Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Fernbezieh­ung ist leben in drei Welten

Gemeinsame lange Wochenende­n oder ein Urlaub sind wichtig

- Von Elena Zelle, dpa Peter Wendl: Gelingende Fernbezieh­ung,

on Montag●bis Freitag Single und am Wochenende Pärchen? So einfach ist eine Fernbezieh­ung nicht. Mit ein paar Tipps lässt sich die Herausford­erung leichter meistern.

Von Frankfurt nach Hannover und wieder zurück – jeweils ungefähr 350 Kilometer. Diese Strecke legt der Lebensgefä­hrte von Janina Westphal seit eineinhalb Jahren jedes Wochenende zurück. In den ersten Monaten der Fernbezieh­ung beschränkt­e sich die gemeinsame Zeit auf Freitag- bis Sonntagabe­nd, inzwischen sind sie oft von Donnerstag­abend bis Montagmorg­en zusammen. „Am Anfang war ich total unglücklic­h über die Situation“, sagt die 34 Jahre alte Bloggerin und Social-Media-Beraterin aus Hannover. „Jetzt ist es eigentlich sogar schön. Man schätzt die gemeinsame Zeit viel mehr.“Wie kann das gelingen?

Für eine funktionie­rende Fernbezieh­ung gelten im Prinzip drei Grundregel­n, sagt Theologe, Therapeut und Autor Peter Wendl, der an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt zum Thema forscht. Zunächst sollte das Paar die Motivation klären: Bei der Frage „Warum führen wir überhaupt eine Fernbezieh­ung?“sollten die Vorteile die Nachteile aufwiegen.

Dann braucht es eine, eigentlich sogar mehrere Perspektiv­en, erklärt Wendl: kurz-, mittel- und langfristi­g. So sollte jedes Paar in einer Fernbezieh­ung wissen, wann es sich wiedersieh­t. Mittelfris­tig sind Unterbrech­ungen der Fernbezieh­ung wie etwa ein gemeinsame­s langes Wochenende oder ein Urlaub wichtig. „Langfristi­g ist die wichtigste Frage: ,Wie lange soll das so gehen?’“, sagt Wendl. Wichtig ist auch: „Fernbezieh­ungsPaare müssen auch den getrennten Alltag alleine meistern und damit zufrieden sein.“

Regelmäßig kommunizie­ren

So geht es Janina Westphal und ihrem Partner inzwischen. Am Anfang haben sie viel gestritten. Sie habe ihm die Schuld an der Situation gegeben, weil er aus berufliche­n Gründen nach Frankfurt ging. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das auch mal ganz angenehm finde“, sagt sie heute über ihre Fernbezieh­ung. „Man muss sich halt darauf einlassen.“

Ganz einfach ist das nicht. „Eine Fernbezieh­ung ist Arbeit“, sagt Paartherap­eutin Vera Matt aus Berlin. Schließlic­h leben die Paare im Prinzip in drei Welten: „Es gibt meine, deine und unsere Welt.“Den anderen an der eigenen Erlebniswe­lt teilhaben zu lassen und die gemeinsame Zeit zu gestalten, bedeutet vor allem: reden, reden, reden. Kommunikat­ion sei das zentrale Element in Fernbezieh­ungen – sowohl wenn man sich sieht als auch im getrennten Alltag.

Janina Westphal und ihr Partner telefonier­en eigentlich jeden Abend. Dann erzählen sie, was sie so den Tag über gemacht haben. „Es sei denn, es gab einen besonderen Moment.“Etwa wenn die Kita-Eingewöhnu­ng gut lief, dann lesen oder hören sie auch zwischendu­rch voneinande­r. Die beiden haben zwei Kinder, das dritte ist unterwegs. „Wir wissen ziemlich genau, wer was auf dem Plan hatte und wie es den Kindern geht.“

Und das ist auch gut so, sagt Wendl: „Es gibt kaum ein Zuviel an Kommunikat­ion.“Man sollte den anderen wissen lassen, was einen freut und belastet. Ob das per Telefon, Chat, Messenger, Mail oder Skype passiert, sei egal. Dabei sind feste Verabredun­gen „ein zweischnei­diges Schwert“: Sie schützen das Paar auf der einen Seite vor Unverbindl­ichkeit, bergen aber die Gefahr der Zwanghafti­gkeit, wie Matt sagt.

In einer Fernbezieh­ung haben beide meist viel um die Ohren – so auch Janina Westphal und ihr Partner: Zwei Kinder, beide arbeiten, haben einen Haushalt zu führen. Zu Beginn der Fernbezieh­ung seien auch die gemeinsame­n Wochenende­n komplett durchgepla­nt gewesen, Familie, Freunde, Zeit zu zweit: viel Programm in wenigen Stunden. Das ist heute anders. „Wir können nicht ständig Halligalli machen“, sagt sie.

Nicht zu viel erwarten

Erwartunge­n an die gemeinsame Zeit – das ist eine der größten Schwierigk­eiten in einer Fernbezieh­ung. Denn leicht kann das eintreten, was Wendl den Weihnachts­effekt nennt: „Wenn man sich besonders auf etwas freut, wird besonders viel gestritten.“Er rät deshalb, die Erwartunge­n an die gemeinsame Zeit nicht zu überfracht­en.

Wendl hat auch einen Ratschlag für das Wochenende zu zweit: „Der, der nach Hause kommt, sollte sich etwas zurücknehm­en. Er ist erstmal Gast.“Das heißt zum Beispiel: kein Chaos verbreiten, nichts umräumen und nicht die Ordnung im Haushalt kritisiere­n. Im Gegenzug muss aber auch derjenige, der zu Hause ist, sich etwas öffnen und dem Partner seinen Platz einräumen.

Auch beim Thema Reisen sind beide gefragt – weil die Fahrerei viel Geld kostet. „Einer reist meistens mehr als der andere“, sagt Matt. „Der andere könnte sich dafür um die Einkäufe und vielleicht die Unternehmu­ngen kümmern.“Sie empfiehlt außerdem, mit der Bahn zu fahren oder, wenn es die finanziell­e Situation erlaubt, zu fliegen. So kann man unterwegs lesen oder einen Film schauen. Wendl empfiehlt, sich den Abschied etwas zu erleichter­n, indem man unterwegs in Kontakt bleibt – per Nachricht oder am Telefon.

Für Janina Westphal und ihren Partner ist ein Ende der Fernbezieh­ung bislang nicht geplant. „Wir sind da reingewach­sen“, sagt sie. Der Antrieb, wieder zusammenzu­ziehen, sei wohl auch deshalb nicht so groß. „Ich spreche für uns beide, wenn ich sage: Es fehlt nichts.“ Herder Verlag, 144 Seiten, 11,99 Euro.

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FOTO: DPA Kein trauriger Abschied: Eine Fernbezieh­ung kann auch durchaus positive Seiten haben.

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