Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alte und neue Medien verzahnen
Thema Lesen: Der Medienwissenschaftler Stefan Salamonsberger am Kreisgymnasium
– Das Kreisgymnasium Riedlingen widmete einen ganzen Tag dem Lesen und hatte dazu als Referenten den Buch- und Medienwissenschaftler Stefan Salamonsberger engagiert. Ziel des pädagogischen Tages war, das Schulprofil bei der Vermittlung und Herstellung der Lesekompetenz der Schüler zu stärken. Neben den Lehrern und Eltern waren auch sie dazu eingeladen.
Die Öffentlichkeit war am Abend ins Atrium der Schule zu einem Vortrag geladen. Schulleiter Oberstudiendirektor Georg Knapp erinnerte dabei an das „Aufreger-Thema“, dass in Baden-Württemberg die Lesekompetenz zurückgefallen ist. Getestet worden waren Neuntklässler. „Die Zeichen stehen auf Sturm, was die Lesekompetenz anbelangt“, stellte er fest und zeigte sich bestürzt, dass sich im europäischen Raum 20 Prozent der Bevölkerung völlig vom Lesen entfernt hätten, Tendenz steigend. Es bestehe dringender Handlungsbedarf.
Wie dieser Lesemüdigkeit begegnet werden kann und vor allem, wie die Zukunft des Lesens aussieht, waren die Themen des Abends. Salamonsberger bezog in seinem lebhaft gehaltenen Vortrag seine Zuhörer immer wieder mit ein, ließ sie Fotos betrachten und erkunden, was bei der Aufnahme dokumentiert wurde: Kleinkinder, die mit einer älteren Frau ein Bilderbuch betrachten; Kindergartenkinder, die einen Euro erhalten hatten und damit in einer Buchhandlung ein Büchlein kaufen konnten; Jugendliche, die mit ihrem Handy zugange sind und zwar auf Pokemon go-Jagd. Und schließlich der Umgang mit Tablets, der vieles ermöglicht, auch das Lesen.
Donald Duck als Einstieg
Donald Duck-Comics führten ihn zum Lesen, verriet der junge Mann, der seit 2005 beruflich mit dem Lesen zu tun hat. Er ist Mitglied im Bundesverband „Lesen fördern“und betreibt als Leiter des Teams von „Abenteuer Buch“Lese- und Medienförderung – und dies in kreativer Form, was er auch am Mittwoch bewies. Er lese viel, Mails, Nachrichten in verschiedenen Netzwerken, doch sei dies nicht sein Verständnis von Lesen, ließ er seine Zuhörer wissen. Zum Leser werden heiße nicht Quantität des Lesens, sondern Qualität. Hier gehe es um Literatur. Die dominierenden Anregungen zum Lesen kämen aus dem sozialen Umfeld: Familie, Schule, Freunde, Bibliothek, Deutschlehrer, Ausbildung, Beruf. Auch in den Kindergärten passiere hier sehr viel. Warum wir lesen? Aus Neugierde, zur Unterhaltung, aus Interesse, zur Information, um Spaß zu haben, Spannung.
„Was heißt Digitalisierung?“, fragte er das Publikum ab. Rationalisierung, Automatisierung, elektronisch aufgearbeitete Informationen waren Antworten, die Integration vieler Daten, Verknüpfungen. „Wir wissen nicht, was drunter passiert“, führte Salamonsberger aus. Dass digitale Medien aus einem Buch dank interaktiver Grafik, Videos oder einem Hörspiel eine multimediale Geschichte machen und damit mehr als ein Buch bieten können, führte er aus. Der Nutzer werde zum Sender und zum Empfänger; er sei nicht allein Konsument, sondern auch Produzent. Medizinischen Sachbüchern würden hier enorme Möglichkeiten eröffnet.
Anhand von Statistiken zeigte er auf, dass 2016 seit langem der größte Zuwachs bei der Internetnutzung registriert wurde. Das Smartphone habe das Laptop als häufigstes Internet-Gerät abgelöst, weil überall nutzbar und das zu günstiger gewordenen Preisen. Verwendet werde es zu Kommunikation, aber auch zu Transaktionen.
Lesen in der Zukunft wird sich vorrangig digital abspielen, prophezeite er. In einer Präsentation zeigte er auf, dass sich darauf auch renommierte
Stefan Salamonsberger
Verlage einstellen. Digital ist nicht nur das Lesen möglich, sondern auch das Beurteilen eines Buches und der Austausch darüber und nicht zuletzt die Erstellung von Statistiken. Eine davon besagte, dass lediglich drei Prozent der Leser ein bestimmtes Buch von der ersten bis zur letzten Seite gelesen haben. Als ein Phänomen, das stark zugenommen habe, bezeichnete Salamonsberger Buchblogger, die häufig sehr kreativ seien. Sie stellten Bücher im Netz vor, vermittelten Inhaltsangaben, gäben Kommentare ab und ermöglichten die Chance, sich dazu zu äußern. „Das könnte die Zukunft des Buches sein“.
„Lesen in der Zukunft wird sich vorrangig digital abspielen.“
Angebote schaffen
In den Workshops, die tagsüber stattfanden, ging es um praktische Leseerfahrungen für Unterstufenschüler. Es wurde der Frage nachgegangen, was beim Lesen passiert. Methodische Aspekte zur Förderung der Lesekompetenz wurden beleuchtet, ihre Einordnung als Bildungsstandard.
Als große Herausforderung für Schulen und Lehrkräfte erkennt Salamonsberger darin, dem Medienverhalten von Schülerinnen und Schülern offen zu begegnen und Angebote zu schaffen, die alte und neue Medien miteinander verzahnen.