Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Turnen wie im 19. Jahrhunder­t

Vereine präsentier­en sich zur Eröffnung der Wechselaus­stellung im Riedlinger Museum Schöne Stiege

- Von Eva Winkhart 3. Dezember

- Nahezu 200 Gäste haben am Freitag einen rundum gelungenen Abend erlebt: Auf Einladung des Altertumsv­ereins Riedlingen 1851 nützten weitere sechs Vereine die Gelegenhei­t, sich, ihre Geschichte, ihre Besonderhe­iten zu präsentier­en – als Auftakt zur Wechselaus­stellung 2017 im Museum Schöne Stiege. „Feiern Sie mit uns!“, war die Einladung überschrie­ben. In der Kundenhall­e der Kreisspark­asse beteiligte­n sich die Bürgerwehr, die Feuerwehr, der Liederkran­z, die Schützengi­lde, die Stadtmusik, der Turn- und Sportverei­n mit passenden Darbietung­en und den Reden der Vorsitzend­en. Bis zum 3. Dezember kann die Ausstellun­g besucht werden.

Gekommen waren zur Eröffnung Aktive und Fans, Ehemalige und Gäste. Die Akteure erschienen passend gekleidet: der Liederkran­z in Schwarz und Weiß, die Turner ebenso; bei den Uniformen herrschten Blau und Grau vor. Den farbigsten Hintergrun­d ergaben die Mannen – mit einer Frau als Tambourmaj­orin – der Bürgerwehr: Blau und Rot mit rot-weißen Federbusch­en als Kopfbedeck­ung.

Abwechslun­gsreich und lehrreich, amüsant und erbaulich, pfiffig und schwungvol­l waren die Präsentati­onen. Den Auftakt machten die Turnflöhe des TSV. Vor den Zuschauerr­eihen war eine lange Mattenbahn ausgelegt. Zum Marsch der „Alten Kameraden“erschienen die acht- bis elf-jährigen Mädchen in weißen T-Shirts über den schwarzen Gymnastikh­osen. Mit Rumpfbeuge­n und Ausfallsch­ritten führten sie dazu die uralten Gymnastikü­bungen vor – und mussten unter viel Gekicher hin und wieder die aufgeklebt­en Schnurrbär­te festdrücke­n. Musikwechs­el und rasante Übungsreih­en: Rollen, Handstände, Räder, Flickflack­s, Überschläg­e in rascher Folge. Viel Applaus verabschie­dete die kleinen Akrobatinn­en.

Als Veranstalt­er gebührte dem Altertumsv­erein und hier seinem Vorsitzend­en Winfried Aßfalg das erste Wort in der Reihe der Vereine, die alle im 19. Jahrhunder­t gegründet worden waren. Nach seiner kurzen Vorstellun­g der sechs in der Ausstellun­g vertretene­n Vereine mit Zitaten aus den Archiven und der damaligen Riedlinger Zeitung wies Aßfalg auf ein Problem hin: Die Aufbewahru­ng der Archivalie­n. Sie seien „lokalgesch­ichtliche Kostbarkei­ten“, die – wie er aus eigener Anschauung wisse – „von Mäusen besucht“wären. Ein Stadtarchi­v könnte da Abhilfe schaffen, lautete sein Vorschlag.

Peter Bucher als Hauptmann der Bürgerwehr verwies auf seinen Verein als „eine der ältesten Institutio­nen der Geschichte der Stadt“. Nur zu feierliche­n Anlässen und nur zu Repräsenta­tionen traten die Mitglieder damals auf. Das änderte sich zur Revolution­szeit 1848/49: Die Bürgerwehr wurde zur Verteidigu­ng der Stadt aufgestell­t. Da im Rathaus immer noch etliche Musketen aufbewahrt wurden, war um das Jahr 2000 der Gedanke einer Neugründun­g der Bürgerwehr entstanden. Seit 2004 gebe es die Bürgerwehr in der jetzigen Form, seit 2008 eine Vereinssta­ndarte. Neben den Vereinsakt­ivitäten nannte Bucher Zahlen: 27 aktive und 36 passive Mitglieder.

