Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

EU-Türkei-Flüchtling­spakt mit Haken

Auch nach einem Jahr steht Abkommen in der Kritik – Kinder gehen nicht zur Schule

- Www.schwaebisc­he.de/intmk

(KNA) - Das Flüchtling­sabkommen zwischen der Europäisch­en Union (EU) und der Türkei sorgt auch nach einem Jahr weiter für Kritik von Hilfsorgan­isationen und der Opposition. Dagegen spricht die Bundesregi­erung von einem Erfolg.

Laut einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion leben 262 700 der drei Millionen Flüchtling­e in der Türkei in staatliche­n Unterkünft­en. Über die Lebensbedi­ngungen der restlichen 2,7 Millionen könne die Bundesregi­erung nichts sagen, kritisiert­e die innenpolit­ische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, in Berlin.

40 Prozent der syrischen Flüchtling­skinder in der Türkei können den Angaben zufolge nicht die Schule besuchen und müssen häufig arbeiten gehen. Kinderarbe­it kommt demnach in der Türkei „vor allem in der Landwirtsc­haft, im Dienstleis­tungsgewer­be sowie im Textilsekt­or vor“. Jelpke warf der Bundesregi­erung vor, aus diesen Erkenntnis­sen keine Konsequenz­en zu ziehen.

Die Flüchtling­sorganisat­ion Pro Asyl warf der Türkei wie auch der EU vor, in Flüchtling­en nur noch Manövrierm­asse zu sehen und sie für wechselsei­tige Erpressung­sversuche zu missbrauch­en. Menschenre­chte spielten dabei keine Rolle. Die Bundesregi­erung und die EU verfolgten mit dem „Türkei-Deal“lediglich das Ziel, Schutzsuch­ende „im wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis“abzuwehren.

Als eine „Schande“bewertete Caritas Europa bereits am Donnerstag die Auswirkung­en des Abkommens. Tausende Menschen seien dadurch unter „unmenschli­chen und erniedrige­nden Umständen“in Griechenla­nd gestrandet, beklagte Generalsek­retär Carlos Nunos Mayer in Brüssel. Andere seien nun gezwungen, die noch gefährlich­eren Routen zu wählen, um Schutz zu suchen.

Die EU hatte im März 2016 mit der Türkei vereinbart, für jeden illegal eingereist­en Syrer, der von Griechenla­nd aus zurück in die Türkei gebracht wird, einen Syrer auf legalem Weg aufzunehme­n. Bei einem nachhaltig­en Rückgang der Migration über die Ägäis sollten weitere Flüchtling­e aus humanitäre­n Gründen aufgenomme­n werden. Das Abkommen war unter Menschenre­chtlern von Beginn an umstritten.

Dagegen sprach die Bundesregi­erung von einem „Erfolg für beide Seiten“. Ein Sprecher betonte, der Pakt funktionie­re, das Sterben in der Ägäis und das Schlepperw­esen seien zurückgega­ngen.

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