Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vom Terroristen zum geachteten Staatsmann
Martin McGuinness, früherer IRA-Führer und ehemaliger nordirischer Vize-Regierungschef, ist im Alter von 66 Jahren verstorben. In rascher Abfolge kondolierten am Dienstag der Präsident von Irland, Michael Higgins, ebenso wie die Regierungschefs Großbritanniens und Irlands. Sie drückten die Wertschätzung aus, die McGuinness auf der grünen Insel und weit darüber hinaus genoss.
„Das Nordirland-Friedensabkommen wäre niemals zustande gekommen ohne McGuinness’ Führung, Mut und ruhiges Beharren darauf, dass die Vergangenheit nicht die Zukunft bestimmen sollte“, würdigte der britische Ex-Premierminister Tony Blair den Beitrag von McGuinness zum Friedensprozess, der 1998 in das Karfreitagsabkommen von Belfast mündete.
McGuinness hatte erstmals als Vize-Kommandeur der katholisch-republikanischen Terrortruppe IRA in seiner Heimatstadt Derry/Londonderry von sich reden gemacht, da war er 21. Ein Jahr später, 1972, ließ ihn die britische Regierung zu Geheimverhandlungen nach London fliegen; der Geheimdienst MI5 beschrieb McGuinness bewundernd als „Führungsfigur mit strategischem Kopf“.
Den bewies der gläubige Katholik in Jahrzehnten des Bürgerkriegs. Mit Sprengstoff in der einen Hand, der Wahlurne in der anderen machten die Republikaner Druck für ihre Sache. Am Ende waren McGuinness und sein Belfaster Pendant Gerry Adams weitsichtig genug zu erkennen: Die Gewalt-Strategie hatte sich erschöpft, Irlands Nordosten brauchte Frieden. Gemeinsam steuerten sie die Republikanerbewegung von einer Terrortruppe in die ausschließlich mit demokratischen Mitteln agierende Partei Sinn Fein.
McGuinness wuchs mit sechs Geschwistern in ärmlichsten Verhältnissen in der Bogside von Derry auf, jenem Slum für Katholiken, der später als Widerstandszone gegen die brutale Unterdrückung durch die unionistische Mehrheit berühmt wurde. Bald gehörte McGuinness nicht nur zu einer Generation desillusionierter junger Katholiken, die dem Unterdrückerstaat mit Gewalt zu Leibe rückten. Beim „Blutsonntag“ im Januar 1972, als die britische Armee 13 unbewaffnete Demonstranten erschoss, war er IRAFührer, wurde 1973 wegen Sprengstoff-Delikten in Süd-Irland zu einer kurzen Gefängnisstrafe verurteilt. Vor zehn Jahren wagte der Antialkoholiker einen Schritt, der die Fanatiker beider Seiten in Wallung brachte. Mit dem protestantischen Fundamentalistenprediger Ian Paisley übernahm der bekennende Katholik die Führung der Allparteien-Regierung Nordirlands. Der mutige Schritt der einstigen Todfeinde ebnete den Weg zu einer Normalisierung. Anfang Januar erzwang der an einer seltenen Herzkrankheit leidende McGuinness durch seinen Rücktritt Neuwahlen zum Belfaster Landtag, an denen er bereits nicht mehr teilnehmen konnte. Er hinterlässt seine Frau und vier erwachsene Kinder.