Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Muhterem Aras diskutiert mit Schülern
Landtagspräsidentin zu Gast am Schussenrieder Progymnasium
- Muhterem Aras hat am Montag in Bad Schussenried vor Schülern des CasparMohr-Progymnasiums, des Gymnasiums Aulendorf und des Studienkollegs St. Johann gesprochen. Die erste Landtagspräsidentin mit türkischen Wurzeln berichtete offen von ihrer Kindheit, der Zusammenarbeit mit der AfD und warum die Wahl von Donald Trump auch etwas Gutes hat.
Knapp zwei Stunden nimmt sich die Politikerin für die Schüler Zeit. Jede Frage wird ausführlich beantwortet, egal ob zu ihrem Privatleben oder zu ihrem Arbeitsalltag. Dass der direkte Dialog mit den Jugendlichen ihr wichtig ist, merkt man dabei schnell. Fast jeden Montag fährt sie quer durchs Land, um sich an ein oder zwei Schulen vorzustellen. Ihr Ziel: Die Oberstufenschüler zu motivieren, sich mehr mit Politik auseinanderzusetzen und in Zukunft ihr Wahlrecht zu nutzen. Und ihnen dabei klarzumachen, dass all ihre Privilegien keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind.
Aras berichtet offen davon, wie sie einem ganz kleinen kurdischen Dorf in der Türkei aufgewachsen ist. „Kein Klo, kein fließendes Wasser, keine Dusche“, zählt sie auf. Die Entscheidung ihrer Eltern, als Gastarbeiter nach Deutschland zu gehen und damit ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, katapultierte die damals Zwölfjährige in eine andere Welt. Bildung wird für die junge Frau der Schlüssel, der ihr alle Türen öffnet. Und so ist es auch kein Wunder, dass die Bildungspolitik ihr offensichtlich so am Herzen liegt. „Ich glaube, dass auch heute noch die Bildungschancen abhängig vom sozialen Hintergrund sind – keiner kann jedoch etwas dafür, wo er hineingeboren wurde“, sagt sie. Als Landespolitikerin der stärksten Partei kann sie sich nun dafür einsetzen, dass sich das ändert.
Man sollte sich einmischen
Die Schüler, anfangs noch etwas zögerlich, interessiert sowohl das Private als auch das Berufliche. Warum hat Aras bereits mit 20 Jahren, in der elften Klasse, geheiratet? Wie viel Freizeit hat sie noch als Landtagspräsidentin? Wie hat sich die Arbeit im Landtag durch den Einzug der AfD geändert? „Der Ton ist deutlich rauer geworden“, antwortet sie auf diese Frage. Es komme zu mehr „parlamentsunwürdigem“Verhalten, dass sie in ihrer Funktion als Landtagspräsidentin ahnden müsse.
Das jüngste Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verurteilt sie aufs Schärfste. Seine Nazi-Vergleiche bezeichnet sie als „schlimme Entgleisungen“, die eines Staatspräsidenten „nicht würdig sind“. Und dass die Amerikaner tatsächlich Donald Trump zum Präsidenten gewählt haben? „Ich hoffe, dass das für uns ein Weckruf ist“, sagt sie im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl. Vielleicht würde nun manchen bewusst, wie wichtig es sei, wählen zu gehen und das Kreuz bei der richtigen Partei zu machen. Sowieso versucht Aras mit verschieden Beispielen den Schülern zu verdeutlichen, dass Politik, egal auf welcher Ebene, nichts sei, dass fernab ihrer Lebensrealität passiere. Sie appelliert an die Jugendlichen, sich einzumischen – und sich bewusst zu machen, dass Demokratie bedeute, nicht immer nur zu fordern, sondern sich auch einzubringen.
Die beiden Schüler Jannick Nessensohn und Jona Mack moderierten den Dialog zwischen der Politikerin und ihren Klassenkameraden und zeigten sich sichtlich begeistert. „Das war toll und interessant, dass sie so offen über sich und ihre Arbeit geredet hat“, sagte Jona Mack. Jannick Nessensohn macht gerade Abitur am Gymnasium in Aulendorf. Er könnte sich sogar vorstellen, selbst in die Politik zu gehen oder etwas in diese Richtung zu studieren. „Ich fand es daher sehr spannend und lehrreich, was Frau Aras zu sagen hatte.“
Politische Bildung im Fokus
Der Besuch war Teil einer Reihe von Aktionstagen für die Mittelstufe mit dem Fokus auf politischer Bildung, die zurzeit am Caspar-Mohr-Gymnasium stattfinden. Für die Schüler der Klassen 8 und 9 gab es am Freitag zuvor Workshops der Landeszentrale für politische Bildung zu den Themen „Einstieg in die Politik“und „In Vielfalt geeint – die europäische Union“statt. In der Folgewoche nehmen die Klassen 9 und 10 an einem „Planspiel Bundestag“teil und werden dabei selbst in die Rolle von Parlamentariern schlüpfen, die ein Gesetz erarbeiten, diskutieren und beschließen.