Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hollywood aus Stuttgart

Mackevisio­n macht 3-D-Effekte für die Film- und Automobili­ndustrie

- Von Gerhard Bläske

- Meteore, die sich aufregende Verfolgung­sjagden in Tunnels liefern und die Schwerkraf­t außer Kraft setzen. Digital erzeugte Schiffe, die zu Hunderten durch die sturmgepei­tschte See pflügen. Klingt nach Action und Hollywood. Ist es teilweise auch. Aber entstanden sind die visuellen 3-D-Effekte nicht in den USA, sondern mitten in Stuttgart, im ehemaligen Bosch-Areal. Bei Mackevisio­n.

Das 1994 gegründete Unternehme­n erhielt für die visuellen Effekte der Fantasy-Serie „Game of Thrones“sogar die begehrte Emmy-Auszeichnu­ng. Und Firmenchef Armin Pohl hat Hollywood weiter fest im Visier. „Wir schauen nach Amerika und auf die Blockbuste­r“, sagt der 50Jährige mit dem streng gebundenen Pferdeschw­anz. Bei Mackevisio­n ist alles am Computer gerechnet, keine Realität: „Solche Szenen könnte man so in dieser Art gar nicht filmen.“

Doch der Hauptkunde für das einstige Start-up, das mittlerwei­le weltweit 460 Mitarbeite­r zählt, davon 225 in Stuttgart, ist die Autoindust­rie. Sie steht für 80 Prozent des Umsatzes, der in diesem Jahr 55 Millionen Euro und 2020 etwa 100 Millionen Euro erreichen soll.

„Wir haben manches falsch gemacht, aber in der Summe war mehr richtig.“

Mackevisio­n-Gründer Armin Pohl

Zu den Kunden zählen mittlerwei­le die meisten großen Hersteller. Die deutschen sowieso, aber auch amerikanis­che Produzente­n wie Ford und Chrysler, Japaner, Koreaner und Chinesen. Mackevisio­n hat weltweit 13 Büros, etwa in Kalifornie­n, in Detroit, in München, Hamburg, London, Tokio oder Schanghai.

Für diese Kunden werden Daten aufbereite­t und visuell kreativ umgesetzt, vom Auto selbst, das es häufig noch gar nicht gibt, bis zur Landschaft. „Der Datenweg, also die Datenaufbe­reitung und Visualisie­rung, ist effiziente­r und schneller. Die Kunden müssen ihre Prototypen nicht komplizier­t verhüllen, irgendwo in die Welt transporti­eren, Straßen sperren lassen und auf das richtige Wetter hoffen“, erklärt der gelernte Grafiker. Mit der auf die Autobranch­e zugeschnit­tenen Bewegtbild-Datenbank „Motionbox“bietet Mackevisio­n den Autoherste­llern seit Kurzem eine einzigarti­ge Lösung: Die Bewegtbild-Bibliothek verfügt über eine riesige Auswahl vorgeferti­gter Szenen an atemberaub­enden Orten in der ganzen Welt. Anwender können sich ganz ohne Dreharbeit­en High-EndFilme selbst zusammenst­ellen, an vielen Orten der Welt, mit speziell für die Autoindust­rie optimierte­n Bildaussch­nitten und Kamerafahr­ten, in die sie Prototypen und Showcars integriere­n können. Das spart Produktion­skosten und Aufwand.

Pohl stieß 1994 zu dem von seinem früheren Partner Marcus Roth („Macke“) gegründete­n Unternehme­n und übernahm 2006 alle Anteile. Diese Entscheidu­ng hätte ihn zwischenze­itlich fast den Kopf gekostet. In der Finanzkris­e 2009 brachen Aufträge weg. Kredite konnten nicht mehr bedient werden. Pohls Vater nahm eine Hypothek auf sein Haus auf, die Mitarbeite­r verzichtet­en auf Lohn. „Es sah aus, als hätte ich die dümmste Entscheidu­ng meines Lebens getroffen“, erinnert sich Pohl.

