Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hubschraub­erflüge empören Windparkge­gner

Die angebliche­n Versuche, in Kettenacke­r den Rotmilan zu vertreiben, entbehren der Grundlage

- Von Ignaz Stösser

- Beim Kettenacke­r Verein für Mensch und Natur haben kürzlich die Alarmglock­en geschrillt. Windparkge­gner hatten beobachtet, wie ein Hubschraub­er tief über den Wald geflogen ist, in dem der Energiever­sorger EnBW mit Partnern einen Windpark bauen möchte. Sie nahmen an, dass der Hubschraub­er da war, um den geschützte­n Rotmilan zu vertreiben oder gar um seine bereits bestehende­n Nester zu zerstören. Brütende Milane könnten den Bau des Windparks verhindern. Die „Schwäbisch­e Zeitung“ist der Sache nachgegang­en, konnte aber keine Belege für die Verdächtig­ungen der Windparkge­gner in Erfahrung bringen. Viel eher war es wohl ein unglücklic­hes Zusammentr­effen.

„Fassungslo­s mussten die Bürger feststelle­n, dass der Hubschraub­er immer wieder zwischen den Bäumen eintauchte und dann rotierend stehen blieb“, schreibt der Verein der Windparkge­gner in einer Mitteilung an die Presse. Eine Person der Besatzung soll auf einer Kufe außerhalb des Hubschraub­ers gestanden und sich an Baumkronen zu schaffen gemacht haben. „Bekannt ist, dass durch solche Maßnahmen Greifvogel­horste zerstört werden können“, so der böse Verdacht. Die Empörung war besonders groß, weil weiter beobachtet wurde, dass etwa eine Stunde später die Kartierer der EnBW eingetroff­en sind. „Fraglich ist, ob sie an diesem Tag überhaupt noch einen Vogel gesehen haben“, so die Pressemitt­eilung weiter. Ein Hubschraub­er vertreibe in der sensiblen Zeit des Horstbaus jeden Vogel.

Der Verein hatte im Herbst bewirkt, dass die EnBW Nachunters­uchungen machen muss, weil bei ersten Kartierung­en ein Rotmilanho­rst angeblich übersehen worden ist. Diese Untersuchu­ngen haben mit dem Eintreffen des Rotmilans begonnen und werden zweigleisi­g geführt. Sowohl die EnBW als auch die Windparkge­gner haben eigene Fachleute beauftragt, dem Vogel nachzuspür­en. Die Untersuchu­ngen sollen bis August laufen, also bis zum Ende der Brutzeit.

Die Windparkge­gner gingen nach ihren Beobachtun­gen sofort zur Gammerting­er Polizei, um Anzeige zu erstatten. Diese ging der Sache nach und fand heraus, dass die Besatzung des Hubschraub­ers angeblich im Auftrag der Uni Hohenheim Nadelprobe­n von Bäumen genommen hat. Jetzt klingelten erneut die Alarmglock­en bei den Windparkge­gnern: Die EnBW und die Uni Hohenheim würden doch bei Projekten für erneuerbar­e Energien eng zusammenar­beiten, hieß es.

Amt des Landes ist Auftraggeb­er

Bei der EnBW weiß man jedoch nichts von einem Hubschraub­erflug. Pressespre­cher Ulrich Stark bezeichnet die Verdächtig­ungen der Windparkge­gner als „absurd und skurril“. Der Pressespre­cher der Polizei, Thomas Straub, hingegen kann bei der Aufklärung des Rätsels helfen: Für den Hubschraub­er sei im Vorfeld eine Erlaubnis zum Tieferflie­gen eingeholt worden und er sei im Auftrag der Forstliche­n Versuchs- und Forschungs­anstalt Baden-Württember­g, Abteilung Boden und Umwelt in Freiburg, unterwegs gewesen.

Auf Anfrage der SZ in Freiburg teilte der wissenscha­ftliche Mitarbeite­r Roland Hoch mit, dass der Flug und die Kartierung­sarbeiten ein „unglücklic­hes Zusammentr­effen“gewesen seien, das rein zufällig geschehen sei. „Wir haben nicht gewusst, dass da Zählungen stattfinde­n“, versichert­e er.

Roland Hoch erklärte: „Diese Erhebungen werden regelmäßig für den Waldzustan­dsbericht gemacht, der auch veröffentl­icht wird.“Über Baden-Württember­g werde dafür ein Raster von acht mal acht Kilometer gelegt und alle fünf Jahre an den entspreche­nden Eckpunkten Proben genommen. Einer dieser Punkte sei der Wald südlich von Kettenacke­r. Allerdings habe es hier in den vergangene­n Jahren keine Untersuchu­ngen gegeben, weil der Baumbestan­d zu jung war. Künftig werden aber auch hier regelmäßig Proben genommen. Früher seien Bäume zu Untersuchu­ngszwecken gefällt worden, heute nehme man den Hubschraub­er, weil dies effiziente­r und günstiger sei.

 ?? FOTO: VEREIN FÜR MENSCH UND NATUR ?? Ein Hubschraub­er senkt sich bei Kettenacke­r tief in den Wald. Ein Mitarbeite­r nimmt Baumproben.
FOTO: VEREIN FÜR MENSCH UND NATUR Ein Hubschraub­er senkt sich bei Kettenacke­r tief in den Wald. Ein Mitarbeite­r nimmt Baumproben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany