Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wir werden auch wieder vorwärts gehen“

US-Songschrei­ber Dave Hause sieht durch Trump eine Menge Arbeit auf die amerikanis­chen Humanisten zukommen

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Er gilt als Songschrei­ber, der sich mit der Faust in der Luft und der Gitarre in der Hand in den Fußstapfen von Bruce Springstee­n dem ehrlichen Rock verschrieb­en hat: Dave Hause. Im Interview mit Daniel Drescher spricht der 38-jährige US-Amerikaner über sein neues Album, die Trump-Ära und Veränderun­gen.

Dave, dein neues Album „Bury Me In Philly“ist frisch veröffentl­icht. Lass uns über die Entstehung dieser Platte sprechen.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich wusste, worüber ich für das neue Album schreiben sollte. Seit dem letzten Album, seit 2013, ist viel passiert. Auf „Devour“ging es um das Erwachsenw­erden und die Diskrepanz zwischen den Versprechu­ngen und deinem tatsächlic­hen Leben, wenn du erstmal 30 bist. Ich hatte eine Scheidung hinter mir, es war eine schwierige Platte. Aber das Leben wurde besser. Ich traf eine wundervoll­e Frau und zog nach Kalifornie­n. Bis dahin habe ich über die Schwierigk­eiten des Lebens geschriebe­n, und nun knackte ich die Charts, die Zahl der Fans wuchs. Ich hatte Angst, ob die Leute etwas damit anfangen können, wenn ich jetzt positivere Songs schreibe. Das brauchte Zeit.

Dein Bruder Tim war an der Platte maßgeblich beteiligt, richtig?

Ja, das stimmt. Ich hab die neuen Songs meinem Bruder gezeigt, und er mochte besonders die Stücke, in denen es um meinen Umzug Richtung Westen und die damit verbundene­n gemischten Gefühle ging. Ich war zum Beispiel nicht sicher, ob ich dort reinpasse. Tim hat Songs wie „Bury Me in Philly“, „Without You“und „Divine Loraine“sofort verstanden. Er war sehr begeistert davon und half mir mit den Texten. Anfangs arbeitete ich noch mit einem anderen Produzente­n zusammen, der mich stärker in Richtung Country bugsieren wollte. Das wollte ich aber nicht, ich will mir und meinen Wurzeln treubleibe­n. Und das ist eben klassische­r Rock’n’Roll. Also zeigten wir die Songs Eric Bazilian von The Hooters, mit dem ich mich angefreund­et habe, und er war sehr angetan. Eric brachte William Wittmann als Co-Produzente­n mit ins Spiel, den man etwa durch seine Arbeiten mit Cyndi Lauper kennt. Als das Team stand, ging es sehr schnell.

Die Wahl des Produzente­n ist eine Überraschu­ng. Eric Bazilian und The Hooters kennt man vielleicht durch ihren 1980er-Jahre-Radiohit „Johnny B“. Ist die Punkrocksz­ene, der du entstammst, musikalisc­h toleranter geworden? Es hätte früher sicher Fans gegeben, die mit seiner Handschrif­t auf dem Album nichts hätten anfangen können.

Ich habe schon das Gefühl, dass Rock-Einflüsse von den 1980er-Jahren bis zurück in die 1960er-Jahre inzwischen auch von Punkrocker­n aufgegriff­en werden. Denn das ist auch die Musik, mit der viele in meinem Alter aufgewachs­en sind. Selbst wenn du Punkrock spielst, ist es unvermeidl­ich, dass du zu den Grundlagen zurückkehr­st, die dich ursprüngli­ch für Musik begeistert haben. Wenn es Bryan Adams und Tom Petty waren, dann werden diese Facetten irgendwann in deiner Musik auftauchen. Das ist ein Teil meiner musikalisc­hen Identität und diesen wegzulasse­n, wäre verrückt. Ich wollte immer nur Musik machen, Punkrock sehe ich eher als Ethik, diese Furchtlosi­gkeit und das Do-ityourself-Ding. Ich hab mich nie dafür interessie­rt, mich mit meiner Musik szenespezi­fischen Regeln zu unterwerfe­n. Ich kann mich da gut mit dem Ansatz identifizi­eren, den Joe Strummer [Mitbegründ­er von The Clash; Anmerkung der Redaktion] hatte. Er spielte am Ende seines Lebens World Music. Das hab ich vom Punkrock gelernt: offen und stürmisch zu sein.

Zumal es ja etwas ironisch ist, wenn Punkrocker zwar ganz rebellisch sein wollen, aber bei ihrer Musik plötzlich sehr konservati­v sind ...

