Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
90 Minuten reinste Ego-Politur
Augsburger zeigen bei Bayerns 6:0-Sieg kaum Gegenwehr – Ulreich-Abschied rückt näher
- Das Pflaster, das Philipp Lahm nach dem Spiel seines FC Bayern München gegen den FC Augsburg am linken Arm trug, war kein Andenken aus einem harten Zweikampf. „Der Kunstrasen neben dem Spielfeld war etwas hart“, so der Routinier und fasste damit gleich die vorangegangenen 90 Minuten zusammen. Ohne wirkliche Gegenwehr hatte sich der FCA in seine 6:0 (2:0)-Klatsche gefügt, während sich Hattrick-Schütze Robert Lewandowski, Doppelpacker Thomas Müller und Thiago beim Torschusstraining schon mal auf die für sie wichtigen Aufgaben einballern konnten.
Und trotzdem wollten sich weder die Bayern-, noch die FCA-Spieler ausführlich mit den vorangegangenen 90 Minuten aufhalten. Unverständlich, hatten die einen doch beinahe durchgängig brilliert, die anderen sich die höchste Niederlage ihrer Bundesligageschichte abgeholt. „Der April ist ein heißer Monat, warten wir mal ab, wie wir durch das Feuer kommen. Jetzt kommen die wichtigen Spiele“, meinte Thomas Müller nach seinem ersten Doppelpack in diesem Jahr und angesprochen auf die anstehenden Champions-League-Duelle gegen Real Madrid.
Ebenso schnell ging AugsburgTrainer Manuel Baum über das Thema hinweg, wenn wohl auch aus anderen Gründen: „Wir dürfen jetzt nicht alles so schlecht reden und müssen auf unser Spiel am Mittwoch gegen Ingolstadt schauen. Das heute müssen wir ganz schnell abhaken.“Doch was seine Mannschaft in München ablieferte, dürfte ihm wenig positive Ansätze aufgezeigt haben. Ohne echte Torchance und mit einer leicht auszuspielenden Abwehr hatte es seine Mannschaft nicht geschafft, ein Mittel gegen Bayerns überragende Offensive um Dirigent Thiago zu finden.
„Spätestens nach dem 3:0 war das wirklich nicht viel mehr als ein Abschenken“, konstatierte Torhüter Marvin Hitz, der selbst beim zweiten Gegentor etwas unglücklich wirkte, nicht entschlossen genug zum Ball ging. „Wenn man keinen einzigen Konter ausspielen kann, ist das kein gutes Zeichen. Wir hatten zudem keine Ruhe am Ball und waren heute vollkommen verunsichert“, so Hitz.
Dass dies auch mit der im Vergleich zum Spiel gegen den SC Freiburg beinahe vollkommen neu formierten Hintermannschaft zusammenhing – Top-Torjäger und Abwehrkämpfer Konstantinos Stafylidis, Jeffrey Gouweleeuw, Martin Hinteregger und Ja-Cheol Koo standen erst gar nicht im Kader, Georg Teigl und Moritz Leitner blieb nur der Platz auf der Bank – wollte Trainer Baum nicht als Erklärung zulassen. Stafylidis habe Muskelprobleme, Hinteregger sei nach der Länderspielreise müde und Hoffnungsträger Alfred Finnbogason nicht immer die richtige Variante. „Das ist ärgerlich, aber ich will nun nichts mehr zum Bayernspiel sagen“, so Baum.
Sein Gegenüber auf Bayern-Seite, Carlo Ancelotti, wäre nach dem ersten von neun Spielen in 29 Tagen wohl ebenfalls ohne Worte ausgekommen. „Wir haben ein wirklich gutes Spiel gemacht. Lewandowski hat das gemacht, was er normalerweise tut. Er hat drei Tore gemacht und zwei vorbereitet, was soll ich noch mehr über ihn sagen“, sagte der Trainer dann doch. Allgemein schien es für die Bayern eher ein Spaß-Kick gewesen zu sein, 90 Minuten Ego aufpolieren, bevor es ernst wird.
Dann soll auch wieder Manuel Neuer zwischen den Pfosten stehen, der derzeit noch mit einer Fußverletzung ausfällt. Vertreter Sven Ulreich sah die beschäftigungslose Partie als „gut zum Reinkommen“. Ob er jedoch überhaupt einmal richtig reinkommt oder noch länger sein Bankdasein beim Rekordmeister fristet, ist mehr als fraglich. „Ich wusste, was mich hier erwartet, aber wenn man die Möglichkeit hat, wieder zu spielen, dann geht die Tendenz dahin, dass ich wieder spielen möchte“, so der 28-Jährige nach seinem insgesamt erst zweiten Bundesliga-Spiel für die Münchener. Doch auch wenn das Spiel gegen die Augsburger kein Gradmesser gewesen sein dürfte, war es doch ein guter Auftakt. „Jetzt gilt es durchzuziehen“, so Arjen Robben und Lahm ergänzte: „Das gibt uns ein gutes Gefühl, mit dem man ins nächste Spiel gehen kann.“
Dementsprechend müssen sich die Augsburger auf andere Sachen berufen. „Jetzt kommt es auf Willen, Mentalität und Abstiegskampf an, auch wenn es jede Woche mehr Druck gibt“, sagte Kapitän Paul Verhaegh. Hoffnung macht ausgerechnet ein früherer Kellernachbar, wie Torhüter Hitz bemerkte: „Wir können uns ein Beispiel am HSV nehmen, die haben hier acht Tore kassiert, das hat die Augen geöffnet.“