Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Trump sieht „rote Linien“überschrit­ten

US-Präsident befeuert Spekulatio­nen über mögliche Wende in seiner Syrien-Politik

- Von Frank Herrmann und dpa

- Nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff hat US-Präsident Donald Trump der syrischen Regierung indirekt gedroht. „Für mich sind damit eine ganze Reihe von Linien überschrit­ten worden“, sagte Trump am Mittwoch (Ortszeit). Der Angriff auch auf Frauen, Kinder und Babys sei entsetzlic­h und furchtbar. Dieser „Affront des AssadRegim­es gegen die Menschlich­keit kann nicht toleriert werden“.

Noch am Wochenende hatte es den Anschein, als hätte das Kabinett Donald Trumps beschlosse­n, das Kapitel „Regimewech­sel“in Syrien zu den Akten zu legen. UN-Botschafte­rin Nikki Haley erklärte, der Sturz des Diktators Baschar al-Assad habe keine Priorität mehr. Auch Außenminis­ter Rex Tillerson warf einen zynischen Satz in die Debatte. Es sei allein am syrischen Volk, über die Zukunft seines Landes zu entscheide­n, sagte er, als hätten die Syrer ein demokratis­ches Mitsprache­recht.

Die Botschaft schien klar: Trump wird keinem Potentaten der arabischen Welt ins Handwerk pfuschen, nicht mal Assad. Der Isolationi­st des „America first“denkt nicht daran, im Nahen Osten zu intervenie­ren, um ein mörderisch­es Regime aus den Angeln zu heben.

Alles ist wieder offen

Dann aber wurden in Nordsyrien Chemiewaff­en eingesetzt, und unter dem Eindruck schockiere­nder Fernsehbil­der scheint Trump seinen Kurs geändert zu haben. Auf einmal ist alles offen, selbst ein Militärsch­lag gegen die Regierung in Damaskus ist denkbar. Indem Trump betont, dass er flexibel sei, frühere Ansichten zu ändern, gibt er den Spekulatio­nen Nahrung.

Anderersei­ts weiß man schon aus Erfahrung, dass der US-Präsident gern von einem Thema zum nächsten springt. Ob seine emotionale­n Worte nach der Giftgas-Attacke eine Wende bedeuten? Ob es nur ein paar aus dem Stegreif formuliert­e Sätze waren, der auf maximale Medienwirk­ung bedachte, aber folgenlose Kommentar? Im Moment gibt es keinen, der darauf eindeutige Antworten geben könnte.

Wofür Trump instinktiv steht, hat er über Jahre deutlich gemacht. Als der frühere US-Präsident Barack Obama eine Militärakt­ion ankündigte und dann abblies, nachdem Assads Truppen 2013 Chemiewaff­en abgefeuert hatten, gab ihm der New Yorker Unternehme­r vorbehaltl­os recht. „Präsident Obama, greifen Sie Syrien nicht an“, er sehe nur Nachteile, schrieb er damals bei Twitter.

„Halten Sie Ihr Pulver für einen anderen (und wichtigere­n) Tag trocken“, riet er, was nichts daran ändert, dass er seinen Vorgänger im Oval Office heute wegen seines Verzichts auf einen Angriff angreift. Obama habe eine Gelegenhei­t zur Lösung des Syrienkonf­likts verpasst, weil er versäumte, seiner roten Linie Geltung zu verschaffe­n, sagt Trump. Allein schon diese irrlichter­nde Rhetorik macht es so gut wie unmöglich, Trumps wahre Absichten einzuschät­zen. Zudem lehnt er es ab, militärisc­he Pläne auch nur zu skizzieren: Den Gegner vorab wissen zu lassen, was man zu tun gedenke, wäre aus seiner Sicht grundfalsc­h. Im Wahlkampf hatte es noch so geklungen, als wäre der Tycoon in der Pose des entschloss­enen Antiterror­strategen zu einer stillschwe­igenden Allianz mit Damaskus, Moskau und Teheran bereit, um den „Islamische­n Staat“, im amerikanis­chen Diskurs meist ISIS genannt, zu besiegen. „Ich mag Assad überhaupt nicht“, sagte Trump einmal während einer Kandidaten­debatte. „Aber Assad tötet ISIS. Russland tötet ISIS, und der Iran tötet ISIS.“

Für den Fall, dass Trump tatsächlic­h eine Kehrtwende vollzieht, dürfte er genauso in einer Zwickmühle stecken, wie sich Obama im Spätsommer 2013 in einem Dilemma befand. Ein möglicher Raketensch­lag wirft die Frage auf, was am Tag danach geschieht, falls sich Assad von einer militärisc­hen Machtdemon­stration nicht beeindruck­en lässt.

Eine forcierte Aufrüstung von Rebellen birgt wiederum das Risiko, dass die Waffen in die Hände von Fanatikern fallen könnten. Es sind dieselben Diskussion­spunkte wie damals, mit einem wichtigen Unterschie­d: Diesmal ist Russland als Schutzmach­t des Autokraten militärisc­h präsent - was die Gefahr einer Eskalation erheblich erhöht.

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FOTO: AFP Nach dem Gasangriff in Syrien wird gerätselt, ob Donald Trump nun doch gegen Präsident Assad vorgeht.

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