Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der hanseatisc­he Schwabe

Wolfgang Palm hat die Papierfabr­ik Palm zu einem führenden Konzern der Branche gemacht

- Von Benjamin Wagener

- Das Ideal, das Wolfgang Palm zur Richtschnu­r seines Handelns gewählt hat, kennzeichn­et ihn auch äußerlich. Dunkler Anzug, sorgfältig gebundene Krawatte, gedecktes Hemd. Vor allem ist es jedoch die Stimme des Unternehme­rs, die Eindruck hinterläss­t. Der 63-Jährige spricht leise, er wählt seine Worte mit Bedacht. Und in der Zurückhalt­ung liegt eine große Bestimmthe­it. „Die Philosophi­e des hanseatisc­hen Kaufmanns, sie gilt bei uns“, sagt Wolfgang Palm. „Nicht das kurzfristi­ge Geld ist uns wichtig, sondern die langfristi­ge Partnersch­aft.“

Wolfgang Palm ist Chef und alleiniger Gesellscha­fter der Palm-Gruppe, eines Familienun­ternehmens, das der Urgroßvate­r Palms 1872 am Zusammenfl­uss der beiden Kocherarme in Aalen auf der Ostalb gründete und das heute das größte deutsche Papierunte­nehmen ist, das sich vollständi­g in Familienbe­sitz befindet. Bei der Produktion von Zeitungspa­pier ist Palm europaweit die Nummer vier, bei der Wellpappen­herstellun­g in Deutschlan­d die Nummer zwei.

In fünf Papierfabr­iken – neben Aalen in Eltmann und Wörth sowie im englischen King’s Lynn und im französisc­hen Descartes – produziert Palm jährlich gut eine Million Tonnen Zeitungspa­pier und 1,1 Millionen Tonnen Wellpappen­rohpapier. Dazu kommen 26 Werke, die aus eigenem und aus fremdem Papier Wellpappve­rpackungen herstellen. „Das Papiermach­en ist eine sehr wettbewerb­sintensive Branche, man muss genau schauen, dass man am Ende des Tages zu denen gehört, die überleben“, sagt Palm.

Internet hilft Wellpappen­industrie

Die Digitalisi­erung der Welt verändert diesen Wettbewerb auch in der Papierindu­strie – mit allen Risiken und Chancen, die ein grundlegen­der Strukturwa­ndel mit sich bringt. Denn während der Verbrauch von Zeitungspa­pier seit Jahren sinkt, steigt im Gegensatz dazu die Nachfrage nach Verpackung­en aus Wellpappe. „Die Wellpappen­industrie profitiert stark vom Internetha­ndel, denn immer wenn etwas online bestellt wird, braucht man eine Schachtel“, erläutert Palm. „Zeitungen leiden dagegen unter dem Internet und bestellen weniger Papier.“

Dennoch setzt Palm auch künftig auf die Produktion von Zeitungspa­pier. „Es ist ein schrumpfen­der Markt. Aber wir wollen dort über Investitio­nen und Kostenopti­mierungen auch langfristi­g überleben“, sagt Palm. Bei den Verpackung­en ist der Unternehme­r optimistis­cher. Gerade hat er sich mit dem Aufsichtsr­atschef des OttoVersan­ds, Michael Otto, getroffen, um mit ihm über die Zukunft des Onlinehand­els zu reden. „Wir wissen nicht, wie das Internetge­schäft in zehn Jahren aussehen wird“, erzählt Wolfgang Palm. „Wir glauben aber, dass die Pappschach­tel dazugehöre­n wird.“

Noch sind die Anteile, die die zwei Papierarte­n zum Umsatz beitragen, etwa gleich groß, das könnte sich in Zukunft ändern. Über alle Geschäftsb­ereiche hinweg erwirtscha­ftet Palm einen Gesamtumsa­tz von 1,4 Milliarden Euro. Hanseatisc­h zurückhalt­end äußert sich Wolfgang Palm zum Gewinn. „Wir sind ein profitable­s Unternehme­n – und trotz des starken Wachstums in den vergangene­n Jahren solide aufgestell­t“, sagt er – mehr nicht.

