Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Brezel-Fans sehen einen Kult in Gefahr

In München oder Stuttgart ein absurder Gedanke: Die Stiftung Warentest rät zum häuslichen Aufbacken von tiefgefror­enen Exemplaren des Laugengebä­cks

- Von Cordula Dieckmann

(lby) - In Bayern gibt es einen wichtigen Dreiklang, den sogar schon der frühere US-Präsident Barack Obama genießen durfte: Weißwurst, Brezel, Weißbier. Ausgerechn­et um die Brezel wird nun in den sozialen Netzwerken diskutiert. Denn die Stiftung Warentest hat das Laugengebä­ck getestet, frisch vom Bäcker ebenso wie tiefgekühl­t für den Ofen zu Hause. Das Ergebnis: „Lieber selbst aufbacken“. Eingekauft wurden die Brezeln allerdings nicht bei kleinen Bäckermeis­tern etwa in München, Nürnberg oder Stuttgart, sondern bei Discounter­n und großen Ketten. In den sozialen Netzwerken reagierten Liebhaber des Laugengebä­cks empört, vor allem aus Bayern oder Baden-Württember­g. Der Bayerische Rundfunk sprach bei Facebook gar vom #brezngate.

Getestet habe man wohl „nördlich des Brezeläqua­tors“, kommentier­te ein offensicht­lich aus Schwaben stammender Nutzer die Meldung auf der Facebookse­ite der „Süddeutsch­en Zeitung“. „Also an a gscheide Brezel vomma reachda schwäbisch­a Beck kommt koin Tiefkühlgr­uschd no.“Und auch bayerische BreznFans reagierten empört: „Müssen wir uns jetzt schon von Preissn sagen lassen, wie eine gute Brezel zu sein hat?!!!“.

Dass die Tester nicht Produkte lokaler Handwerksb­etriebe wählten, hat einen simplen Grund: Leser von Stiftung Warentest sollen die Waren überall in Deutschlan­d kaufen können. Und das bieten eben nur große Ketten, die in Massen produziere­n. „Da nützt es nichts, wenn wir nur einen kleinen Bäcker in Stuttgart oder München haben“, erklärt Projektlei­terin Charlotte Granobs und räumt ein: „Das tut uns auch schon irgendwie leid, dass wir die kleinen Handwerksb­etriebe nicht testen können, weil die Marktbedeu­tung zu gering ist.“

Brezel, Brezn, Breze

Doch was macht eine gute Brezel aus? Da ist man schon mittendrin in einer Art Glaubenskr­ieg, zumal Schwaben und Bayern die Erfindung jeweils für sich reklamiere­n. Ein dickerer Bauch und dünne, knusprige Ärmchen, so lieben schwäbisch­e Kunden ihre Brezel (mit l!). An den Brezeln im übrigen Südbayern dagegen schätzen viele eine resche Kruste im Mittelteil und etwas dickere „Bratzerl“, also Ärmchen. Die „Bayerische Breze“genießt sogar EUrechtlic­hen Markenschu­tz. Jörg Hurler weiß, was schmeckt. Sein Betrieb in Günzburg-Leinheim in BayerischS­chwaben war beim Bayerische­n Staatsehre­npreis schon zwei Mal unter den 20 besten Bäckereien im Freistaat. „Die Gratwander­ung bei einer Brezel ist, dass sie außen knusprig ist und innen zart und nicht trocken“, erklärt der Meister. Dazu braucht es vor allem eine Zutat, die Industrieb­äckereien meist nicht haben: Zeit.

„Die müssen viel mehr Chemie reinhauen als ein guter Handwerksb­äcker“, sagt Hurler. „Die Teigruhe bringt selber die Enzyme zum Wirken, die naturgegeb­en im Mehl drin sind.“Er nimmt sich zwei Tage Zeit. „Wir machen schon am Vortag die Teiglinge, die ruhen dann über Nacht und reifen“, sagt Hurler. Dann kommen sie in die Gare und liegen noch mal mehrere Stunden, bevor sie gebacken werden. Doch egal ob dick, dünn, saftig oder knusprig, viel oder wenig Salz: Die Vielfalt macht den Reiz echter Bäckerbrez­eln aus, sind sich alle einig. „Wenn Sie in Stuttgart zehn Handwerksb­etriebe aufsuchen, schmeckt die Brezel überall unterschie­dlich“, meint Andreas Kofler vom Landesinnu­ngsverband für das Württember­gische Bäckerhand­werk in Stuttgart. Kein Wunder, dass jeder auf seinen Lieblings-Stammbäcke­r schwört und fest überzeugt ist, nur dort gebe es die einzig wahre Breze. „Die Brezel ist in München eine Philosophi­e“, meint deshalb auch Bayerns Landesinnu­ngsmeister Heinz Hoffmann.

Die wahre Qualität von Brezeln zeigt sich nach Meinung von Experten ohnehin erst nach einiger Zeit. „Frisch schmeckt alles“, sagt Wolfgang Filter vom Landesinnu­ngsverband Bayerische­s Bäckerhand­werk in München. Industriel­l gefertigte Brezeln oder tiefgekühl­te Aufbackbre­zen würden aber mit der Zeit trocken. „Ich möchte behaupten, dass dann der Qualitätsu­nterschied ein ganz anderer ist“, sagt Filter. „Wir können es mit der Tiefkühlbr­ezel allemal aufnehmen.“

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FOTO: DPA Außen knusprig und innen zart soll eine Brezel sein.

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