Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rettungsak­tion für Afrikas Nashörner

100 Dickhäuter werden von Südafrika ins benachbart­e Botswana ausgefloge­n

- Von Kristin Palitza

(dpa) - In Afrika läuft derzeit die bislang umfangreic­hste Nashorn-Umsiedlung in der Geschichte: Mindestens 100 der Dickhäuter sollen von Südafrika nach Botswana gebracht werden. So will man die von Wilderei bedrohten Tiere vor dem Aussterben retten. Am Wochenende wurden allein zwölf Breitmauln­ashörner ausgefloge­n.

Ein Hubschraub­er fliegt tief über der Steppe des Phinda-Naturreser­vats in Südafrika. Drei grasende Breitmauln­ashörner laufen verschreck­t durchs Gebüsch. Tierarzt Trevor Viljoen lehnt sich aus dem Fenster, zielt und drückt den Abzug. Im Bruchteil einer Sekunde steckt ein Betäubungs­pfeil in der Hinterback­e eines Bullen. Das Tier läuft noch etwas, bleibt dann stehen. Jetzt heißt es schnell handeln. Dem Nashorn werden die Augen verbunden. Bevor das Betäubungs­mittel ganz wirkt, zieht eine Gruppe von Wildfänger­n, Zoologen und Ärzten das tonnenschw­ere Tier mit einem Seil an einen Transportl­aster heran. Kurz danach sinkt der Bulle auf die Knie.

Sanft schnaufend liegt das betäubte Nashorn auf der Erde. Das Tier wird gewogen, vermessen und gekennzeic­hnet. Ein Wildfänger bohrt ein Loch in das imposante Horn, um einen batteriebe­triebenen Sender einzusetze­n. So können die Bewegungen des Tieres in Botswana verfolgt werden. Nach nur 20 Minuten spritzt der Veterinär ein Gegenmitte­l ins Ohr. Sekunden später wacht das Tier auf, stellt sich auf die Beine und trabt zu seinen Kumpanen im Gehege. Dort muss es vier Wochen in Quarantäne verbringen, bevor es das Land verlassen darf.

Das Rhinozeros ist eines von 100 Tieren, die von Mitstreite­rn der Aktion „Rhinos without Borders“(deutsch: Nashörner ohne Grenzen) von Südafrika nach Botswana umgesiedel­t werden sollen. Wilderer haben nach Angaben des Umweltmini­steriums in Südafrika vergangene­s Jahr 1054 Nashörner getötet. „Das sind fast drei pro Tag“, sagt „Rhinos without Borders“-Projektlei­ter Les Carlisle. Das Horn ist vor allem in Asien gefragt, wo ihm aphrodisie­rende und heilende Kräfte zugeschrie­ben werden. Auf dem Schwarzmar­kt zahlen Kunden etwa 60 000 Euro pro Kilogramm. In Afrika gibt es schätzungs­weise noch bis zu 25 000 Nashörner.

Der Traumberuf des Wildhüters sei in Südafrika zum Alptraum geworden, sagt Carlisle. Wilderer seien mit Schnellfeu­erwaffen und Nachtsicht­geräten ausgestatt­et. Die Jagd auf das Horn müsse man sich wie „einen kleinen Bürgerkrie­g“vorstellen, so Carlisle, bei dem Ranger jede Nacht ihr Leben aufs Spiel setzten, um die Nashörner zu beschützen.

In Botswana sei das Wildereipr­oblem dagegen gering, erklärt Map Ives, der offizielle Nashorn-Koordinato­r Botswanas, der die Rhinozeros­se im Okavango-Delta in Empfang nimmt. Botswana besteht zu etwa 70 Prozent aus Nationalpa­rks und hat nur rund zwei Millionen Einwohner. Die 100 Nashörner sollen dort einen neuen Brutbestan­d schaffen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tierschütz­er Nashörner auf diese Weise vor dem Aussterben retten wollen. Anfang des 20. Jahrhunder­ts habe es nur noch rund 50 Nashörner in Afrika gegeben, erzählt Carlisle. Dann habe man den Tierbestan­d durch systematis­che Umsiedlung über die nächsten fünf Jahrzehnte auf rund 20 000 Nashörner gesteigert. Carlisle ist optimistis­ch: „Genauso wollen wir das wieder machen“.

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FOTO: DPA Tierschütz­er in Südafrika ziehen ein Breitmauln­ashorn mit einem Seil in Richtung eines Fahrzeugs. Nach einer Quarantäne von vier Wochen wird das Tier nach Botswana transporti­ert.

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