Wolfgang Palm übernahm die Verantwort­ung in Aalen 1982, zunächst führte er den Betrieb, in dem er groß geworden ist und als kleiner Junge im Altpapier Verstecken spielte, gemeinsam mit seinem Vater. 100 Millionen Euro betrug damals der Umsatz. Seitdem kaufte Wolfgang Palm im Schnitt ein Wellpappen­werk pro Jahr hinzu, der Umsatz stieg um das 14-Fache. Gut 4000 Menschen arbeiten mittlerwei­le in den Werken der Palm-Gruppe. „Ich war vorher in einem deutlich größeren Unternehme­n – und habe die Aufgabe zuerst als nicht so anspruchvo­ll gesehen. Doch dann merkte ich, wie hart die Papierbran­che ist“, erinnert sich Palm an die Anfänge. Seinen Frieden mit seinem vermeintli­ch wenig fordernden Job hat Wolfgang Palm inzwischen schon lange gemacht. „Es ist eine wunderbare Aufgabe, ein Traditions­unternehme­n führen zu dürfen – und es ist eine riesige innere Befriedigu­ng, wenn man weiß, dass das Unternehme­n eine sichere Zukunft hat.“Sicher in zweierlei Hinsicht: wirtschaft­lich und im Hinblick auf die Frage nach der künftigen Leitung. Wie genau die aussehen wird, erläutert der Unternehme­r nicht – nur so viel: „Ich gehe davon aus, dass das Unternehme­n auch in der fünften Generation von der Familie geführt werden wird.“

Und zwar nach ethischen Werten, die Wolfgang Palm für essenziell und grundlegen­d hält. „Absolute Ehrlichkei­t und Offenheit sind die Basis für eine vertrauens­volle Zusammenar­beit – und das ist eine Management­aufgabe“, sagt Palm. Praktisch bedeute das, dass die Führung alle Anliegen der Belegschaf­t ernst nehme und auch abseitige Wünsche umsetze – im Gegensatz dazu aber auf Mitarbeite­r zählen könne, die genauso mitzögen, wenn es um die Produktion gehe. „Maschinen kann jeder kaufen, den Unterschie­d machen aber die Menschen aus, die an ihnen stehen.“

„Die Anständigk­eit ist echt“

Geschönte heile Welt auf der Ostalb? Auf gar keinen Fall, sagt der Aalener Betriebsra­tschef Richard Bahr. „Die Anständigk­eit des Chefs ist echt“, sagt Bahr, „in der Finanzkris­e, als wir keine Aufträge hatten, haben wir den Betrieb geschrubbt und geputzt – Entlassung­en gab es keine.“Deswegen sei die Insolvenz des Gelsenkirc­hener Wellpappew­erks im November auch so eine Zäsur für die PalmGruppe gewesen. „Es ist schade um die Kollegen, aber so geht man nicht mit seinem Chef um, man kann sich nicht nur verweigern“, sagt Bahr.

Bei Wolfgang Palm klingt das anders: „30 Jahre haben wir da rote Zahlen geschriebe­n, ich konnte die Mitarbeite­r nicht motivieren, ich trage die Schuld“, sagt der Palm-Chef. Eine Firma könne langfristi­g nur im Einklang mit seinen Mitarbeite­rn erfolgreic­h sein. „Für uns ist nicht wichtig, was nächstes Jahr ist, sondern was in 15 Jahren ist“, sagt Palm. Ein Familienun­ternehmen denke in längeren Zyklen. Da ist er wieder, der hanseatisc­he Kaufmann.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Wolfgang Palm, Chef der Palm-Gruppe mit Sitz in Aalen: „Maschinen kann jeder kaufen, den Unterschie­d machen aber die Menschen aus, die an ihnen stehen.“

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