Ort waren, notierten sich deren Kennzeichen und erstatteten nun Anzeige.
Von Schaulustigen spricht die Polizei, wenn die Beamten selbst oder andere Rettungskräfte durch Dritte an Unfallstellen behindert werden und eine Hilfeleistung durch das Verhalten der neugierigen Verkehrsteilnehmer erschwert oder gar verhindert wird. Solch ein Verhalten ist beispielsweise auch gegeben, wenn Zufahrtswege durch abgestellte Fahrzeuge blockiert werden. Gaffen beinhaltet zudem die Behinderung oder die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Dies ist etwa der Fall, wenn Autofahrer bewusst abbremsen, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, und dadurch den nachfolgenden Verkehr ins Stocken bringen, sagt Wolfgang Jürgens.
Die Folgen seien nicht zu unterschätzen: Den Unfallopfern könne dann zu spät oder womöglich gar nicht geholfen werden. Gaffer müssten durch ihr Verhalten mit Bußgeldern oder Strafverfahren rechnen. „Wer beispielsweise ohne ersichtlichen Grund an Unfallstellen deutlich zu langsam fährt oder Einsatzkräfte nicht passieren lässt und behindert, muss ein Bußgeld in Höhe von 20 bis 1000 Euro bezahlen“, betont Wolfgang Jürgens.
Er verweist darauf, dass für jeden Verkehrsteilnehmer die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gelten: Somit sei jeder grundsätzlich dazu verpflichtet, bei einem Unfall etwa die Unfallstelle zu sichern, den Notruf zu wählen oder Erste Hilfe zu leisten. „Kommt ein Schaulustiger dem nicht nach, kann er sich der unterlassenen Hilfeleistung verdächtig machen“, stellt Wolfgang Jürgens klar.
Wer Bilder oder Videos von einem Unfallort oder von Verletzten anfertigt, stelle dadurch die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau. Dann komme auch eine „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“infrage, ergänzt der Polizeisprecher. Dabei handele es sich ebenfalls um eine Straftat.
Kameras und Fotoapparate beschlagnahmen
Die Polizei kann Platzverweise gegen störende Personen aussprechen, deren Personalien aufnehmen und Verfahren gegen sie einleiten, informiert Wolfgang Jürgens weiter. „Außerdem werden, wenn notwendig, Kameras und Fotoapparate beschlagnahmt und Aufnahmen gelöscht.“