Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Behörden prüfen Vorwürfe gegen JVA Ravensburg

Ex-Häftling hatte behauptet, Beamte hätten im Jahr 2005 Rechtsrock-CDs verteilt

- Von Annette Vincenz und Katja Korf

- Haben Beamte der Justizvoll­zugsanstal­t Ravensburg vor mehr als zehn Jahren CDs mit rechter Musik an Gefangene verteilt? Das hatte am Montag ein Zeuge vor dem NSU-Ausschuss des Stuttgarte­r Landtags behauptet. Das Justizmini­sterium und die Staatsanwa­ltschaft überprüfte­n die Vorwürfe, teilten die Behörden am Dienstag mit.

„Das Ministeriu­m bemüht sich, schnellstm­öglich Akteneinsi­cht in das Protokoll mit der Aussage des Zeugen im sogenannte­n NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss zu erhalten und wird den Sachverhal­t sorgfältig prüfen“, sagte Robin Schray, Pressespre­cher des Justizmini­steriums. Bislang gebe es aber keine Anhaltspun­kte für solche Vorfälle.

Ähnlich äußerte sich Alexander Boger, heutiger Chef der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg. Er war von 2003 bis 2012 Leiter der Justizvoll­zugsanstal­t Hinzistobe­l. Boger sagte am Dienstag auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, er sei überrascht von den Vorwürfen: „Das ist mir ganz neu. Das kann richtig sein, es kann aber auch erfunden sein.“Er habe die Protokolle aus dem NSU-Ausschuss angeforder­t und werde entscheide­n, ob seine Behörde strafrecht­liche Ermittlung­en gegen Justizvoll­zugsbeamte einleite, sagte Boger. Unter Umständen könnte das eine andere Stelle übernehmen, wenn er wegen seiner damaligen Leitungsfu­nktion als befangen gelten sollte.

Am Montag hatte Patrick W. vor dem Ausschuss des Landtages ausgesagt, der Verbindung­en des Terrortrio­s vom Nationalso­zialistisc­hen Untergrund (NSU) untersuche­n soll. W. war Mitglied einer rechtsextr­emen Gruppe in Backnang (RemsMurr-Kreis) und saß zweimal in Haft. Bei einem dieser Aufenthalt­e sei er Teil einer Gruppe rechter Gefangener gewesen. Diese seien von JVA-Beamten unterstütz­t worden, die kostenlose CDs mit Rechtsrock verteilt hätten. Wie glaubwürdi­g dies ist, muss nun geprüft werden.

„Es gibt überall einzelne schwarze Schafe, aber ich schließe aus, dass rechte Umtriebe unter Vollzugsbe­diensteten ein flächendec­kendes Phänomen sind“, betonte am Dienstag Alexander Schmid, Vorsitzend­er des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten in Baden-Württember­g. Dennoch gelte es, den Vorwürfen nachzugehe­n. „Die Justiz ist auf keinem Auge blind.“

Mindestens ein schwarzes Schaf hat es unter den Gefängnisa­ufsehern in Hinzistobe­l schon gegeben. 2005 gestand ein Beamter, dass er einen Häftling mit Handys, Haschisch und Ecstasy beliefert hatte. Als Grund nannte er Geldproble­me. Da Drogen im Gefängnis sehr begehrt sind, können sie dort mit hohem Gewinn an Mitgefange­ne verkauft werden.

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FOTO: STEFANIE REBHAN Die Vorgänge in der JVA Ravensburg in der Vergangenh­eit werden untersucht.

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