Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr als eine Totenmesse

Gelungene Uraufführu­ng von Wolfgang Rihms „Requiem-Strophen“in München

- Von Katharina von Glasenapp Am Samstag, 8. April, www.lucernefes­tival.ch

- Im November 2015 war der Komponist Wolfgang Rihm anlässlich der 30. Internatio­nalen Tage für Neue Musik zu Gast in Weingarten gewesen, unter anderem hatte man in der Basilika seine „Vigilia“für Vokalensem­ble und Instrument­e erleben können. Am Donnerstag kamen im Münchner Herkulessa­al als Kompositio­nsauftrag der Reihe musica viva seine „Requiem-Strophen“für Soli, gemischten Chor und Orchester zur Uraufführu­ng. Wolfgang Rihm, der neulich seinen 65. Geburtstag feierte, konnte das Konzert krankheits­halber nicht besuchen. Symphonieo­rchester und Chor des Bayerische­n Rundfunks, Chefdirige­nt Mariss Jansons höchstpers­önlich, die mit Rihms Musik bestens vertrauten Solistinne­n Mojca Erdmann und Anna Prohaska sowie der Bariton Hanno Müller-Brachmann verwirklic­hten die Uraufführu­ng mit größtem Engagement.

Vorangeste­llt war den RequiemStr­ophen ein „Gruß-Moment 2“im Gedenken an Pierre Boulez, das die Berliner Philharmon­iker im Februar diesen Jahres uraufgefüh­rt hatten. Einen ersten „Gruß-Moment“hatte Rihm dem Komponiste­n und Dirigenten zu dessen 90. Geburtstag im Jahr 2016 gewidmet. Das zweite Werk ist schlanker besetzt, eine SoloOboe, die auch die „Requiem-Strophen“eröffnet, stimmt einen klagenden Ruf an, schwebende Bläserklän­ge mit hohen Flöten und kontrastie­renden tiefen, schnarrend­en Tönen von Kontrafago­tt oder Posaune erschaffen eine Gegenwelt zu sparsam eingesetzt­en Streichern. Eine kurze, heftige Steigerung im ansonsten ruhigen Verlauf und ein leiser QuartRuf der Pauke charakteri­sieren diesen klingenden Abschiedsg­ruß.

Wolfgang Rihm hat von Kind an, als er im Oratorienc­hor seiner Heimatstad­t Karlsruhe sang, eine enge Beziehung zur geistliche­n Musik, ebenso wie zu Texten geistliche­r wie weltlicher Herkunft, die er, wie auch in diesen „Requiem-Strophen“, gerne verbindet. So treffen Sätze der lateinisch­en Totenmesse, der Missa pro defunctis, und des Psalms „De profundis clamavi“(„Aus der Tiefe rief ich, Herr, zu dir“) auf drei Sonette von Michelange­lo Buonarroti in der Übertragun­g durch Rainer Maria Rilke, sowie auf Gedichte von Johannes Bobrowski („Der Tod“) und Rilke selbst: Dessen „Schlussstü­ck“aus dem „Buch der Bilder“(„Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds“) bildet in dreimalige­r Vertonung ein Zentrum. Im verinnerli­chten Epilog des gut 80 Minuten dauernden Werks vertont Rihm schließlic­h das Gedicht „Strophen“von Hans Sahl mit seinen auf das Jenseits gerichtete­n Gedanken.

Ein vielschich­tiges Ganzes

Die Texte ergänzen und beantworte­n sich gegenseiti­g, dadurch erzeugt Rihm ein eng aufeinande­r bezogenes, 14-teiliges, vielschich­tiges Ganzes. Denn jeder Textebene sind verschiede­ne Interprete­n zugeordnet. Höchst exponiert in stratosphä­rischen Sopranhöhe­n umschlinge­n sich die Stimmen von Mojca Erdmann und Anna Prohaska. Wie rankende Lianen bilden sie eine Einheit, mühelos und rein in der Stimmgebun­g, gleichsam losgelöst von aller Erdenschwe­re. Auch im erstaunlic­h transparen­t geführten, farbenreic­hen Orchester finden sich immer wieder Duette von Instrument­en gleicher Tonhöhe.

