Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Rettungsaktion für Afrikas Nashörner
100 Dickhäuter werden von Südafrika ins benachbarte Botswana ausgeflogen
(dpa) - In Afrika läuft derzeit die bislang umfangreichste Nashorn-Umsiedlung in der Geschichte: Mindestens 100 der Dickhäuter sollen von Südafrika nach Botswana gebracht werden. So will man die von Wilderei bedrohten Tiere vor dem Aussterben retten. Am Wochenende wurden allein zwölf Breitmaulnashörner ausgeflogen.
Ein Hubschrauber fliegt tief über der Steppe des Phinda-Naturreservats in Südafrika. Drei grasende Breitmaulnashörner laufen verschreckt durchs Gebüsch. Tierarzt Trevor Viljoen lehnt sich aus dem Fenster, zielt und drückt den Abzug. Im Bruchteil einer Sekunde steckt ein Betäubungspfeil in der Hinterbacke eines Bullen. Das Tier läuft noch etwas, bleibt dann stehen. Jetzt heißt es schnell handeln. Dem Nashorn werden die Augen verbunden. Bevor das Betäubungsmittel ganz wirkt, zieht eine Gruppe von Wildfängern, Zoologen und Ärzten das tonnenschwere Tier mit einem Seil an einen Transportlaster heran. Kurz danach sinkt der Bulle auf die Knie.
Sanft schnaufend liegt das betäubte Nashorn auf der Erde. Das Tier wird gewogen, vermessen und gekennzeichnet. Ein Wildfänger bohrt ein Loch in das imposante Horn, um einen batteriebetriebenen Sender einzusetzen. So können die Bewegungen des Tieres in Botswana verfolgt werden. Nach nur 20 Minuten spritzt der Veterinär ein Gegenmittel ins Ohr. Sekunden später wacht das Tier auf, stellt sich auf die Beine und trabt zu seinen Kumpanen im Gehege. Dort muss es vier Wochen in Quarantäne verbringen, bevor es das Land verlassen darf.
Das Rhinozeros ist eines von 100 Tieren, die von Mitstreitern der Aktion „Rhinos without Borders“(deutsch: Nashörner ohne Grenzen) von Südafrika nach Botswana umgesiedelt werden sollen. Wilderer haben nach Angaben des Umweltministeriums in Südafrika vergangenes Jahr 1054 Nashörner getötet. „Das sind fast drei pro Tag“, sagt „Rhinos without Borders“-Projektleiter Les Carlisle. Das Horn ist vor allem in Asien gefragt, wo ihm aphrodisierende und heilende Kräfte zugeschrieben werden. Auf dem Schwarzmarkt zahlen Kunden etwa 60 000 Euro pro Kilogramm. In Afrika gibt es schätzungsweise noch bis zu 25 000 Nashörner.
Der Traumberuf des Wildhüters sei in Südafrika zum Alptraum geworden, sagt Carlisle. Wilderer seien mit Schnellfeuerwaffen und Nachtsichtgeräten ausgestattet. Die Jagd auf das Horn müsse man sich wie „einen kleinen Bürgerkrieg“vorstellen, so Carlisle, bei dem Ranger jede Nacht ihr Leben aufs Spiel setzten, um die Nashörner zu beschützen.
In Botswana sei das Wildereiproblem dagegen gering, erklärt Map Ives, der offizielle Nashorn-Koordinator Botswanas, der die Rhinozerosse im Okavango-Delta in Empfang nimmt. Botswana besteht zu etwa 70 Prozent aus Nationalparks und hat nur rund zwei Millionen Einwohner. Die 100 Nashörner sollen dort einen neuen Brutbestand schaffen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Tierschützer Nashörner auf diese Weise vor dem Aussterben retten wollen. Anfang des 20. Jahrhunderts habe es nur noch rund 50 Nashörner in Afrika gegeben, erzählt Carlisle. Dann habe man den Tierbestand durch systematische Umsiedlung über die nächsten fünf Jahrzehnte auf rund 20 000 Nashörner gesteigert. Carlisle ist optimistisch: „Genauso wollen wir das wieder machen“.