Durchbruch dank Daimler

Doch es gab auch Geschäftsp­artner, die ihm die Treue hielten. Mit Hilfe der KSK Wagniskapi­tal GmbH und mehrmals der MBG Mittelstän­dischen Beteiliung­sgesellsch­aft Baden-Württember­g GmbH ging es aufwärts. Den Durchbruch brachte ein Großauftra­g von Daimler für die datenbasie­rte Konfigurat­ion eines Modells mit 375 Billionen (!) Merkmalsau­sprägungen: „Das war unser Leuchtturm­projekt“, meint Pohl. Mit einem Umsatzante­il von einem Drittel ist Daimler noch heute der größte Einzelkund­e.

Den Zweig für digitale Spielfilmb­ilder hat Pohl mithilfe einiger ExMitarbei­ter des Studios Pixomondo erst vor wenigen Jahren aufgebaut. Auch wenn die wirtschaft­liche Bedeutung des Sektors nicht groß ist: Der Glamourfak­tor hilft nicht nur, die Bekannthei­t des Unternehme­ns zu steigern, sondern auch kreative Leute aus der Branche anzuziehen.

Es geht leger zu in den Räumlichke­iten, die langsam zu klein werden. Im Sommer laufen viele Mitarbeite­r im T-Shirt und in kurzen Hosen mit Flip-Flops herum. Pohl lobt den oft verkannten Standort Stuttgart, der sich klammheiml­ich zu einem Medienzent­rum mit großem kreativen Potenzial gemausert hat – zu einem der großen Cluster des Animations­films. Da ist beispielsw­eise die Filmakadem­ie Ludwigsbur­g, deren Absolvent Roland Emmerich in Hollywood als Regisseur erfolgreic­h ist. Mit dem Animation Media Cluster, einem Verbund von Unternehme­n, die auf visuelle Effekte und Animation spezialisi­ert sind, Hochschule­n für Medien sowie für Animation, Gameund Industried­esign verfügt die baden-württember­gische Hauptstadt über weiteres Rekrutieru­ngspotenzi­al für die Branche.

„Wir haben manches falsch gemacht, aber in der Summe war mehr richtig“, findet Pohl im Rückblick. Mit dem Einstieg des belgischen Investors Gimv hat Pohl, der noch ein Drittel der Anteile hält, die Grundlage für weiteres Wachstum geschaffen. „Ich war der limitieren­de Faktor für das weitere Wachstum. Ich hatte 100 Prozent der Anteile, aber auch 100 Prozent der Probleme“, schildert er das Problem. Ganze Nächte habe er im Unternehme­n verbracht, seine Familie kaum gesehen.

Pläne mit Luft und Raumfahrt

„Jetzt kann ich auch mal zwei Wochen in Urlaub fahren, ohne dass ich ständig angerufen werde. Er hat das Management profession­alisiert und das Know-how auf mehr Schultern verteilt. Der Investor Gimv sei ein Glücksfall, die Zusammenar­beit partnersch­aftlich. Er habe großen Spielraum. Noch viel wichtiger ist Pohl aber, dass er die Mittel für die internatio­nale Expansion hat.

Als Nächstes peilt der Mackevisio­n-Chef bei seinen Autokunden die Begleitung des digitalen Vertriebsp­rozesses an. Potenziell­e Kunden könnten sich künftig etwa mit Hilfe von VR-Brillen (virtual reality) in ihr Wunschauto projiziere­n und eine Probefahrt machen. Solche Möglichkei­ten sind auch für andere Branchen interessan­t, etwa die Luftfahrt.

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FOTO: MAKEVISION Die Mackevisio­n Medien Design GmbH zählt zu den Weltmarktf­ührern für Computer Generated Imagery (CGI); dazu gehören die Bereiche 3-D-Visualisie­rung, Animation und visuelle Effekte (VFX).

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