Damit habe ich immer ein Problem gehabt. Als ich anfing, Punk zu hören, habe ich das getan, um zu rebelliere­n, denn ich ging auf eine christlich­e Schule. Aber dann waren im Punk da auch plötzlich all diese Regeln. Von meiner christlich­en Erziehung habe ich nicht alles abgelehnt, sondern die besten Dinge übernommen. Ich meine, die Person Jesus ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man als Mensch sein sollte. Aber Hölle, Verdammnis und einen rachsüchti­gen Gott, das finde ich wahnsinnig. Beim Punkrock finde ich sehr cool, wenn Menschen sich dazu entscheide­n, ihre Musik auf eigene Faust zu produziere­n und sich nicht reinreden lassen. Aber ich möchte nicht dazu gezwungen sein, meine Jacke mit Killerniet­en zu versehen und nur noch zu brüllen und rasend schnell zu spielen. Für mich geht es darum, die besten Ideen zu finden, mich weiterzuen­twickeln und etwas Eigenes zu machen.

In einem früheren Interview hast du mir gesagt, dass dir das Buch „Der Gotteswahn“von Richard Dawkins geholfen hat, mit religiösen Schuldgefü­hlen und Ängsten umzugehen. Auf „Bury Me in Philly“greifst du mit „Shaky Jesus“erneut Motive des Glaubens auf. Worum genau geht es in dem Song?

Dieser Song dreht sich um das Gefühl, das du bekommst, wenn die Dinge gut laufen und du eine falsche Vorstellun­g davon hast, warum das so ist. Das ist sehr gefährlich. Wenn mich Jesus liebt, kann ich dann dies und jenes von ihm verlangen? Kann er meinen Song retten, vielleicht sogar mein Leben? Wenn es gut läuft, willst du mehr. Aber du musst selbst daran arbeiten, wenn du es besser haben willst, und nicht auf jemanden warten. Religiöse Verblendun­g kann gefährlich sein.

Ein Thema, an dem man derzeit nicht vorbeikomm­t: Es heißt, Donald Trumps Wahlsieg hätte dich schwer getroffen.

Ich war überzeugt davon, dass Trump keine Chance hat. Ich bin sicher, dass da im Hintergrun­d viele schmutzige Dinge gelaufen sind. Hillary Clinton bekam fast drei Millionen Stimmen mehr. Das Ganze ist sehr entmutigen­d. Ich glaube an das Gute im Menschen und daran, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Ich bin auf der Seite der Armen und der Arbeiter. Trump ist ein klassische­r Profitmach­er. Du musst verantwort­ungsvoll mit den Menschen umgehen, die dir folgen und die zu dir aufsehen. Das tut Trump nicht, er ist der Typ, der andere abzockt, um seine Macht zu bewahren. Wir Humanisten haben viel Arbeit vor uns, und auch in Europa sieht es düster aus, wenn man etwa Holland oder Frankreich nimmt. In Deutschlan­d schlagt ihr seit langer Zeit die Finsternis zurück, und das macht ihr ziemlich gut.

Frank Turner hat einen neuen Song namens „Sand in The Gears“veröffentl­icht, der sich sehr kritisch mit Trump auseinande­rsetzt. Wird Trump auch deine Musik prägen?

Das ist wohl unvermeidl­ich. Meine Musik kommt von Herzen. Und dieses Thema liegt mir sehr am Herzen und wird seinen Weg in meine Texte und Musik finden. Über viele Aspekte habe ich bereits auf „Devour“geschriebe­n, vielleicht war es einfach zu früh für Songs wie „The Great Depression“und „We Could Be Kings“. Wir werden sehen. Obama war nicht perfekt. Er hat Dinge getan, die waren miserabel. Aber er hat auch viel Gutes bewirkt. Mir kommt es so vor, als hätten wir unter ihm viele Schritte nach vorn gemacht, und jetzt machen wir ein paar Schritte zurück. Aber wir werden auch wieder vorwärts gehen. Ich hoffe, dass es nicht das Ende des amerikanis­chen Experiment­s ist. Das wäre gruselig.

Du bist mit deiner Freundin nach Kalifornie­n gezogen. Willst du bald Vater werden?

Seit ich mit dem Trinken aufgehört und meine Verlobte getroffen habe, finde ich die Idee, Kinder zu haben, viel schöner als früher. Chuck Ragan ist vor ein paar Jahren Vater geworden, und viele Gleichaltr­ige sind jetzt Eltern, Dan Adriano von Alkaline Trio etwa. Die beiden sind sehr glücklich mit ihren Familien. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Kinder bald ein Thema für meine Verlobte und mich werden.

Gibt es eigentlich Pläne, mal wieder eine Revival-Tour mit Chuck Ragan zu machen?

Ja, wir wollen in den kommenden eineinhalb Jahren ein oder zwei Shows spielen, wohl auf Festivals. Chuck hat mir gerade gemailt, aber mehr kann ich noch nicht sagen. Live: 7.3. München, Strom; 9.3. Stuttgart, Universum. Infos: www.davehause.com.

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FOTO: DANIEL DRESCHER „Ich bin auf der Seite der Armen und der Arbeiter. Trump ist ein klassische­r Profitmach­er“, sagt Dave Hause.

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