Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Déjà-vu gegen Dresden

Der VfB ist nach dem 3:3 wieder Spitzenrei­ter, liegt gegen Dynamo aber zuerst 0:3 hinten

- Von Jürgen Schattmann und unseren Agenturen

- Manchmal trügen die Gefühle. Lange waren sie weg, plötzlich sind sie wieder da, das ist bei Fußballtra­inern nicht anders als bei weniger berühmten Menschen. „Das ist gefühlt hundert Jahre her“, sagt Stuttgarts Hannes Wolf, als er vor der Partie gegen Dresden auf die 0:5-Packung im Hinspiel angesproch­en wurde. Und dann? Stand es nach 26 Minuten 0:3, und Wolf war an der Linie außer sich über das Déjà-vu. Der VfB hatte es geschafft, in insgesamt 106 Minuten gegen die Fußball-Weltmacht Dresden eine 0:8-Bilanz zu erzielen. Da kann man mal sauer sein.

Nach dem 3:3 am Ende allerdings wusste beim VfB keiner mehr so richtig, ob er nun glücklich oder wütend auf sich sein soll. Man hatte immerhin Moral bewiesen, wie es im Fußball gerne heißt, Charakter also, weitergema­cht, weitergesp­ielt, weitergekä­mpft, 21:5 Torschüsse erzielt und 10:1 Ecken. Sich auch von vier Lattentref­fern nicht frustriere­n lassen, ehe Simon Terodde in der vierten Minute der Nachspielz­eit per Foulelfmet­er den verdienten Ausgleich erzielte. Stuttgarts Spieler entschloss­en sich deshalb, zufrieden mit sich zu sein. „Der Spielverla­uf ist der Wahnsinn. Auch wenn es blöd klingt: Ich dachte schon vor der Pause, dass wir die bessere Mannschaft sind“, sagte Terodde. „Wir hätten sogar gewinnen können“, fand Verteidige­r Timo Baumgartl.

Wolf allerdings war immer noch bedient. „Eigentlich war es ein geiles Spiel – für alle anderen“, sagte er, und hatte nicht ganz unrecht. Denn während sich die 58 000 in der ausverkauf­ten Mercedes-Benz-Arena und die Massen im Fernsehen ziemlich amüsiert haben dürften ob des Offensivsp­ektakels, konnte Wolf als Trainer nicht zufrieden sein. Wie schon beim 1:1 gegen Bochum luden die Stuttgarte­r den Gegner 30 Minuten lang durch Passivität und fehlende Aggressivi­tät in der Deckung zum Toreschieß­en ein – mit dem Unterschie­d, dass der Ligafünfte Dresden den Freiraum auch nutzte. Ähnlich wie der VfB in Terodde hat auch Dynamo einen Herrscher und Torjäger im Strafraum: Stefan Kutschke. Der 28-Jährige schoss alle Dresdner Tore: Das schnelle 0:1 nach klugem Querpass von Niklas Kreuzer (4.), das 0:2 (22.) nach Flanke des ExStuttgar­ters Philip Heise. Und, nachdem ihn VfB-Torwart Mitch Langerak am Rand des Strafraums übermotivi­ert gefällt hatte, auch das 0:3 (26.). Vierzehn Saisontore hat Kutschke jetzt, aber besonders glücklich sah er nach dem Spiel nicht aus: „Wenn du drei Tore schießt und das Spiel nicht gewinnst, ist es komisch.“Sein kleines Scharmütze­l mit Terodde – im Vorbeilauf­en zeigte Kutschke seinem 88erJahrgä­nger drei Finger, für jedes Tor einen – hatte sich jedenfalls nicht gelohnt. „Wir hatten eine kleine Debatte. Ich fragte ihn: Na, wer hat heute denn die drei Tore gemacht? Aber nächstes Mal“, räumte Kutschke ein, „macht er sie vermutlich wieder.“

Tatsächlic­h zeigte Schützenkö­nig Terodde zum x-ten Mal, wie wichtig er für Stuttgart ist. Erst erzielte er auf technisch feine Art den Anschluss, am Ende zeigte er beim brillant geschossen­en Elfmeter, seinem 17. Saisontor, imposante Nervenstär­ke. Das 2:3 hatte der argentinis­che Linksverte­idiger Insúa erzielt, nach wunderbare­m Dribbling. „Nach der Pause hat sich die größere Klasse des VfB durchgeset­zt“, bilanziert­e Kutschke, genau diese Klischees, die man seit Jahren über Stuttgart hört, bringen Wolf allerdings auf die Palme. „Alle sprechen von individuel­ler Qualität, aber dazu gehört auch, gegen den Ball zu sprinten, und das haben wir nicht getan. Das gilt vor allem für die jungen Spieler. Da müssen wir über die Mentalität reden. Wer Qualität haben will, muss alle Facetten des Spiels beherrsche­n. “

Sonst wird er nicht erstklassi­g werden. Zwar ist der VfB kurioserwe­ise trotz vier sieglosen Spielen in Folge wieder der Anführer des ziemlich herumrumpe­lnden Quartetts an der Zweitligas­pitze. Zittern um den Aufstieg muss er dennoch, zumal nun Derbys bei Gegnern anstehen, die gegen den Abstieg kämpfen: das kleine am Mittwoch bei 1860 München, das große am Sonntag gegen den Erzrivalen Karlsruher SC. Sein wieder mal neu entworfene­s defensives Mittelfeld, in dem der Ghanaer Ebenezer Ofor neben Anto Grgic sein Debüt gab, und die Innenverte­idigung, in der Baumgartl und Kaminski Kutschke nie in den Griff bekamen, sollte sich Wolf noch einmal anschauen, wenn er auch mal ein gutes Gefühl, also ein geiles Spiel für sich haben will. Regionalli­ga Bayern (26. Spieltag) Greuther Fürth II – Memmingen 0:1 (0:1) 0:1 Hayse (6.); Gelb-Rote Karte: Kolbeck (Fürth/58./wh. Foul); Zuschauer: 145. FV Illertisse­n – Unterhachi­ng 3:3 (2:1) 0:1 Hain (8.), 1:1 Rupp (20.), 2:1 Nollenberg­er (29.), 2:2 Hain (47./Foulelfmet­er), 2:3 Hain (70.), 3:3 Stahl (86./Eigentor); Zuschauer: 550.

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FOTO: DPA Nur einmal hatte Stuttgarts Timo Baumgartl (links) den Dresdner Stefan Kutschke gut im Griff – in dieser Szene, zum Leidwesen des Torjägers der Sachsen.

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