Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Biberach darf mit mehr Gewerbesteuer rechnen
Boehringer Ingelheim fordert höhere Medikamentenpreise in Deutschland ein
- Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat angesichts niedriger Arzneimittelpreise in Deutschland eine realistische und faire Honorierung von Forschungsleistungen eingefordert. Darauf wiesen Hubertus von Baumbach, Vorstandschef des Familienunternehmens, und Finanzchefin Simone Menne anlässlich der Bilanzvorlage in Ingelheim hin. „Angemessene Preise für Medikamente sind wichtig. Bei Niedrigpreisen ist Forschung in Deutschland nicht möglich“, sagte Menne.
Obwohl Boehringer Ingelheim in Deutschland nur sechs Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet, entfallen rund 38 Prozent der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auf die bundesdeutschen Standorte. Ein Großteil dieses Budgets – 2016 waren das 3,1 Milliarden Euro – fließt in den größten Forschungsund Entwicklungsstandort nach Biberach, wo Boehringer rund 5600 Mitarbeiter beschäftigt. Für die Entwicklung von Mitteln für die Humanmedizin, ein Schwerpunkt in Biberach, will der Konzern in den nächsten fünf Jahren elf Milliarden Euro ausgeben.
„Deutliche Vorleistungen erbracht“
Als Anspielung, das Budget für Forschung und Entwicklung in Deutschland und damit vor allem in Biberach zu kürzen, wollte das Vorstands-Duo die Warnung jedoch nicht verstanden wissen. „Wir haben nicht vor, die Forschung aus Deutschland abzuziehen“, sagte von Baumbach auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Er betonte jedoch, dass man für den Pharmastandort Deutschland im Allgemeinen und Biberach im Speziellen „deutliche Vorleistungen erbracht“habe und sich im Gegenzug von der Politik bessere Rahmenbedingungen wünsche.
Das gerade verabschiedete Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz habe leider zu keinen Verbesserungen der Rahmenbedingungen geführt. Zudem würden mit der Neuauflage des Preismoratoriums für Medikamente bis 2022 weitere Belastungen auf die Pharmafirmen zukommen.
„Als Forschungsstandort wird Biberach seine herausragende Stellung für Boehringer Ingelheim behalten“, sagte auch Michel Pairet im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Franzose ist für die weltweiten Forschungsaktivitäten des Familienkonzerns verantwortlich und war selbst lange Jahre in Biberach aktiv. Die Bedeutung von Biberach für Boehringer zeige sich nicht zuletzt an den dort neu entwickelten Medikamenten, wie das Diabetes-Medikament Jardiance, so Pairet. Boehringer traut Jardiance sogenanntes Blockbuster-Potenzial zu – also jährliche Erlöse von mehr als einer Milliarde Euro. Im vergangenen Jahr lagen die Verkäufe bereits bei mehr als 400 Millionen Euro.
Im Hinblick auf die Ende 2015 getroffene Entscheidung, millionenschwere Investitionen in die Biopharmazie in Wien und nicht in Biberach zu tätigen, verteidigte von Baumbach noch einmal das Vorgehen und verwies auf einen „Risikoausgleich“. Mit einem weiteren unabhängigen Standort werde die Produktion zusätzlich abgesichert. Biberach sei in dem, was der Standort geboten hätte, aber gleich gut gewesen. Der Spatenstich für die mit insgesamt 700 Millionen Euro größte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte findet am heutigen Donnerstag statt. 2021 soll die neue Produktionsanlage in Betrieb gehen; 500 neue Arbeitsplätze würden in Wien geschaffen.
Mehr Gewerbesteuer für Biberach
Die in Biberach kursierenden Gerüchte von deutlich höheren Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt bestätigte Pairet, verwies jedoch darauf, dass es sich dabei um „einmalige Effekte“handele. Diese rührten aus dem an Sanofi abgegebenen Bereich Selbstmedikation. Für die Forschung der Sparte Tiermedizin, die mit der Übernahme von Merial nun doppelt so groß ist wie vorher, spiele Biberach als Standort dagegen keine Rolle. Ein Video zur BilanzPressekonferenz gibt es unter schwaebische.de/boehringer