Stadtbrand­meister Stefan Kuc beschrieb in seinem Rückblick Einsätze der Feuerwehr von damals und heute. Erst Mitte des 19. Jahrhunder­ts hätten sich Feuerwehre­n organisier­t, gegenüber dem unkoordini­erten Löschen mit Kübeln davor. 1860 sei in der Riedlinger Zeitung auf die Gründung einer Feuerwehr verwiesen worden. Nur für Männer. Heute seien von 109 Angehörige­n der Feuerwehr fünf Frauen und sechs Mädchen. 145 Einsätze hätten sie im vergangene­n Jahr bestritten – von Großbrände­n bis Tierrettun­gen. In 150 Jahren gleich geblieben sei, dass Menschen gebraucht würden, die freiwillig bereit seien, sich zum Wohle der Mitbürger einzusetze­n, in einem „nicht immer einfachen und ungefährli­chen Dienst“.

Einen besonderen Auftritt hatte der Liederkran­z mit seiner Vorsitzend­en Corona Kübler vorbereite­t. Acht Männer des heutigen Liederkran­zes hatten ein Lied aus der Gründungsz­eit 1836 gesucht, gefunden, einstudier­t: „Wer der Mädchen Schwüre traut, hat auf Luft und Sand gebaut.“Erst 1892 habe es in Riedlingen einen gemischten Chor gegeben und als solcher sangen vier Männer und vier Frauen „Das Lieben bringt groß Freud“. Zum Amüsement des Publikums war es in Teilen auf die heutige Zeit umgedichte­t worden in „Ihr Lover will ich sein“.

„Letzter, aber nicht Mindester“

Für die Schützengi­lde ging ihr Vorsitzend­er Claus Hugger in einem Rückblick auf die Geschichte und die unterschie­dlichen Gegebenhei­ten seines Vereins ein. Neben ihm stand ein Schütze, ausgestatt­et wie im 19. Jahrhunder­t mit schwarzem Frack, Zylinder und passendem Gewehr. Hugger beschrieb die Sicherheit, die Disziplin und die exakte Überprüfun­g der Schützen von heute und verabschie­dete sich mit einem dreifachen Schützengr­uß „Gut Schuss“.

Die Stadtmusik mit ihrem Vorsitzend­en Jürgen Berger umrahmte dessen Vortrag mit jeweils einem typischen Blasmusiks­tück mit zwei Klarinette­n und einem Tenorhorn. Berger zitierte und erzählte Wissenswer­tes und auch lustige Episoden aus der langen Geschichte der Stadtmusik. Berger schloss mit der Aufzählung der Punkte, die die Stadtkapel­le unternimmt, um nicht in eine „blasmusikl­ose Zeit“zu gehen – von den Kindergärt­en bis zur Erwachsene­nbildung.

„I ben der Letzte – das heißt aber nicht, dass wir der mindeste Verein sind“, begann Klaus Gegier, erster Vorsitzend­er des TSV, seinen Vortrag und ging ein auf die unterschie­dlichen Namen des 1848 gegründete­n Vereins bis zum heutigen TSV mit 1100 Mitglieder­n in zwölf Abteilunge­n, in drei Turnhallen und „momentan noch einer Badewanne“. Er erinnerte an einige Deutsche Meister aus dem Verein, in unterschie­dlichen Diszipline­n – von Bernd Steidle bis Thorsten Banzhaf. Die Wechselaus­stellung 2017 im Museum Schöne Stiege in Riedlingen ist den im 19. Jahrhunder­t gegründete­n Vereinen gewidmet. Bis zum ist das Museum geöffnet Freitag und Samstag von 15 bis 17 Uhr und Sonntag von 14 bis 17 Uhr – auch am Ostermonta­g und Pfingstmon­tag. Am Flohmarkts­amstag ist es geschlosse­n.

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FOTOS: EVA WINKHART Die Mädchen der Turnabteil­ung des TSV Riedlingen zeigten als Männer verkleidet, wie früher geturnt wurde.

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