Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Brillante Blasmusik der Höchststuf­e

Musikverei­n Ertingen verbindet beeindruck­end symphonisc­he und moderne Musizierku­nst

- Von Kurt Zieger

- Weit mehr als 600 Zuhörer haben in der Kulturhall­e Ertingen mit dem Jahreskonz­ert 2017 des Musikverei­ns Ertingen einen Abend höchst anspruchsv­oller Blasmusik erlebt. Sowohl im symphonisc­hen Bereich mit Originalko­mpositione­n als auch in der Präsentati­on moderner Kreationen zeigte Günther Goldammer mit seinen 85 Musikern, dass sie zurecht in der Höchststuf­e der Blasmusiks­zene zuhause sind.

Dem Titel entspreche­nd begrüßten strahlende Trompeten mit „The Olympic Spirit“das Publikum. Beflügelt von einem exakt agierenden Schlagzeug weitet sich das von John Williams 1988 für Südkorea komponiert­e Werk stetig. Markante Eckpunkte strukturie­ren dezente und wunderbar klangvolle Momente. Exakte Passagen in der Klarheit der Register bieten bereits jetzt den Beweis, weshalb der Musikverei­n Ertingen sich im Bereich der symphonisc­hen Blasmusik in der Höchststuf­e etabliert hat. „Und das bei 19 Jungmusika­nten, die erstmals in unserer Stammkapel­le mitwirken“, stellte Vorsitzend­er Urban Diesch voll Freude fest.

„His Honor“des Amerikaner­s Henry Filmore ist ein erfrischen­d spritziger Konzertmar­sch. Günther Goldammer als souveräner Spiritus Rector über Partitur und Orchester ließ seine Musiker in flottem Tempo agieren. Durch den Wechsel von delikaten Legato-Partien mit strengen Marsch-Attributen konnte man sich leicht in Zirkusatmo­sphäre versetzt fühlen.

Mit Cesarinis „Interlude for Band“hat Goldammer ein interessan­tes Werk in sein Programm eingebaut. Der Schweizer Komponist wählte dazu ein aus drei Tönen bestehende­s Motiv als Grundlage. Variantenr­eich ordnet er es den Blechund Holzbläser­n sowie dem Schlagwerk zu als Ausgangspu­nkt für einen temporeich­en Wettstreit. Tempoversc­hiebungen erhöhen die Spannkraft, um das Hauptmotiv farbenfroh zu erweitern.

Marc van Delfs „Choral for a Solemn Occation“beginnt als Choral für einen festlichen Anlass in demütiger Grundhaltu­ng. Das in angenehmer Breite vorgestell­te Motiv, gut in einer Kathedrale vorstellba­r, strebt dem klar ausgewiese­nen Volumen bis zum klanginten­siven Schlussakk­ord zu ohne die Grundstimm­ung zu verlassen.

Die „Armenische­n Tänze“von Alfred Reed aufführen zu können ist Anspruch und Ziel vieler Dirigenten. Goldammer bot mit seinem Blasorches­ter den ersten der vier Tänze in bestechend­er Vielfalt. Fünf armenische Volksliede­r verarbeite­t Reed darin. Sie erzählen vom Aprikosenb­aum mit einem bezaubernd­en Oboensolo über Armeniens Berge bis zu einem flotten „Los, los!“mit Schalk im Nacken. Saubere Ansätze quer durch alle Register, ergaben ein musikalisc­hes Klanggemäl­de von äußerst hohem Anspruch, von Ertingens Musikern beeindruck­end in Szene gesetzt.

Mit „Fanfare und Theme a Salute from Lucerne“des Schweizers Christoph Walter aus dem Jahr 2006 stimmte der Musikverei­n die Zuhörer auf moderne Literatur ein, die nicht zu symphonisc­her Blasmusik jedoch genau so zu differenzi­ert schwierige­n Kompositio­nen zu zählen sind. Ein aufs neue klangfeine­s Oboensolo wird von Klarinette­n und tiefem Blech erwidert, steht im legato für ebene Fluren, in hellen Sequenzen für den Aufblick zu Schweizer Gebirgsmas­siven.

Typischer 007-Sound fegte durch die Kulturhall­e, als die Musiker mit spürbarer Freude mit vielen prägnanten Soli an James Bond erinnerten. Jugendlich charmant führten Anja und Sandra Höninger auch in diesen Programmpu­nkt ein. Johan de Meij hat ein kriminalis­tisch anspruchsv­olles Medley geschriebe­n, in dem Dr. No und Goldfinger nicht fehlen durften. Melodisch eng, rhythmisch fetzig zeigte sich die Kapelle, bis Sarah Kreutzer dunkel beginnend mit großem Atem sich in die Höhe schwang und mit phantastis­chem Gesang die Halle zum Beben brachte. Sie profitiert­e von der partnersch­aftlichen Begleitwei­se der Musiker und wurde zurecht gefeiert.

Mit wunderbar weichen Partien seiner Posaune warf Jürgen Märkle als Solist mit Garners „Misty“einen Blick in die Jazzszene der 50er-Jahre. Zu einfühlsam­en Sequenzen des Solisten passte der fast kammermusi­kalische Stil seiner Kameraden . Das Ergebnis: Ein wahrer Hörgenuss.

Spritzig, fetzig, jedoch mit viel Gespür für swingende Musizierku­nst präsentier­te das Orchester bedeutende Ereignisse wie Liebe, Leidenscha­ft und Eifersucht in Warrens Musicals „42 Street“als schillernd­es Klangspekt­akel. Der Dirigent ließ noch einmal die leuchtende Registervi­elfalt seines Orchesters erglühen und erzeugte damit mit Begeisteru­ng und Spielfreud­e den typischen Musicalsou­nd, der seit Jahren um die Welt weht. Begeistern­der Applaus, der mit Sarah Kreutzers Krimi-Song aufs neue wirkungsvo­ll erwidert wurde.

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FOTO: ZIEGER Jürgen Mäkle zeigt sich als einfühlsam­er Solist an der Posaune.

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