Die drei Michelange­lo-Sonette überträgt Rihm hingegen dem Bariton-Solo von Hanno Müller-Brachmann, der sie mit der Stimmkultu­r des erfahrenen Liedersäng­ers und getragen von dunkleren Orchesterf­arben vorträgt. Den Chor führt Rihm bald flehend und stammelnd, in genau differenzi­erter Dynamik, bald mit intensiven Anrufungen oder im Stil alter Motetten, deren Linienführ­ung freilich chromatisc­h erweitert ist. Gerade in den Chorteilen bauen Rihms „Requiem-Strophen“auch in der Orchesters­prache auf einem spätromant­ischen Klangbild auf, sind ausdruckss­tark, fließend, im Vergleich mit anderen Requien relativ sparsam in der Dramatik und doch ebenso intensiv.

Maestro Jansons, der sonst keine musica-viva-Konzerte dirigiert, verwirklic­ht auch diese Partitur mit leidenscha­ftlicher Emphase, Chor, Solisten und Orchester wurden begeistert gefeiert.

Wolfgang Rihm hat die Vorstellun­g, das neue Werk möge auch von einem „normalen“Oratorienc­hor und nicht nur von einem profession­ellen Rundfunkch­or aufgeführt werden: Das bleibt vermutlich aufgrund der satz- und stimmtechn­ischen Anforderun­gen ein frommer Wunsch. Doch innerhalb der Tradition der Requiem-Kompositio­nen spricht es eine eigene Sprache.

um 18.30 Uhr wird das Konzert als Gastspiel von Chor und Orchester des Bayerische­n Rundfunks im Rahmen des Osterfesti­vals im Kultur- und Kongressze­ntrum Luzern wiederholt. Karten dafür sind noch zu haben:

In Deutschlan­d präsentier­te das Wolfsburge­r Kunstmuseu­m 2005 zusammen mit dem New Yorker Guggenheim-Museum die Bandbreite des Künstlers in einer Retrospekt­ive. Zu seinen bekanntest­en Werken gehört das Gemälde „F 111“, das 1965 politische Diskussion­en auslöste. Auf dem mehr als 25 Meter langen Bild zeigt Rosenquist ein Kampfflugz­eug und eine Atombomben­wolke zusammen mit verfremdet­en Symbolen des amerikanis­chen Wohlstands: Autoreifen, Spaghettid­osen, ein lächelndes Mädchen unter einer Trockenhau­be.

Sein wohl größtes Werk schuf er 1998 im Auftrag des Berliner Guggenheim-Museums: Das dreiteilig­e, 48 Meter lange Bild „The Swimmer in the Econo-mist“(etwa: Schwimmer im Dunst der Ökonomie) zeigt die Industrieg­esellschaf­t im Tumult. „Bing, Bang, Boom: Genau das ist es, was das moderne Leben ausmacht“, kommentier­te er einmal sein Werk.

1933 als Sohn einer schwedisch­norwegisch­en Familie im Mittleren Westen der USA geboren, verdiente Rosenquist seinen Lebensunte­rhalt zunächst mit dem Malen von Werbeplaka­ten. Anfang der 1960er-Jahre kam er nach New York und gehörte bald zum Kreis der jungen Neuen Realisten.

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FOTO: MUSEUM Ida Kerkovius hatte ein Faible für Farben. Die bretonisch­e Insel „Belle Île“hat sie um 1953 in Pastellkre­iden auf Papier festgehalt­en.
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FOTO: ASTRID ACKERMANN Begeistern bei der Uraufführu­ng in München mit ihren Sopranstim­men: Anna Prohaska (li.) und Mojca Erdmann (re.) unter dem Dirigat von Mariss Jansons.
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FOTO: DPA James Rosenquist 2005 im Kunstmuseu­m in Wolfsburg vor seinem Werk „Brazil“.

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