Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Erhöhte Clenbuterol-Werte in Peking 2008 – auch bei Jamaikas Sprintern
ARD-Dopingredaktion: Nachtests ergaben Auffälligkeiten – Keine Sanktionen, weil auch kontaminiertes Fleisch Ursache gewesen sein könnte
(SID) - Bei Jamaikas Sprintern um Usain Bolt hat es bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking in mehreren Dopingproben Auffälligkeiten gegeben. Wie die ARD-Dopingredaktion am Sonntag berichtete, wurde bei Nachtests der Spiele das Dopingmittel Clenbuterol in geringen Mengen nachgewiesen. Sanktionen gab es jedoch nicht – offenbar, weil die Werte auch mit dem Verzehr von kontaminiertem Fleisch erklärt werden konnten. Um welche Sportler es sich konkret handelt, ist nicht bekannt. Clenbuterol, mit dem einst auch die deutsche Sprinterin Katrin Krabbe erwischt worden war, wird besonders in China verbotenerweise unter anderem in der Kälbermast eingesetzt.
„Mir ist bekannt, dass es jamaikanische Fälle mit sehr geringen Clenbuterol-Mengen gibt“, sagte der Generaldirektor der Welt-Anti-DopingAgentur (Wada), Olivier Niggli: „Wenn die gefundenen Mengen verhältnismäßig niedrig sind im Vergleich zu einer direkten Einnahme der Substanz, dann ist es von der Wada akzeptiert, dass solche Fälle nicht gemeldet werden. Natürlich ist das nicht schön. Wenn man dopt, ein Betrüger ist, ist das eine perfekte Ausrede, sofern man erwischt wird. Aber so ist es eben.“
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erklärte in einer Stellungnahme, dass bei Nachtests bei „mehreren Athleten aus mehreren Ländern und mehreren Sportarten sehr niedrige Clenbuterol-Werte“nachgewiesen worden seien. „Alle liegen in einem Bereich, der durch verunreinigtes Fleisch hervorgerufen werden kann“, teilte das IOC mit. Man habe die Ergebnisse der Wada weitergeleitet, diese habe nach „sorgfältiger Prüfung“entschieden, die Fälle nicht weiter zu verfolgen, da es keine „signifikanten Hinweise“auf Clenbuterol-Missbrauch gegeben habe.
Jamaika hatte in Peking fünf Goldmedaillen im Sprint gewonnen. Die 4x100-m-Staffel der Männer um Usain Bolt hatte ihre Goldmedaille wegen eines positiven Tests bei Nesta Carter auf das Stimulans Methylhexanamin im Januar zurückgeben müssen. Der ehemalige Dopingdealer Angel Heredia erklärte der ARD-Dopingredaktion, dass er im Vorfeld der Spiele 2008 von jamaikanischen Trainern auf die richtige Verwendung von Clenbuterol angesprochen worden sei. Heredia sagte, er sei „100-prozentig“sicher, dass die Jamaikaner Clenbuterol zu Dopingzwecken eingesetzt hätten.
Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, sprach von einem schweren „Schaden für die Glaubwürdigkeit von IOC und Wada, die hier grundlegendes Vertrauen verspielt haben. Das Verhalten der beiden Organisationen ist abstrus.“Das IOC, so Prokop, scheine „kein Interesse zu haben, die Clenbuterol-Fälle von Peking regelkonform aufzuklären“.