Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Jagst erholt sich langsam
Nach Chemieunfall sind wieder Fische im Fluss – Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin
- Eineinhalb Jahre nach dem Chemieunglück an der Jagst ist die Schuldfrage immer noch ungeklärt. Ebenso ist offen, wer für den Schaden aufkommt. Immerhin: Der Zustand des Flusses hat sich leicht erholt.
Die Barbe ist zurück in der Jagst. Der Fisch war ein typischer Bewohner des ökologisch wertvollen Flusses – bis zum 23. August 2015. Damals geriet die direkt am Ufer gelegene Lobenhauser Mühle in Kirchberg an der Jagst (Landkreis Schwäbisch Hall) in Flammen. Hier waren große Mengen an Kunstdünger gelagert, der Ammoniumnitrat enthielt. Bei den Löscharbeiten floss die Chemikalie zusammen mit dem Löschwasser in die Jagst, es bildete sich giftiges Ammoniak. 20 Tonnen tote Fische haben Rettungskräfte und Freiwillige in den Tagen darauf geborgen. Auf einer Länge von 20 Kilometern war in der Jagst – bis dahin einer der naturbelassensten Flüsse des Landes – kein einziger Fisch mehr übrig. Experten befürchteten außerdem eine dauerhafte Schädigung der Kleinlebewesen.
Umsetzaktion wirkt
Mittlerweile hat sich die Situation etwas verbessert. Das geht aus dem Abschlussbericht zu den ökologischen Auswirkungen des Unglücks hervor, den Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kürzlich in Kirchberg vorgestellt hat. Die Artenzahl der Fische im Fluss sei angestiegen, der Anteil der Tiere mit geschädigten Kiemen zurückgegangen. Freiwillig kamen die Fische aber nicht zurück: „Die leichte Erholung des Fischbestandes ist höchstwahrscheinlich das Ergebnis der im Sommer 2016 durchgeführten Umsetzaktion“, heißt es in dem Bericht. Damals wurden Tiere aus anderen Teilen der Jagst in den geschädigten Flussabschnitt gebracht. „Eine natürliche Wiederbesiedelung“, hält der Bericht fest, „erfolgt bislang nur sehr zögerlich.“Erfreulich sei dagegen die Entwicklung bei den Kleinlebewesen und Wasserpflanzen: Hier „zeigt sich die Jagst nach wie vor als eines der artenreichsten Fließgewässer Baden-Württembergs mit einem hohen Anteil sehr seltener Arten“.
„Von dem Niveau vor dem Brand ist die Jagst leider noch weit entfernt“, resümierte Untersteller bei seinem Besuch in Kirchberg. „Die ökologischen Auswirkungen, insbesondere auf die Fische, werden uns noch lange beschäftigen.“
Auch die Justiz beschäftigt der Fall nach wie vor. Die Ermittlungen dauerten an, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Ellwangen der „Schwäbischen Zeitung“. Früheren Berichten zufolge soll ein junger Mann in der Nähe der Mühle Müll verbrannt haben, ein Funkenflug hat dann den Brand verursacht. Ermittelt wird außerdem gegen den Mühlenbetreiber wegen fahrlässiger Gewässerund Bodenverunreinigung. In Sachen Gewässerverunreinigung gibt es ein weiteres Verfahren gegen unbekannt. Unabhängig davon haben 22 Fischereiberechtigte und Fischereiverpächter ein Zivilverfahren gegen den Mühlenbetreiber, das Land und die Stadt Kirchberg angestrengt. Sie fordern wegen der toten Fische 650 000 Euro Schadenersatz. Anfang April treffen sich die Beteiligten erneut und versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen.
Auf Geld warten auch die betroffenen Landkreise Schwäbisch Hall, Hohenlohe und Heilbronn. Es geht um die Kosten für die Einsätze der Rettungskräfte in der Zeit unmittelbar nach dem Jagdunglück – insgesamt knapp drei Millionen Euro. Allein der Landkreis Heilbronn macht fast 1,6 Millionen Euro geltend, davon knapp 900 000 Euro für den Einsatz von 16 Ortsfeuerwehren. „Die Landratsämter haben das Geld vorgestreckt, weil das Land unbürokratische Hilfe versprochen hat. Aber bis heute haben sie vom Land nicht einen Cent bekommen“, kritisiert der Landtagsabgeordnete Friedrich Bullinger (FDP), der die Aufschlüsselung der Einsatzkosten vom Innenministerium angefordert hatte.
„Wir hatten immer mit einer schnelleren Kostenerstattung durch das Land gerechnet“, sagt auch Manfred Körner, Sprecher des Landkreises Heilbronn. Nun habe man sich mit dem Umweltministerium aber geeinigt, wie es weitergeht. Zunächst muss demnach das Landratsamt Schwäbisch Hall im Namen der betroffenen drei Kreise den Schadenersatz per Bescheid vom Verursacher einfordern – kann der nicht zahlen, springt das Land ein. Nur: Wem genau der Bescheid nun zugestellt werden soll, versucht die Kreisverwaltung in Schwäbisch Hall noch immer herauszufinden.