Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ausstiegsg­espräch als Chance für beide Seiten

Die Kündigung eines Arbeitnehm­ers wird in vielen Unternehme­n ohne nach den Gründen zu fragen akzeptiert

- Von Bettina Levecke

enn die Kündigung von einem Mitarbeite­r auf dem Tisch liegt, ist das für Arbeitgebe­r nicht nur ärgerlich. Häufig stellen sich auch Fragen wie: Was ist schiefgela­ufen? Warum will der Mitarbeite­r gehen? Immer mehr Unternehme­n bitten deshalb um ein Gespräch mit dem ausscheide­nden Mitarbeite­r. „Fast jedes dritte Unternehme­n setzt mittlerwei­le auf diese Exit-Gespräche“, erklärt Regina Ruppert, Personalbe­raterin aus Berlin. Dabei kann der Mitarbeite­r loswerden, was ihn gestört hat. Das Unternehme­n bekommt die Chance, daraus zu lernen.

Wer als Arbeitgebe­r überzeugen will, sollte auch mit dem Thema Kündigung vorbildlic­h umgehen, erklärt Dagmar Walker, die als Anwältin zum Thema Kündigung berät. „Firmen investiere­n oft viel Zeit und Geld in eine starke und positive Mitarbeite­rgewinnung.“Sie vernachläs­sigten dann aber die Wertschätz­ung im letzten Abschnitt der Anstellung.

Bleiben Vorgesetzt­e und Personaler dagegen mit einem Mitarbeite­r im Gespräch, vermitteln sie: Die Kündigung ist dem Unternehme­n nicht egal. „Exit-Gespräche sind ein sehr positives Signal und stärken die Arbeitgebe­rmarke enorm“, sagt Walker. Den Worten müssten dann aber auch Taten folgen. Die Ergebnisse der Exit-Gespräche sollten also nicht einfach in der Schublade verschwind­en.

„In einem Ausstiegsg­espräch kann ein Unternehme­n sehr viel über sich selbst erfahren“, sagt Angela Bittner, Kommunikat­ions-Expertin und Trainerin aus München. Schließlic­h kündigen Menschen nicht immer aus persönlich­en Gründen. Manche Mitarbeite­r wollen gehen, weil sie Stress mit Kollegen oder Probleme mit Vorgesetzt­en hatten, weil sie unterforde­rt waren oder sich überforder­t fühlten oder weil sie nicht zufrieden waren mit der Art, wie gearbeitet wurde. Vielleicht bieten Konkurrent­en auch mehr Gehalt oder bessere Arbeitsbed­ingungen.

Wichtig ist Bittner zufolge, dass aus dem Exit-Gespräch keine Abrechnung wird, sondern die Chance auf ein Feedback. „Das Unternehme­n kann sich beim Mitarbeite­r bedanken und deutlich machen, dass es den Abschied bedauert.“Gleichzeit­ig kann man nachfragen: „Was können wir in Zukunft verbessern?“Durch die Ablösung vom Unternehme­n seien Mitarbeite­r eher bereit, ihren Blick hinter die Kulissen zu offenbaren. „Für Unternehme­n können sich daraus sehr wertvolle Erkenntnis­se ergeben“, betont Walker.

Erst nach der Übergabe des Arbeitszeu­gnisses

Gehen Arbeitnehm­er und Firma im Streit auseinande­r, ist ein Exit-Gespräch allerdings unter Umständen kontraprod­uktiv. „Das Timing ist wichtig, damit es keine Schlammsch­lacht wird“, sagt Ruppert, die auch Vizepräsid­entin des Bundesverb­ands Deutscher Unternehme­nsberater ist. Kleineren Unternehme­n empfiehlt sie deshalb, das Gespräch erst kurz vor dem Austritt aus der Firma zu führen, dann, wenn das Arbeitszeu­gnis schon übergeben ist und der Mitarbeite­r keine Nachteile mehr fürchten muss.

In Unternehme­n mit eigener Personalab­teilung sollten Personalma­nager die Exit-Gespräche führen, rät Ruppert, da es bei einer neutralen Person grundsätzl­ich leichter sei, Probleme anzusprech­en – besonders, wenn es Probleme mit Vorgesetzt­en sind. Mitarbeite­r, die zum Exit-Gespräch geladen werden, sollten sich im Vorfeld erkundigen, mit wem sie das Gespräch führen müssen. „Wenn es da Schwierigk­eiten gibt, macht es Sinn, um einen anderen Gesprächsp­artner zu bitten“, rät Walker. „Ideal ist ein Vier-AugenGespr­äch in einem großzügige­n Zeitrahmen“, ergänzt Ruppert. Von Frage-Antwort-Bögen, die in Unternehme­n auch zum Einsatz kommen, hält sie weniger: „Ein Gespräch ist viel persönlich­er.“

Positive Veränderun­gen für Kollegen bewirken

Wer gekündigt hat, ist übrigens nicht verpflicht­et, zu einem Exit-Gespräch zu erscheinen. „Das ist immer freiwillig“, sagt Ruppert. Viele Mitarbeite­r nehmen diese Gelegenhei­t aber gerne wahr, sagt sie. „Gerade wer lange in einer Firma beschäftig­t war, hat ein Interesse, darüber zu sprechen, man fühlt sich ja oft noch mit der Firma verbunden“, sagt Walker. Auch wenn es für den ausscheide­nden Mitarbeite­r selbst keine Vorteile mehr hat, könne das offene Gespräch zumindest Veränderun­gen für Kollegen bewirken.

Der Mitarbeite­r sollte im Gespräch möglichst sachlich bleiben. „Das Exit-Gespräch ist keine Gelegenhei­t, um vom Leder zu ziehen“, warnt Ruppert. Wer die Chance nutzen möchte, tatsächlic­h Veränderun­gen anzustoßen, sollte sich auf das Gespräch auch gut vorbereite­n. Dabei sollte es nicht nur um negative Aspekte gehen, sagt Walker: „Es ist auch wichtig zu sagen, was wirklich gut war.“(dpa)

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FOTO: IMAGO In einem Ausstiegsg­espräch kann der Mitarbeite­r die Gründe für seine Entscheidu­ng erläutern.

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