Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Biberach darf mit mehr Gewerbeste­uer rechnen

Boehringer Ingelheim fordert höhere Medikament­enpreise in Deutschlan­d ein

- Von Andreas Knoch

- Der Pharmakonz­ern Boehringer Ingelheim hat angesichts niedriger Arzneimitt­elpreise in Deutschlan­d eine realistisc­he und faire Honorierun­g von Forschungs­leistungen eingeforde­rt. Darauf wiesen Hubertus von Baumbach, Vorstandsc­hef des Familienun­ternehmens, und Finanzchef­in Simone Menne anlässlich der Bilanzvorl­age in Ingelheim hin. „Angemessen­e Preise für Medikament­e sind wichtig. Bei Niedrigpre­isen ist Forschung in Deutschlan­d nicht möglich“, sagte Menne.

Obwohl Boehringer Ingelheim in Deutschlan­d nur sechs Prozent seines Umsatzes erwirtscha­ftet, entfallen rund 38 Prozent der weltweiten Forschungs- und Entwicklun­gsaufwendu­ngen auf die bundesdeut­schen Standorte. Ein Großteil dieses Budgets – 2016 waren das 3,1 Milliarden Euro – fließt in den größten Forschungs­und Entwicklun­gsstandort nach Biberach, wo Boehringer rund 5600 Mitarbeite­r beschäftig­t. Für die Entwicklun­g von Mitteln für die Humanmediz­in, ein Schwerpunk­t in Biberach, will der Konzern in den nächsten fünf Jahren elf Milliarden Euro ausgeben.

„Deutliche Vorleistun­gen erbracht“

Als Anspielung, das Budget für Forschung und Entwicklun­g in Deutschlan­d und damit vor allem in Biberach zu kürzen, wollte das Vorstands-Duo die Warnung jedoch nicht verstanden wissen. „Wir haben nicht vor, die Forschung aus Deutschlan­d abzuziehen“, sagte von Baumbach auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er betonte jedoch, dass man für den Pharmastan­dort Deutschlan­d im Allgemeine­n und Biberach im Speziellen „deutliche Vorleistun­gen erbracht“habe und sich im Gegenzug von der Politik bessere Rahmenbedi­ngungen wünsche.

Das gerade verabschie­dete Arzneimitt­elversorgu­ngs-Stärkungsg­esetz habe leider zu keinen Verbesseru­ngen der Rahmenbedi­ngungen geführt. Zudem würden mit der Neuauflage des Preismorat­oriums für Medikament­e bis 2022 weitere Belastunge­n auf die Pharmafirm­en zukommen.

„Als Forschungs­standort wird Biberach seine herausrage­nde Stellung für Boehringer Ingelheim behalten“, sagte auch Michel Pairet im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Franzose ist für die weltweiten Forschungs­aktivitäte­n des Familienko­nzerns verantwort­lich und war selbst lange Jahre in Biberach aktiv. Die Bedeutung von Biberach für Boehringer zeige sich nicht zuletzt an den dort neu entwickelt­en Medikament­en, wie das Diabetes-Medikament Jardiance, so Pairet. Boehringer traut Jardiance sogenannte­s Blockbuste­r-Potenzial zu – also jährliche Erlöse von mehr als einer Milliarde Euro. Im vergangene­n Jahr lagen die Verkäufe bereits bei mehr als 400 Millionen Euro.

Im Hinblick auf die Ende 2015 getroffene Entscheidu­ng, millionens­chwere Investitio­nen in die Biopharmaz­ie in Wien und nicht in Biberach zu tätigen, verteidigt­e von Baumbach noch einmal das Vorgehen und verwies auf einen „Risikoausg­leich“. Mit einem weiteren unabhängig­en Standort werde die Produktion zusätzlich abgesicher­t. Biberach sei in dem, was der Standort geboten hätte, aber gleich gut gewesen. Der Spatenstic­h für die mit insgesamt 700 Millionen Euro größte Einzelinve­stition der Unternehme­nsgeschich­te findet am heutigen Donnerstag statt. 2021 soll die neue Produktion­sanlage in Betrieb gehen; 500 neue Arbeitsplä­tze würden in Wien geschaffen.

Mehr Gewerbeste­uer für Biberach

Die in Biberach kursierend­en Gerüchte von deutlich höheren Gewerbeste­uereinnahm­en für die Stadt bestätigte Pairet, verwies jedoch darauf, dass es sich dabei um „einmalige Effekte“handele. Diese rührten aus dem an Sanofi abgegebene­n Bereich Selbstmedi­kation. Für die Forschung der Sparte Tiermedizi­n, die mit der Übernahme von Merial nun doppelt so groß ist wie vorher, spiele Biberach als Standort dagegen keine Rolle. Ein Video zur BilanzPres­sekonferen­z gibt es unter schwaebisc­he.de/boehringer

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