Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Russland feiert „First Lady des Kosmos“

Valentina Tereschkow­a wird 80 – Kosmonauti­nnen sind immer noch Seltenheit

- Von Thomas Körbel

MOSKAU (dpa) - „First Lady des Kosmos“und Raumfahrti­kone Russlands: Valentina Tereschkow­a, die erste Frau im Weltraum, hat in der Sowjetunio­n eine kommunisti­sche Vorzeigeka­rriere hingelegt. Heute sitzt sie für die Kremlparte­i Geeintes Russland im Parlament. Mehr als 50 Jahre nach ihrem historisch­en Flug gilt sie als lebende Legende. Doch trotz ihrer Pionierlei­stung spielen Frauen in der russischen Raumfahrt bis heute eine Nebenrolle. Am 6. März wird Tereschkow­a 80 Jahre alt.

Als die damals 26-Jährige am 16. Juni 1963 mit der Kapsel „Wostok 6“zu fast 49 Erdumrundu­ngen aufbricht, feiert die Sowjetunio­n sie als Volksheldi­n. Auf ihrem fast dreitägige­n Flug nähert sie sich auf wenige Kilometer an die Kapsel „Wostok 5“an, in der ihr Kollege Waleri Bykowski sitzt.

Es ist die Zeit, als die UdSSR im kosmischen Wettlauf gegen die USA Triumph an Triumph reiht: 1957 schickt sie den ersten Satelliten ins All; 1961 kreist Juri Gagarin als erster Mensch um die Erde. Die Erfolge beflügeln den Wettstreit der Supermächt­e im Kalten Krieg.

Doch was die Sowjet-Führung als „Beweis für die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er im Sozialismu­s“preist, bleibt lange Zeit eine Eintagsfli­ege. Zwar sind seit 1963 rund 60 Frauen ins All geflogen, aber nur vier Russinnen. Auch die Europäer steckten bislang nur drei Frauen in Raumanzüge, 46 Astronauti­nnen kommen aus den USA. Eine deutsche Astronauti­n gibt es bislang nicht.

Bis zum Flug von Swetlana Sawizkaja 1982 bleibt Tereschkow­a sogar die einzige Frau, die je die Erde verlassen hat.

„Natürlich bin ich enttäuscht“, sagte Tereschkow­a 2015 bei einer Weltraumau­sstellung in London darüber, dass Russland viel weniger Frauen ins All geschickt hat als die USA. „Aber ich denke, das Verhältnis zu spezialisi­erten Frauen wird sich ändern.“Mit einem Lächeln wendet sie sich dabei Agenturen zufolge an einen Vertreter der Raumfahrtb­ehörde Roskosmos: „Haben Sie mich gehört?“

Zwar flog zuletzt 2014 die Russin Jelena Serowa zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS, aber Moskauer Experten kritisiere­n, dass die Arbeit im All noch immer Männerdomä­ne ist. „Es ist eine Sache, Frauen die Sterne zu verspreche­n, aber eine völlig andere, ihnen zu erlauben, die Sterne zu erobern“, kommentier­t der Journalist Sergej Leskow.

„Raumfahrt ist nichts für Frauen“, meinte die Raumfahrtl­egende Alexej Leonow noch vor wenigen Jahren. Der Russe war 1965 als erster Mensch aus seinem Raumschiff an einer Sicherheit­sleine ins All geschwebt. Schon Tereschkow­as Flug habe gezeigt, dass Frauen dem Kosmos physisch nicht gewachsen seien, sagte er und spielte damit auf angebliche Gesundheit­sprobleme seiner Kollegin im All an.

Bester Gegenbewei­s sind die 46 US-Astronauti­nnen mit Peggy Whitson an der Spitze. Die 57-jährige Biologin arbeitet derzeit auf der ISS und stellt mit ihrem dritten Raumflug Rekorde auf: als älteste Frau im All und als Frau – und nach ihrer für Mai geplanten Rückkehr zur Erde auch als US-Bürger – mit dem längsten Weltraumau­fenthalt.

Tereschkow­a blieb ein zweiter Raumflug verwehrt. Dennoch wird sie sowohl in der Sowjetunio­n als auch im heutigen Russland für ihre Leistung verehrt. Die Staatsduma plant zu ihrem Geburtstag ein Fest.

Dabei war Tereschkow­as Weg zu den Sternen nicht vorgezeich­net. Geboren 1937 in einem Dorf im Gebiet Jaroslawl an der Wolga, wächst sie ohne Vater auf. Er war im Krieg gefallen. Als engagierte Jungkommun­istin arbeitet sie zunächst in einer Textilfabr­ik. Doch will sie sich damit nicht begnügen. „Ich wollte dem Himmel nahe sein. Daher begann ich mit Fallschirm­springen“, erinnert sie sich.

Von Chruschtsc­how protegiert

An einer Abendschul­e bildet sie sich als Technikeri­n fort und bewirbt sich für das erste Team weiblicher Kosmonaute­n. Dass sie bei der Auswahl für den Flug den Vorzug gegenüber vier Kolleginne­n erhält, hängt auch an ihrem Vorzeigepr­ofil als „einfache sowjetisch­e Frau“. Kremlchef Nikita Chruschtsc­how soll sie protegiert haben, heißt es.

Zu Sowjetzeit­en steigt Tereschkow­a zur ranghohen Funktionär­in auf. Seit 2011 ficht die wertkonser­vative Frau mit der schwungvol­len Föhnfrisur in der Staatsduma für die Sache von Präsident Wladimir Putin. Ehrerbieti­g schlug sie 2016 vor, dem Kremlchef zum 64. Geburtstag einen Korb Rosen zu schicken.

Noch im hohen Alter würde Tereschkow­a am liebsten wieder ihren Funkcode „Tschaika“(Möwe) von einst aus dem All zur Erde senden. „Ich war bereit, mein Leben der Raumfahrt zu opfern, und ich bin es noch immer“, sagt sie. Der Mars mit seinen Rätseln und Mythen habe sie seit jeher fasziniert, sagt sie der Zeitung „Komsomolsk­aja Prawda“zufolge 2016. „Ein Flug zum Roten Planeten – das war der Traum der ersten Kosmonaute­n“, sagt sie. „Ach, wenn ich es doch machen könnte! Ich wäre bereit zu fliegen – auch ohne Rückkehr!“

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FOTOS: IMAGO, DPA alentina Tereschkow­a gilt als Pionierin, doch außer ihr sind bislang nur drei weitere Russinnen ins All geflogen.
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Valentina Tereschkow­a

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