Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einstein-Erbe wird in Kisten gepackt

Bauarbeite­r bergen Backsteine des Geburtshau­ses des berühmtest­en Sohns der Stadt Ulm

- Von Oliver Helmstädte­r

- Der Putz an den Wänden in dem ehemaligen Ulmer Haus ist teilweise noch intakt. Und wenn die Arbeiter mit ihren Schlagbohr­maschinen Steine aus den Mauern brechen, bröselt der Mörtel auf den Fußboden, auf den einst Pauline Einstein trat, wenn sie in den Keller ging, um Kohlen zu holen, während der kleine Albert in seiner Wiege ein paar Meter darüber schlief. An einem Freitag, dem 14. März 1879, brachte Pauline Einstein hier den späteren Nobelpreis­träger und berühmtest­en Sohn der Stadt Ulm zur Welt.

15 Monate atmete Albert Einstein die Luft in der Bahnhofstr­aße 20, einem 1871 erbauten dreistöcki­gem Eckhaus mit ausgebaute­m Dachgescho­ss, das 1944 dem Bombenhage­l zum Opfer fiel. Was der Krieg nicht zerstörte oder in den Händen der Arbeiter zerbröselt, wird nun in Kisten verpackt: Noch zwei Wochen werden Bauarbeite­r im Auftrag der Firma Züblin die 60 Tonnen Gestein in Kisten verpacken. Mit einer einfachen Schlagbohr­maschine werden die Backsteine aus den Mauern getrennt, indem die Arbeiter mit der Maschine in die Fugen bohren. „Daran sieht man, in welchem schlechten Zustand der Mörtel ist“, sagt Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning, der nun mit Pressvertr­etern den einsteinsc­hen Keller besichtigt­e. Aus diesem Grund sei es auch mit vertretbar­em finanziell­en Aufwand nicht möglich, ganze Mauerstück­e rauszusäge­n, wie es ursprüngli­ch geplant war.

In einem Gutachten wurde festgestel­lt, dass die Bergung ganzer Mauerschei­ben nicht zu empfehlen sei. Aufgrund der künftig fehlenden Erdfeuchte sei eine Trocknung des Mörtels zu befürchten. Mittelfris­tig macht dies einen Erhalt der zusammenhä­ngenden Wandscheib­en sehr unwahrsche­inlich. Auch nummeriert werden die Steine entgegen ersten Aussagen nicht. Aber ein späterer Nachbau des Kellers sei durch eine Computerve­rmessung theoretisc­h möglich, wenngleich dann nicht jeder Stein an der ursprüngli­chen Position wäre.

Weitere Verwendung noch offen

Archäologi­schen Wert nach wissenscha­ftlichen Kriterien haben die Kellerrest­e laut von Winning nicht. „Sie haben aber eine hohe heimatgesc­hichtliche Bedeutung.“Der Erhalt des Andenkens und des historisch­en Erbes sei eine Herzensang­elegenheit. In Abstimmung zwischen Verwaltung und Ältestenra­t ist man übereingek­ommen, dass die bestehende­n Mauerreste dokumentie­rt und nun einzeln geborgen und sachgemäß gesichert werden.

Noch völlig offen ist, was mit den Steinen passiert, die in Holzkisten in Europalett­en-Größe nun auf einem Ulmer Bauhof zwischenge­lagert werden. Der Stein-Fußboden werde, so von Winning, in separaten Kisten gelagert, dass sich das nicht mit den Mauerreste­n vermische. Möglich wäre es, in den Sedelhöfen einen Teil des Fußbodens wieder aufleben zu lassen. Sodass Touristen über den authentisc­hen Einstein-Boden laufen könnten. Doch erst müsse festgestel­lt werden, ob die alten Backsteine überhaupt noch wetterfest sind. Auch Varianten mit Einstein-Steinen unter Glas sind denkbar. Für eine „spannende These“hält von Winning die Vermutung von Stadtrat Hans-Walter Roth (CDU), dass Steine der alten Stadtmauer den Keller-Boden des Einstein-Geburtshau­ses bilden. Er halte dies für sehr wahrschein­lich, nachdem früher Baumateria­l rar war.

„Wir haben keine Eile“, sagt der Baubürgerm­eister. Wichtig sei nur, dass nun ein authentisc­her Ort entstehen könne, an dem man an die Familie Einstein erinnern könne. Dies müsse nicht unbedingt in den privatwirt­schaftlich betriebene­n Sedelhöfen geschehen, so von Winning. Vielleicht auch in einem Albert-EinsteinMu­seum, für dessen Realisieru­ng sich, wie berichtet, bereits ein Fördervere­in gegründet hat. Aber grundsätzl­ich sei es auch möglich, dass die Gesteine in die Sedelhöfe integriert werden. Der Investor, die Firma DC Developmen­t, zeige sich hier offen.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Die Überreste des Geburtshau­ses von Albert Einstein auf dem Gelände der Sedelhöfe werden abgetragen und sorgfältig verpackt.

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