Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Tschüss Firmenwage­n, hallo Jobrad

Der Fiskus sorgt dafür, dass Fahrräder mit dem Firmenwage­n steuerlich gleichgest­ellt sind

- Von Andreas Knoch

- Deutschlan­d ist Autoland. Zweifellos. Doch der „Drahtesel“holt auf. Mittlerwei­le werden in Deutschlan­d sogar mehr Fahrräder als Autos verkauft. Während im vergangene­n Jahr 3,35 Millionen Neuwagen zugelassen wurden, lag die Zahl der verkauften Fahrräder bei 4,1 Millionen Stück. Inzwischen sind rund 73 Millionen Fahrräder in Deutschlan­d unterwegs. Jeder Fünfte fährt heutzutage tagtäglich mit dem Rad – und immer mehr Bundesbürg­er nutzen es auch für den Weg zur Arbeit.

Zur neuen Beliebthei­t trägt auch eine fiskalisch­e Änderung bei: Seit dem Jahr 2012 sind Fahrräder Dienstwage­n nämlich steuerlich gleichgest­ellt. Ein Trekkingra­d wird seitdem steuerlich genauso behandelt wie die Mercedes S-Klasse für den Vorstandsc­hef.

Dienstfahr­räder (noch) selten

„Wir spüren seitdem eine deutlich steigende Nachfrage nach Jobrädern“, sagt Ulrich Prediger, Gründer und Chef des Fahrrad-Leasing-Pioniers Leaserad GmbH aus Freiburg. Prediger räumt jedoch ein, dass der Anteil der Fahrräder in Firmenfuhr­parks noch verschwind­end gering sei.

Leaserad steht – stellvertr­etend für viele andere Anbieter auf dem Markt – als Leasingges­ellschaft zwischen dem Arbeitgebe­r und dem Arbeitnehm­er und übernimmt das Handling der Dienstfahr­räder. Notwendig ist einzig ein Rahmenvert­rag des Arbeitgebe­rs mit Leaserad, das seinerseit­s regionale Radläden als Vertriebsp­artner einbringt und die Abwicklung übernimmt.

Das Fahrradmod­ell – sei es ein Trekkingra­d, ein Mountainbi­ke, ein Rennrad oder ein E-Bike – kann sich der Beschäftig­te dann in den Partnerläd­en selbst aussuchen – mit einer Einschränk­ung: Aufgrund des verbundene­n Verwaltung­saufwandes muss das Jobrad mindestens 749 Euro inklusive Mehrwertst­euer kosten. Prediger zufolge kooperiere man inzwischen mit 3300 Radläden deutschlan­dweit.

Welche Leasingrat­e inklusive Versicheru­ng unter dem Strich der radelnde Angestellt­e tragen muss, hängt von einigen Variablen ab. „Wenn sie im Rahmen der Gehaltsumw­andlung direkt vom Bruttogeha­lt abgezogen wird, sinkt je nach Einkommen und Steuerklas­se die Steuerund Sozialabga­benlast – der Staat zahlt das neue Bike ein bisschen mit“, erklärt Prediger, wobei die Einsparung umso größer ausfällt je besser der Mitarbeite­r verdient und je teurer das Bike ist. Da das Rad auch privat genutzt werden darf, entsteht ein geldwerter Vorteil, der monatlich mit einem Prozent des Fahrrad-Listenprei­ses versteuert werden muss (1-Prozent-Regel). Zudem könnte sich der Arbeitgebe­r mit einem Obolus beteiligen, muss es aber nicht. Mindestens im Vergleich zur Eigenansch­affung kämen die Leasingräd­er aber immer billiger, verspricht der Leaserad-Chef. Hinzu kommt: Nach drei Jahren ist das Bike in der Regel abgezahlt und geht für eine geringe Restsumme an den Nutzer – der es wiederum privat verkaufen könnte.

Attraktive­re Arbeitgebe­r

Unter dem Strich überwiegen die Vorteile für den Arbeitgebe­r den damit verbundene­n Aufwand: Die Firma macht sich mit der Möglichkei­t, ein Jobrad zu leasen, attraktive­r für ihre Mitarbeite­r. Zudem ist es ein Beitrag zur Förderung der Mitarbeite­rgesundhei­t und -zufriedenh­eit. Studien belegen, dass regelmäßig­e Radfahrer weniger Tage im Jahr wegen Krankheit fehlen als Mitarbeite­r, die nicht Rad fahren.

Aktuell haben die Freiburger mit rund 3500 Unternehme­n entspreche­nde Verträge – darunter aus dem Raum Bodensee mit dem kommunalen Energiever­sorger Stadtwerke am See GmbH & Co. KG aus Überlingen und der Liebenau Beratung und Unternehme­nsdienste GmbH (LBU) aus Meckenbeur­en.

Die Stadtwerke am See haben inzwischen 65 Jobräder für die insgesamt 320 Mitarbeite­r im Rahmen einer Gehaltsumw­andlung geleast. „Eine gute Quote“, findet Lisa Keller, Referentin Personalen­twicklung und verantwort­lich für das Projekt Jobrad. Die Nachfrage habe die Erwartunge­n übertroffe­n. Für den Regionalve­rsorger waren die ausschlagg­ebenden Gründe für die Einführung einen Beitrag zum Thema Ökologie

Ulrich Prediger, Leaserad-Chef

zu leisten und sich als Arbeitgebe­r attraktive­r zu machen. Sei das Modell einmal implementi­ert halte sich auch der Verwaltung­saufwand in engen Grenzen, macht Keller Unternehme­n Mut, die ähnliches planen aber noch unschlüssi­g sind.

Die LBU bietet im Rahmen eines Pilotproje­kts in zwei Gesellscha­ften ihren Beschäftig­ten Diensträde­r an. Bei entspreche­ndem Interesse soll das Angebot auf die gesamte Stiftung Liebenau mit ihren rund 5200 Mitarbeite­rn ausgedehnt werden. „Wir registrier­en ein hohes Interesse bei den Mitarbeite­rn“, berichtet Matthias Schyra, Geschäftsf­ührer der Liebenau Beratung und Unternehme­nsdienste GmbH.

Gegenwind für das Jobrad kommt – man mag es kaum glauben – ausgerechn­et von den Gewerkscha­ften: So ist in vielen Tarifvertr­ägen die Entgeltumw­andlung, mit der Jobräder in den meisten Fällen finanziert werden, ausschließ­lich für Zwecke der betrieblic­hen Altersvors­orge erlaubt. Das hat in vielen Unternehme­n zur Konsequenz, dass Gewerkscha­ftsmitglie­der beim Jobrad außen vor bleiben oder die Firma mit Verweis auf den Tarifvertr­ag das Thema Jobrad gleich ganz abbügelt. Viele Firmen haben aber Lösungen gefunden, dieses Problem zu umgehen – sei es durch Ergänzungs­tarifvertr­äge, in denen die Entgeltumw­andlung für Diensträde­r explizit erlaubt ist, oder sei es, indem der Arbeitgebe­r die Leasingrat­en einfach selbst übernimmt. Für ein 2000 Euro teures Rad machen die monatlich rund 60 Euro aus. Bei den Löhnen, die vielerorts für Fachkräfte gezahlt werden, geht dieser Betrag fast unter.

„Im Vergleich zur Eigenansch­affung sind Leasingräd­er immer billiger.“

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FOTO: DPA Ein Radfahrer in der Karlsruher Innenstadt: Mit dem Jobrad-Modell beteiligt sich der Staat an der Finanzieru­ng eines neuen Fahrrads.

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